Hans Rosenberg (Historiker)

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Hans Willibald Rosenberg (* 26. Februar 1904 in Hannover; † 26. Juni 1988 in Kirchzarten) war ein deutsch-amerikanischer Historiker.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Rosenberg wurde als Sohn eines Kaufmanns jüdischer Abstammung geboren. Seit 1910 wuchs er in Köln auf und wurde protestantisch erzogen. Ab 1922 studierte er Geschichte und Philosophie an den Universitäten Köln, Freiburg und Berlin bei Friedrich Meinecke und Johannes Ziekursch. Vor 1933 beschäftigte er sich mit Arbeiten zur politischen Ideenwelt des deutschen Vormärz, darunter dem vielbeachteten Aufsatz Theologischer Rationalismus und vormärzlicher Vulgärliberalismus. 1927 wurde er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin bei Meinecke über Die Jugendgeschichte Rudolf Hayms promoviert. Rosenberg habilitierte sich 1932 an der Universität zu Köln bei Ziekursch über Rudolf Haym und die Anfänge des klassischen Liberalismus. Seine Antrittsvorlesung fand – unmittelbar vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten – im Januar 1933 statt.[1]

Eine akademische Laufbahn im nationalsozialistischen Deutschland war für Rosenberg als „Halbjuden“ unmöglich. Daher musste er seine akademische Tätigkeit in Deutschland 1933 aufgeben und emigrierte im Jahre 1935 über England, Kanada und Kuba in die USA. 1936 fand er eine Anstellung am Liberal Arts College in Jacksonville, wo er zwei Jahre lang tätig war. Darauf folgten 21 Jahre Lehrtätigkeit am Brooklyn College in New York. Dort lehrte er europäische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte seit dem Hochmittelalter sowie neuere deutsche Geschichte und verfasste mit Bureaucracy, aristocracy, and autocracy. The Prussian experience, 1660–1815 (1958) ein weiteres seiner einflussreichen Hauptwerke. Eine Rückkehr nach Deutschland scheiterte, obwohl es Ende der 1940er Jahre Gespräche über eine Berufung an die Universität Köln gab. 1959 wurde er an die University of California in Berkeley berufen und übernahm die Shepard-Professur für Geschichte. 1972 wurde er emeritiert.

Im Nachkriegsdeutschland verhalf Rosenberg jungen deutschen Historikern und Politikwissenschaftlern dazu, Anschluss an den neuesten internationalen Forschungsstand zu gewinnen und sich an der interdisziplinären Methodendiskussion zu beteiligen. Er trug entscheidend zur Öffnung der deutschen Geschichtswissenschaft gegenüber den Fragestellungen, Methoden und Modellen der systematischen Sozialwissenschaften in der Geschichtswissenschaft bei. 1977 kehrte Hans Rosenberg endgültig nach Deutschland zurück. Er wurde im selben Jahr zum Ehrendoktor der Universität Bielefeld und zum Honorarprofessor der Universität Freiburg ernannt. Sein zuerst 1958 erschienener Aufsatz Pseudodemokratisierung der Rittergutsbesitzerklasse wurde zum Leittext für die Forschung über die ostelbischen Junker.[2]

Von der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde seit 2004 alle zwei Jahre der mit 5.000 Euro dotierte „Hans-Rosenberg-Gedächtnispreis“ an einen Nachwuchswissenschaftler für eine außergewöhnliche Forschungsleistung verliehen (zuletzt 2016 mit 4.000 Euro). Die Preisträger sind Stephan Malinowski (2004), Christian Nottmeier (2006), Norbert Götz (2008), Sebastian Ullrich (2010),[3] Christiane Reinecke (2013), Birgit Hofmann (2016)[4] und Moritz Fischer (2023).[5]

Die Central European History Society (CEHS) vergibt jährlich den „Hans Rosenberg Book Prize“ für das beste englischsprachige Buch zur europäischen Geschichte in Nordamerika sowie den „Hans Rosenberg Article Prize“.[6]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monographien

