Gyrus cinguli

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Sagittalschnitt durch das Gehirn
(der Gyrus cinguli, der relativ zentral liegt, ist orange hervorgehoben)
MRI der sagittalen Schnittebene mit farblich hervorgehobenem Gyrus cinguli.

Der Gyrus cinguli[1] (von lateinisch gyrus ‚Windung‘ und cingulum ‚Gürtel‘) oder Gürtelwindung ist ein Teil des Gehirns und gehört funktionell zum limbischen System. Es handelt sich um eine Struktur des Telencephalons (Endhirn), oberhalb des Corpus callosum (Balken), die die medial liegenden Teile der Hemisphären miteinander verbindet.

Der Gyrus cinguli besteht aus vier Abschnitten:[2]

  • Pars anterior = Brodmann-Areal 24
  • Pars posterior = Brodmann-Areal 23
  • Area subcallosa = Brodmann-Areal 25
  • cinguläre Motor-Areale = Brodmann-Areal 32

Im Marklager des Gyrus cinguli verläuft eine lange Assoziationsbahn, das Cingulum. Er endet in der Rinde des Subiculums der Hippocampusformation.

Eine operative Durchtrennung des Gyrus cinguli wird als Zingulotomie bezeichnet.

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Teil des limbischen Systems ist der Gyrus cinguli bei der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen sowie bei Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt. Er scheint eine entscheidende Rolle bei der emotionalen Bewertung der äußeren Umwelt und deren Verknüpfung mit der inneren Gefühlslage zu spielen. Mitgefühl und emotionale Bindungen sind hier lokalisiert. Bei Störungen des allgemeinen Lebensgefühls und einer negativen Stimmungslage wie beispielsweise bei Depressionen lassen sich hier häufig Veränderungen in der neuronalen Aktivität nachweisen.[3] Auch Fähigkeiten wie die Aufmerksamkeit zu verlagern, sich Veränderungen anzupassen und Optionen zu erkennen sind hier lokalisiert.[4]

Leid-Aversion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Englischsprachiges Erklärvideo zu der Studie

Im März 2020 zeigten Neurowissenschaftler, dass Laborratten das Leid anderer Ratten als negativ empfinden und dabei die gleiche Region des Gyrus cinguli wie beim Menschen aktiviert wird. Die meisten hörten auf ihre Lieblingssüßigkeiten zu wählen, wenn dies dazu führt, dass eine Nachbarsratte einen Stromschlag bekommt. Eine pharmakologische Betäubung der Gehirnregion oder eine höhere Menge der Süßigkeit änderte dieses Verhalten. Demnach könnte Moral alte evolutionäre Wurzeln haben und psychische Störungen durch entsprechende neurologische Eingriffe behandelbar sein.[5][6][7]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Federative Committee on Anatomical Terminology (Hrsg.): Terminologia Anatomica. Thieme, Stuttgart 1998, ISBN 3-13-114361-4.
  2. Anton Johannes Waldeyer: Anatomie des Menschen. 17. Auflage. de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 978-3-11-016561-6, S. 378, 401.
  3. Joachim Bauer: Das Gedächtnis des Körpers: Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. Piper ebooks, 2014, ISBN 978-3-492-96879-9.
  4. Daniel G. Amen: Das glückliche Gehirn: Ängste, Aggressionen und Depressionen überwinden - So nehmen Sie Einfluss auf die Gesundheit Ihres Gehirns. Goldmann, 2013, ISBN 978-3-641-12245-4.
  5. Rats avoid hurting other rats In: phys.org. Abgerufen am 5. April 2020 (amerikanisches Englisch). 
  6. Rats avoid harming other rats. The finding may help us understand sociopaths. In: Animals. 5. März 2020, abgerufen am 8. April 2020 (englisch).
  7. Julen Hernandez-Lallement, Augustine Triumph Attah, Efe Soyman, Cindy M. Pinhal, Valeria Gazzola, Christian Keysers: Harm to Others Acts as a Negative Reinforcer in Rats. In: Current Biology. 30. Jahrgang, Nr. 6, 23. März 2020, ISSN 0960-9822, S. 949–961.e7, doi:10.1016/j.cub.2020.01.017, PMID 32142701 (cell.com [abgerufen am 5. April 2020]).