Hans Neikes

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Hans Neikes (* 20. Januar 1881 in Köln; † 12. Februar 1954 in Saarbrücken) war ein deutscher Politiker. Er war von 1921 bis 1935 das Stadtoberhaupt von Saarbrücken.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neikes studierte Rechtswissenschaften. Während seines Studiums in Bonn wurde er 1900 Mitglied des Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Vereins, der späteren Landsmannschaft Marksburgia.[1] Er war nach seiner Promotion von 1908 bis 1921 in Oberhausen und Dortmund in der Verwaltung tätig. Nachdem er sich 1919 vergeblich um das Amt des Ersten Beigeordneten der Stadt Saarbrücken beworben hatte, gelang ihm im März 1921 die Wahl zum Saarbrücker Bürgermeister.

Im damals dem Völkerbund unterstellten Saargebiet geriet Neikes wegen seiner prodeutschen Haltung – der Dortmunder Oberbürgermeister Ernst Eichhoff sprach ihm vor seiner Wahl eine „treudeutsche, vaterländische Gesinnung“ zu – in Konflikt mit der Regierungskommission des Saargebietes. So kritisierte er im November 1922 unter anderem die Steuerpolitik der Kommission, was zu einer förmlichen Verwarnung durch Kommissionspräsident Victor Rault führte. Nach zwei Artikeln in der Saarbrücker Zeitung aus dem Jahr 1924, in denen der Bürgermeister die Bildungspolitik der Saarregierung angriff, leitete die Regierungskommission ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Dienstentlassung ein. Neikes, der den Rückhalt aller Parteien der Stadtverordnetenversammlung genoss und auch bei der Bevölkerung sehr beliebt war, wurde im Juli 1925 vom Disziplinarrat zunächst freigesprochen, unterlag jedoch 1927 in der Revision und erhielt einen Verweis ohne Eintrag in die Personalakte.

Neikes, der ab 1928 die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister trug, hielt auch nach der Machtergreifung an der Forderung nach der Rückkehr des Saargebietes ins Deutsche Reich fest und bekannte sich zu Adolf Hitler, dem er bereits am 1. Mai 1934, also noch vor der Saarabstimmung, die Ehrenbürgerschaft der Stadt Saarbrücken verlieh. Auf dem Balkon des Rathauses St. Johann wurde eine Hitlerbüste aufgestellt. Am 1. März 1935 verkündete Hitler der Bevölkerung vom Rathausbalkon offiziell den Anschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich.[2]

Trotz seines Engagements wurde Neikes nach der Saarabstimmung von Gauleiter Josef Bürckel gedrängt, seine Beurlaubung und Pensionierung zu beantragen. Dieser Forderung gab er im April 1935 nach, nachdem ihm ein großzügiges Ruhegehalt zugesagt worden war.

Bis zum Ende des Dritten Reichs arbeitete Neikes in Berlin für staatliche und kommunale Stellen. Nach dem Krieg sah er sich als Opfer der Nationalsozialisten und stellte 1951 finanzielle Forderungen betreffend seine Pension an die Stadt Saarbrücken. 1952 kehrte er nach Saarbrücken zurück, wo er zwei Jahre später starb.

Neikes Engagement für den Nationalsozialismus im Vorfeld der Saarabstimmung von 1935[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits im Vorfeld der Saarabstimmung von 1935 hatte sich Neikes in Wort und Tat für den Nationalsozialismus engagiert. In seinen Geleitworten zur Saarkundgebung von 1933 schrieb er: »Man kann zwar ein Gebiet internationalisieren, niemals aber einer Bevölkerung, welche national denkt und empfindet, eine internationale Gesinnung aufzwingen. Deshalb drängt sich machtvoll und unwiderstehlich Blut zu Blut, damit wieder eins werde, was vorher eins gewesen ist und von Natur aus nur eins sein kann. Sieg Heil.«

1934 untersagte er den der Arbeiterbewegung zugehörigen »Freien Turnern« in Saarbrücken ein internationales Sportfest auszurichten.

Trotz Flaggenverbots durch die Völkerbundverwaltung ließ Neikes 1934 an Hitlers Geburtstag das Saarbrücker Rathaus mit Hakenkreuzfahnen »schmücken« und auf dessen Balkon eine Hitlerbüste aufstellen. Im gleichen Jahr verlieh er Hitler die Ehrenbürgerschaft der Stadt Saarbrücken.

Im Oktober 1934 ließ er im Turm des Rathauses St. Johann ein Glockenspiel mit 19 Glocken in Betrieb nehmen, das „die historischen Weisen der deutschen Front sang“.[3]

Ebenfalls 1934 veranlasste Neikes, dass der Saarbrücker Kommunist Heinrich Detjen[4] wegen im Stadtrat getätigter kritischer Äußerungen im Hinblick auf Neikes‘ nationalsozialistische Haltung zu drei Wochen Gefängnis verurteilt wurde.