  • Die Jugendgeschichte Rudolf Hayms. Noske, Leipzig-Borna 1928 (zugleich: Berlin, Universität, phil. Dissertation, vom 22. Mai 1928, Teildruck).
  • Rudolf Haym und die Anfänge des klassischen Liberalismus (= Historische Zeitschrift. Beiheft. Bd. 31, ISSN 0342-5363). Oldenbourg, München u. a. 1933.
  • Die Weltwirtschaftskrisis von 1857–1859 (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte. Bd. 30, ISSN 0341-0846). Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1934 (2. Auflage unter dem Titel: Die Weltwirtschaftskrise 1857–1859. Mit einem Vorbericht (= Kleine Vandenhoeck-Reihe 1396). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1974, ISBN 3-525-33359-5).
  • Bureaucracy, aristocracy, and autocracy. The Prussian experience 1660–1815 (= Harvard Historical Monographs. Bd. 34, ZDB-ID 255018-0). Harvard University Press, Cambridge MA 1958.
  • Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Bd. 24, ISSN 0440-9663 = Publikationen zur Geschichte der Industrialisierung. Bd. 2). de Gruyter, Berlin 1967.
  • Probleme der deutschen Sozialgeschichte (= Edition Suhrkamp. es 340, ISSN 0422-5821). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969.
  • Politische Denkströmungen im deutschen Vormärz (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. Bd. 3). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1972, ISBN 3-525-35953-5.
  • Machteliten und Wirtschaftskonjunkturen. Studien zur neueren deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. Bd. 31). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1978, ISBN 3-525-35985-3.

