Haplogruppe

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Als Haplogruppe wird eine Gruppe von Haplotypen bezeichnet, die spezifische Positionen auf einem Chromosom innehaben.

In der menschlichen Genetik werden beispielsweise die

untersucht. Y-DNA wird ausschließlich entlang der väterlichen Linie geführt, und mtDNA wird hauptsächlich entlang der mütterlichen Linie geführt.

Die Haplogruppen werden zur Unterscheidung mit Buchstaben (oder Buchstaben-Zahlen-Kombinationen) bezeichnet, wobei bei Y-Gruppen und mt-Gruppen gleichlautende Bezeichnungen vorkommen können – bei der Suche nach bestimmten Gruppen ist deshalb die richtige Zuordnung zu beachten.[1]

Die verschiedenen Haplogruppen sind in der Welt sehr unterschiedlich verteilt. So findet man einige Gruppen beispielsweise nur unter Europäern, andere nur oder vorwiegend in Afrika.

Angenommene Wanderung der mitochondrialen Haplogruppen (mütterliche Linie). In Mittel-Europa verbreitet u. a. die mt-Haplogruppe „U“ und die heute dominierende mt-Haplogruppe „H“.
Angenommene Wanderung der Haplogruppen des Y-Chromosoms (väterliche Linie). Bedeutende Anteile für Europa: die Haplogruppe „I“ (mit heute bis zu 30 %) sowie die häufigste Gruppe „R“ (mit „R1a“ und „R1b“) mit Anteilen von 50 % und mehr.

Vom Haplotyp zur Haplogruppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haplotyp (von griechisch haplús oder haplóos „einfach“ und typos „Abbild, Muster“) nennt man Varianten einer Nukleotidsequenz auf ein und demselben Chromosom im Genom eines Lebewesens. Ein bestimmter Haplotyp kann typisch für Individuen, Populationen oder auch Arten sein.

Beim Vergleich der Allele von Haplotypen werden individuelle Kombinationen von SNPs festgestellt, die als genetische Marker benutzt werden können. Besitzt ein Teil der Individuen aufgrund gemeinsamer Abstammung an einem bestimmten Genlocus denselben Haplotyp, werden sie zu einer Haplogruppe zusammengefasst.[2]

Genetik und SNP-Marker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marker sind in der Molekularbiologie z. B. eindeutig identifizierbare, kurze DNA-Abschnitte, deren Ort im Genom bekannt ist, z. B. SNP (Single Nucleotide Polymorphisms).

Während die Humangenetik als interdisziplinäre Wissenschaft die medizinische Diagnostik mit molekularbiologischer Forschung und Methodik verknüpft, ist es ein spezielles Feld der Paläogenetik, anhand von Haplogruppen (und den daraus abgeleiteten SNP-Markern) nachzuweisen,

  • wie sich das Alter und die verwandtschaftlichen Verhältnisse von Arten und Unterarten darstellen, aus deren Fossilien alte DNA gewonnen werden konnte,
  • über welche jahrtausendealte Wanderwege Arten/Unterarten (und ihre Haplogruppen) aus ihren Entstehungsräumen in ihre heutigen Verbreitungsgebiete zugewandert sind,
  • zu welchen Anteilen Haplogruppen heute in bestimmten Gebieten der Welt vorkommen.[3]

Dabei lässt sich ein Spektrum bestimmter Haplogruppen in seiner Häufigkeit einer bestimmten Region oder einem bestimmten Herkunftsgebiet vorrangig zuordnen. In Räumen mit vielen aneinandergrenzenden oder miteinander lebenden Ethnien und deren Vorfahren (wie in Eurasien) kann man aber nur begrenzt von einer typischen, einem bestimmten „Volk“ eigenen Haplogruppe sprechen, da in den meisten Völkern mehrere Haplogruppen zu unterschiedlichen Anteilen vorkommen.[4]

Mitochondriale Haplogruppenverteilung Europas in der Neuzeit. Besonders dominant die Haplogruppen H und U.
Y-Chromosom-Haplogruppenverteilung Europas in der Neuzeit. Besonders dominant die Haplogruppe R (östlich mit R1a und westlich mit R1b) sowie die Gruppe I.