Tätigkeit bei der Generalbauinspektion der Reichshauptstadt Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Mitarbeiter (1938–1945) in Albert Speers Generalbauinspektion bekleidete Neikes das Amt „Leiter der Rechtsabteilung“. Damit war Neikes in einer Behörde tätig, die Nutznießer des KZs Sachsenhausen und seiner Außenlager war, in erheblichem Maße an Planung, Genehmigung und Bau von mehr als 1000 Zwangsarbeiterlagern beteiligt war und die Entsiedelung und Enteignung von etwa 50.000 Menschen jüdischen Glaubens betrieb.

Dabei arbeitete die GBI Hand in Hand mit der Gestapo, die die Entsiedelung in der Deportation münden ließ.

Neikes’ Arbeit hatte verschiedene Berührungspunkte mit der Entmietung der jüdischen Bevölkerung durch die Abteilung II/4 der GBI, die die »Umsiedlung« organisierte. So erhielt Neikes Auflistungen der Kosten für die Renovierung der Wohnungen, aus denen Menschen jüdischen Glaubens geräumt worden waren. In Fällen, in denen die Entmietung nicht vorschriftsmäßig erfolgte, weil ein Mitarbeiter unbefugterweise Mietberechtigungsscheine an Personen jüdischen Glaubens vermittelt hatte, führte Neikes umfangreiche Ermittlungen durch und kommunizierte diesbezüglich mit der Gestapo.

Zu Neikes‘ Aufgaben gehörte es Grundstücke für Zwangsarbeiterlager zu requirieren und den Betreibern wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Als Leiter der Rechtsabteilung war er selbst auch als Betreiber und Errichter von Zwangsarbeiterlagern tätig. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass die Mittel, die für Unterkunft und Verpflegung der Zwangsarbeiter zur Verfügung gestellt wurden, sehr gering waren bzw. verwendete diese für die »Platzmiete«. Zudem kaufte er Grundstücke zugunsten des KZ-Außenlagers Klinkerwerk Oranienburg, das dem KZ Sachsenhausen zuzuordnen ist und in dem zahlreiche Menschen ermordet wurden. Über die desolaten Lebensbedingungen der dortigen Häftlinge muss Neikes zumindest in Ansätzen im Bilde gewesen sein. Der hier als Bauherr für Häftlingsbaracken auftretenden GBI empfahl er, mit der SS Festpreise für die Bauten zu vereinbaren, da er die KZ-Häftlinge als ungenügend ernährt und deswegen wenig leistungsfähig einstufte.[5]

Infragestellung der Würdigung von Neikes in Saarbrücken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der 2019 in einem Artikel in der Kulturzeitschrift Saarbrücker Hefte bekannt gewordenen Details über Neikes‘ Tätigkeit bei der GBI, gab es vermehrt Stimmen, die eine Beibehaltung der Würdigung von Neikes in Saarbrücken kritisch und als nicht mehr angemessen betrachteten. Aus diesem Grund wurde die Neikesstraße 2022 „auf Beschluss des Bezirksrats Mitte“, der einer Empfehlung der Straßennamenskommission folgte, in „Kleine Rosenstraße“ umbenannt.[6]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ehrengrabstätte in Saarbrücken

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dirk Amsel: Im Saarland nicht weiter beachtet: die zweite Karriere des Saarbrücker Oberbürgermeisters Hans Neikes bei Albert Speer. In: Saarbrücker Hefte. Nr. 120. Blattlaus, Saarbrücken 2019, S. 21–29.
  • Fritz Jakoby: Oberbürgermeister Hans Neikes. In: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend. Bd. 19, 1971, S. 497–508.
  • Hanns Klein: Kurzbiographien der Bürgermeister (Alt-)Saarbrückens, St. Johanns, Malstatt-Burbachs und der Großstadt Saarbrücken. In: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, XIX, Saarbrücken 1971, S. 510–538, S. 527 f.
  • Hans Neikes: Kommunalpolitik in nationaler Mission. In: Ludwig Linsmayer (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte. Landesarchiv Saarbrücken, Saarbrücken 2005. S. 262–275. ISBN 3-938415-00-2
  • Robert Volz: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 2: L–Z. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1931, DNB 453960294 (mit Abbildung).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Berthold Ohm und Alfred Philipp (Hrsg.): Anschriftenverzeichnis der Alten Herren der Deutschen Landsmannschaft. Teil 1. Hamburg 1932, S. 300.
  2. Karl August Schleiden: Illustrierte Geschichte der Stadt Saarbrücken. Dillingen an der Saar 2009, S. 481 u. 491–492.
  3. Die „befreite“ Saar. In: Die Stunde, 24. Jänner 1936, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/std
  4. Zur Person vgl. Detjen Heinrich in der Datenbank Saarland Biografien.
  5. Dirk Amsel: Im Saarland nicht weiter beachtet: die zweite Karriere des Saarbrücker Oberbürgermeisters Hans Neikes bei Albert Speer. In: Saarbrücker Hefte. Nr. 120. Blattlaus, Saarbrücken 2019, S. 21–29.
  6. Kleine Rosenstraße ersetzt die Neikesstraße. In: wochenspiegelonline.de. 24. Februar 2022, archiviert vom Original; abgerufen am 2. März 2022.