Herausgeberschaften

  • Rudolf Haym: Hegel und seine Zeit. Vorlesungen über Entstehung und Entwicklung, Wesen und Wert der Hegel'schen Philosophie. 2., um unbekannte Dokumente vermehrte Auflage, Heims, Leipzig 1927.
  • Ausgewählter Briefwechsel Rudolf Hayms (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts. Bd. 27, ZDB-ID 17901-2). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. a. 1930.
  • Die nationalpolitische Publizistik Deutschlands. Vom Eintritt der Neuen Ära in Preußen bis zum Ausbruch des Deutschen Krieges. Eine kritische Bibliographie (= Veröffentlichungen der Historischen Reichskommission). 2 Bände. Oldenbourg, München u. a. 1935.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Otto Büsch: In Memoriam Hans Rosenberg 1904–1988. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands. Bd. 37, 1988, S. 523–528.
  • Otto Dann: Hans Rosenberg und die Universität zu Köln. Ein Nachruf. In: Kölner Universitäts-Journal. Bd. 18, 1988, ISSN 0932-9641, S. 13–15.
  • Eugene D. Genovese: Hans Rosenberg at Brooklyn College. A Communist Student’s Recollections of the Classroom as War Zone. In: Central European History. Bd. 24, Nr. 1, 1991, ISSN 0008-9389, S. 51–57, doi:10.1017/S0008938900016563.
  • Ewald Grothe: Hans Rosenberg und die Geschichte des deutschen Liberalismus. Seine unveröffentlichte Antrittsvorlesung vom Januar 1933. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Bd. 62, 2014, S. 109–138.
  • William W. Hagen: Descent of the Sonderweg. Hans Rosenberg’s History of Old-Regime Prussia. In: Central European History. Bd. 24, 1991, Nr. 1, S. 24–50, doi:10.1017/S0008938900016551.
  • Winfrid Halder: „Being accustomed to march with the stronger battalions, the German Science of History was fully prepared to become reconciled with Hitlerism.“ Eine zeitgenössische Sicht zum Verhältnis von deutscher Geschichtswissenschaft und Nationalsozialismus. Hans Rosenbergs Referat an der London School of Economics im Mai 1935. In: Storia della Storiografia. Bd. 51, 2007, ISSN 0392-8926, S. 83–123.
  • Franka Maubach: Hans Rosenberg. Ein Historikerleben und die deutsche Geschichte (= Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts. Bd. 30). Wallstein, Göttingen 2022, ISBN 978-3-8353-5162-2.
  • Gerhard A. Ritter: Die emigrierten Meinecke-Schüler in den Vereinigten Staaten. Leben und Geschichtsschreibung zwischen Deutschland und der neuen Heimat: Hajo Holborn, Felix Gilbert, Dietrich Gerhard, Hans Rosenberg. In: Historische Zeitschrift. Bd. 284, H. 1, 2007, S. 59–102.
  • Gerhard A. Ritter (Hrsg.): Entstehung und Wandel der modernen Gesellschaft. Festschrift für Hans Rosenberg zum 65. Geburtstag. de Gruyter, Berlin 1970, Digitalisat.
  • Gerhard A. Ritter: Hans Rosenberg 1904–1988. In: Geschichte und Gesellschaft. Bd. 15, 1989, H. 2, S. 282–302.
  • Gerhard A. Ritter: Hans Rosenberg (1904–88). Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. In: Volker Reinhardt (Hrsg.): Hauptwerke der Geschichtsschreibung (= Kröners Taschenausgabe. Band 435). Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-43501-2, S. 536–539.
  • Rosenberg, Hans Willibald. In: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 = International biographical dictionary of central European emigrés 1933–1945. Band 2: The arts, sciences, and literature. Teil 2: L–Z. Saur, München 1983, S. 983.
  • Gerhard A. Ritter: Rosenberg, Hans Willibald. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 62–64 (Digitalisat).
  • Morton Rothstein: „Drunk on Ideas“. Hans Rosenberg as a Teacher at Brooklyn College. In: Central European History. Bd. 24, 1991, Nr. 1, S. 64–68, doi:10.1017/S0008938900016587.
  • Hanna Schissler: Explaining History: Hans Rosenberg. In: Hartmut Lehmann, James J. Sheehan (Hrsg.): An Interrupted Past. German-Speaking Refugee Historians in the United States After 1933. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1991, ISBN 0-521-40326-X, S. 180–187.
  • Arnold Sywottek: Sozialgeschichte im Gefolge Hans Rosenbergs. In: Archiv für Sozialgeschichte. Bd. 16, 1976, S. 603–621, online.
  • Shulamit Volkov: Hans Rosenberg as a Teacher. A Few Personal Notes. In: Central European History. Bd. 24, 1991, Nr. 1, S. 58–63, doi:10.1017/S0008938900016575.
  • Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Sozialgeschichte heute. Festschrift für Hans Rosenberg zum 70. Geburtstag (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. Bd. 11). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1974, ISBN 3-525-35962-4.
  • Heinrich August Winkler: Ein Erneuerer der Geschichtswissenschaft. Hans Rosenberg 1904–1988. In: Historische Zeitschrift. Bd. 248, 1989, H. 3, S. 529–555.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dazu: Ewald Grothe: Hans Rosenberg und die Geschichte des deutschen Liberalismus. Seine unveröffentlichte Antrittsvorlesung vom Januar 1933. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Bd. 62, 2014, S. 109–138.
  2. Hans Rosenberg: Die Pseudodemokratisierung der Rittergutsbesitzerklasse. In: Hans Rosenberg: Machteliten und Wirtschaftskonjunkturen. Studien zur neueren deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Göttingen 1978, S. 83–101 (zuerst in: Wilhelm Berges, Carl Hinrichs (Hrsg.): Festgabe für Hans Herzfeld. Berlin 1958, S. 459–486). Dazu vgl. Patrick Wagner: Bauern, Junker und Beamte. Lokale Herrschaft und Partizipation im Ostelbien des 19. Jahrhunderts. Göttingen 2005, S. 12.
  3. Verleihung des Hans-Rosenberg-Gedächtnis-Preises am 22. März 2010. Preis geht an Historiker Dr. Sebastian Ullrich.
  4. Friedrich-Ebert-Stiftung: Verleihung des Hans-Rosenberg-Gedächtnispreises, 29. Januar 2016.
  5. Friedrich-Ebert-Stiftung: Hans-Rosenberg-Gedächtnispreis für Moritz Fischer. Abgerufen am 31. Oktober 2023.
  6. Website der Central European History Society.