Haplogruppen in Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verteilung von Haplogruppen heute und in der Vergangenheit ist das Ergebnis von Vermischung:[5]

  • Die (Vor-)Geschichte hat die Volksgruppen Europas ständig neu durchmischt, so dass alle Europäer viele gemeinsame genetische Vorfahren haben, die teils noch in jüngerer Vergangenheit gelebt haben: In Europa lebt gewissermaßen eine Großfamilie mit nahen Vettern auf allen Erdteilen.
  • Nur wenige Genvarianten sind „europäisch“. Diese bestimmen über Äußerlichkeiten wie Haar- und Hautfarbe oder über die Verträglichkeit mancher Nahrungsmittel, etwa Milch bzw. Laktose.
  • Genanalytische Techniken, die möglichst viele unterschiedliche Erbgutgemeinsamkeiten berücksichtigen, können noch heute uralte Substrukturen in der europäischen Population ausmachen. Sie liefern Hinweise auf die jahrtausendealte Siedlungs- und Vermischungshistorie.[6]

So definieren in Europa zwei bestimmte, vor etwa 25.000 bis 30.000 Jahren erstmals aufgetretene und seitdem über die mütterliche Linie weitervererbte Mutationen im Mitochondrien-Erbgut die heute bei Europäern häufigste „mt-Haplogruppe H“. Häufig ist in Europa auch die wohl viel ältere „mt-Haplogruppe U“.[7]

Eine andere europäische, in der väterlichen Linie durch Mutationen im Y-Chromosom charakterisierte Haplogruppe nennt sich: I; sie ist heute bei einem Fünftel aller Europäer zu finden, war in der Altsteinzeit aber vermutlich weiter verbreitet. Die heute in Europa häufigste Y-chromosomale Haplogruppe R teilt sich anhand weiterer SNP-Marker in zwei unterschiedlich alte Untergruppen: „R1a und R1b“, anhand derer die Besiedlungsgeschichte Europas nach der Altsteinzeit nachvollzogen werden kann.[8]

Bei der Rückverfolgung innerhalb einer Haplogruppe wird man irgendwann in ferner Vergangenheit auf die hypothetische mitochondriale Eva und den hypothetischen Adam des Y-Chromosoms stoßen. 2013 wurde in Science eine Studie publiziert, der zufolge die „mitochondriale Eva“ vor 99.000 bis 148.000 Jahren lebte und der sogenannte „Adam des Y-Chromosoms“ vor 120.000 bis 156.000 Jahren.[9]

Evolutionsbäume[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Evolutionsbaum Haplogruppen Mitochondriale DNA (mtDNA)
mtDNA-Eva
L0 L1 L2 L3   L4 L5 L6
  M N  
CZ D E G Q   A S   R   I W X Y
C Z B F R0   prä-JT P  U
HV JT K
H V J T

 

Evolutionsbaum Haplogruppen Y-chromosomale DNA (Y-DNA)
Adam des Y-Chromosoms
A00 A0’1'2’3'4
A0 A1’2'3’4
A1 A2’3'4
A2’3 A4=BCDEF
A2 A3 B CT 
|
DE CF
D E C F
|
G IJK H  
| |
G1 G2  IJ K 
| |
I J L K(xLT) T
| | |
I1 I2 J1 J2 M NO P S
| |
| |
N O Q R
|
R1 R2
|
R1a R1b

