Hans von Wangenheim

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Baron Hans von Wangenheim

Freiherr Ernst Friedrich Ulrich Hans von Wangenheim (* 4. Juli 1859 in Georgenthal bei Gotha; † 25. Oktober 1915 in Konstantinopel[1]) war ein deutscher Diplomat aus dem Adelsgeschlecht von Wangenheim. Während des Ersten Weltkrieges war er deutscher Botschafter in Konstantinopel und berichtete über den Völkermord an den Armeniern.

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine Eltern waren der sachsen-coburg-gothaische Forstmeister Alexander von Wangenheim (* 23. September 1829; † 29. Mai 1908) und dessen Ehefrau Sophie Frederike Helene von Zech (* 19. Dezember 1838; † 1. August 1898).

Karriere im diplomatischen Dienst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans von Wangenheim war von 1901 bis 1904 deutscher Gesandter in Buenos Aires, anschließend in gleicher Funktion in Mexiko-Stadt tätig. 1908/09 war er Ministerresident in Tanger. 1909 wurde er Gesandter in Athen, von 1912 bis zu seinem Tod 1915 schließlich deutscher Botschafter in Konstantinopel. Ihm folgte Paul Graf Wolff Metternich zur Gracht in dieser Position nach.[2]

Völkermord an den Armeniern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als auch den deutschen Diplomaten etwa ab Mai 1915 immer mehr Details über den Völkermord an den Armeniern bekannt wurden, zögerte Wangenheim zunächst, die Deportationen und Massaker an der armenischen Minderheit des Osmanischen Reiches zu thematisieren. Am 7. Juli 1915 meldete er nach Berlin, dass die Armenier auch aus Provinzen deportiert wurden, denen keinerlei Invasion drohte:

„Diese Maßregel und die Art, wie die Umsiedlung durchgeführt wird, zeigen, dass die Regierung tatsächlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reich zu vernichten.“[3]

Bis zu seinem Tode intervenierte er sowohl bei der osmanischen Regierung als auch bei seinen Vorgesetzten in Berlin.[4]

1915 berichtete er seinem amerikanischen Kollegen Henry Morgenthau senior von großangelegten Plänen, die Armenier in die USA und nach Russisch-Polen umzusiedeln und dafür die bislang dort lebenden Juden in Kleinasien anzusiedeln. Dafür müssten sie aber auf zionistische Bestrebungen verzichten. Man wolle in Deutschland keine Juden in der Nähe der Front. Diese Ideen entsprachen der antisemitischen Kriegsziel-Denkschrift des Alldeutschen Heinrich Claß von 1914.[5] Im April 1915 setzte sich Wangenheim dafür ein, dass Talaat Pascha und Enver Pascha die Ankündigung zurücknahmen, alle Zionisten in Palästina würden bekämpft werden. Später im Jahr konnte er gemeinsam mit Botschafter Morgenthau die von Cemal Pascha geplante Deportation von Juden verhindern, die seit der ersten Alija nach Palästina eingewandert waren, ohne die osmanische Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Anders als den Armeniern werde er den Zionisten helfen, erklärte er Morgenthau.[6]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Wangenheim heiratete am 29. April 1886 in Dresden Lucie Ahrendfeldt [auch: Lucy Thérèse Ahrenfeldt] (* 26. April 1861 in Paris), Tochter des amerikanischen Kaufmanns Charles Ahrenfeldt.[7][8] Das Paar ließ sich 1897 scheiden.[9] Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter:

  • Hans-Heinz (* 30. Juni 1889; † 7. August 1981), Jurist ⚭ 7. November 1916 Elisabeth Klara Marie von Richter (* 5. August 1893), Tochter von Ernst von Richter
  • Lucie Olga Maria Sophie (* 2. März 1892) ⚭ 1917 in Davos Rino Glacht

Nach seiner Scheidung heiratete er am 21. Juni 1902 Johanna („Hanna“) Freiin von Spitzemberg (1877–1960), Tochter der Baronin Spitzemberg. Das Paar hatte zwei Kinder:

  • Hildegard Margarete (* 25. April 1903)
  • Gerda Marianne (* 3. Januar 1908)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Johannes Hürter (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 5: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger (Bearb.): T–Z, Nachträge. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-71844-0, S. 180 f.
  • Hans-Lukas Kieser: Botschafter Wangenheim und das jungtürkische Komitee. Halbherzige Friedenspolitik, jähe Kriegshoffnung und moralischer Defätismus (1913–1915). In: Rolf Hosfeld, Christin Pschichholz (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Völkermord an den Armeniern. Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-1897-7, S. 131–147.
  • Auf glattem Parkett. Die Briefe des kaiserlichen Botschafters Hans von Wangenheim aus Mexico, Tanger, Athen und Konstantinopel 1904–1915. Herausgegeben und kommentiert von Steffen Arndt (= Veröffentlichungen des Staatsarchivs Gotha, Band 16, und Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Schwarzburg, Gleichen und Hohenlohe in Thüringen, Band 15), Gotha 2020.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hans von Wangenheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gerhard Wiegand (Hrsg.): Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918. München 1970, S. 289.
  2. Tobias C. Bringmann: Handbuch der Diplomatie 1815–1963, auswärtige Missionschefs in Deutschland und deutsche Missionschefs im Ausland von Metternich bis Adenauer. Saur, München 2001, ISBN 978-3-598-11431-1, S. 112.
  3. Guenter Lewy: Der armenische Fall. Die Politisierung der Geschichte. Was geschah, wie es geschah und warum es geschah. Edition Diwan. Klagenfurt/Celovec 2009, S. 279.
  4. Stangeland, Sigurd Sverre: Die Rolle Deutschlands im Völkermord an den Armeniern 1915–1916. NTNU, Trondheim 2013, ISBN 978-82-471-4427-5, S. 92–123.
  5. Michael Schwartz: Ethnische „Säuberungen“ in der Moderne. Globale Wechselwirkungen nationalistischer und rassistischer Gewaltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert. Oldenbourg, München 2013, ISBN 978-3-486-70425-9, S. 61 f.
  6. Michael Schwartz: Ethnische „Säuberungen“ in der Moderne. Globale Wechselwirkungen nationalistischer und rassistischer Gewaltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert. Oldenbourg, München 2013, ISBN 978-3-486-70425-9, S. 120 f.
  7. Wangenheims Lebenslauf (eigenhändig 14. Juli 1887): Auf glattem Parkett. Hrsg.: Steffen Arndt. Gotha 2020, S. 189.
  8. Charles AHRENFELDT (1807-94). In: ArtiFact :: Encyclopedia of Everything Art, Antiques & Collectibles. 6. März 2013, abgerufen am 24. Februar 2021.
  9. Anschließend heiratete sie am 2. Dezember 1897 in Plaue den Grafen Waldemar von Uexkull-Gyllenband
VorgängerAmtNachfolger
Ernst Heinrich von TreskowBotschafter des Deutschen Reichs in Buenos Aires
1900–1903
Julius von Waldthausen
Edmund Friedrich Gustav von HeykingBotschafter des Deutschen Reichs in Mexiko
1904–1908
Carl Gottlieb Bünz
Friedrich RosenMinisterresident des Deutschen Reichs in Tanger
1908–1909
Friedrich Rosen
Otto LüdersBotschafter des Deutschen Reichs in Athen
1909–1912
Werner von Grundherr zu Altenthann und Weiherhaus
Adolf Marschall von BiebersteinBotschafter des Deutschen Reichs in Konstantinopel
1912–1915
Paul Metternich