Gruppen (Auswahl / mtDNA und Y-DNA)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haplo-
gruppe
mtDNA Y-DNA
A Haplogruppe A (mtDNA) Haplogruppe A (Y-DNA)
B Haplogruppe B (mtDNA) Haplogruppe B (Y-DNA)
C Haplogruppe C (mtDNA) Haplogruppe C (Y-DNA)
D Haplogruppe D (mtDNA) Haplogruppe D (Y-DNA)
E Haplogruppe E (mtDNA) Haplogruppe E (Y-DNA)
F Haplogruppe F (mtDNA) Haplogruppe F (Y-DNA)
G Haplogruppe G (mtDNA) Haplogruppe G (Y-DNA)
H Haplogruppe H (mtDNA) Haplogruppe H (Y-DNA)
I Haplogruppe I (mtDNA) Haplogruppe I (Y-DNA)
J Haplogruppe J (mtDNA) Haplogruppe J (Y-DNA)
K Haplogruppe K (mtDNA) Haplogruppe K (Y-DNA)
L Haplogruppe L1 (mtDNA)
Haplogruppe L3 (mtDNA)
Haplogruppe L (Y-DNA)
 
M Haplogruppe M (mtDNA) Haplogruppe M (Y-DNA)
N Haplogruppe N (mtDNA) Haplogruppe N (Y-DNA)
O Haplogruppe O (mtDNA) Haplogruppe O (Y-DNA)
P Haplogruppe P (mtDNA) Haplogruppe P (Y-DNA)
Q Haplogruppe Q (mtDNA) Haplogruppe Q (Y-DNA)
R Haplogruppe R (mtDNA) Haplogruppe R (Y-DNA)
S Haplogruppe S (mtDNA) Haplogruppe S (Y-DNA)
T Haplogruppe T (mtDNA) Haplogruppe T (Y-DNA)
U Haplogruppe U (mtDNA)
V Haplogruppe V (mtDNA)
W Haplogruppe W (mtDNA)
X Haplogruppe X (mtDNA)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. University of Illinois: World Haplogroups by J. D. McDonald. PDF (Memento des Originals vom 11. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.scs.illinois.edu
  2. The International HapMap Consortium: The International HapMap Project. In: Nature. Band 426, 2003, S. 789–796 PDF (Memento des Originals vom 23. März 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hapmap.org
  3. Nationales Genomforschungsnetz (Memento des Originals vom 20. Dezember 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ngfn.de, Dump vom 28. August 2012: Wenn die Welt an einem Strang zieht: Das Humangenomprojekt (HGP).
  4. Spektrum der Wissenschaft Kompakt: Die Ursprünge des Menschen. Ausgabe Mai 2013 (mit ausgewählten Beiträgen des Magazines natur), Seite 44
  5. Jan Osterkamp in: Spektrum der Wissenschaft Kompakt: "Neolithische Revolution – DNA-Analysen aus verschiedenen Jahrtausenden" Ausgabe April 2014, Seite 48
  6. Spektrum der Wissenschaft Kompakt: „Die Ursprünge des Menschen“, Ausgabe Mai 2013 (mit ausgewählten Beiträgen des Magazins natur), S. 37.
  7. Spektrum der Wissenschaft Kompakt: „Die Ursprünge des Menschen – Sortierung nach SNP-Unterschieden“, Ausgabe Mai 2013 (mit ausgewählten Beiträgen des Magazins natur), S. 45.
  8. Spektrum der Wissenschaft Kompakt: „Die Ursprünge des Menschen – Sortierung nach SNP-Unterschieden“, Ausgabe Mai 2013 (mit ausgewählten Beiträgen des Magazins natur), S. 45.
    Jan Osterkamp in: Spektrum der Wissenschaft Kompakt: „Neolithische Revolution – DNA-Analysen aus verschiedenen Jahrtausenden“, Ausgabe April 2014, S. 48.
  9. G. David Poznik u. a.: Sequencing Y Chromosomes Resolves Discrepancy in Time to Common Ancestor of Males Versus Females. In: Science. Band 341, Nr. 6145, 2013, S. 562–565, doi:10.1126/science.1237619
    C.F. Aquadro, B.D. Greenberg: Human mitochondrial DNA variation and evolution, analysis of nucleotide sequences from seven individuals. (PDF; 1,7 MB) In: Genetics. Jg. 103, Bethesda 1983, S. 287–312. PMID 6299878 ISSN 0016-6731

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Haplogruppen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien