Heizkraftwerk Reuter West

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Heizkraftwerk Reuter West
Lage
Heizkraftwerk Reuter West (Berlin)
Heizkraftwerk Reuter West (Berlin)
Koordinaten 52° 32′ 7″ N, 13° 14′ 34″ OKoordinaten: 52° 32′ 7″ N, 13° 14′ 34″ O
Land Deutschland
Daten
Typ Heizkraftwerk
Primärenergie Fossile Energie
Brennstoff Steinkohle
Leistung elektrische Leistung: 564 MW,
thermische Leistung: 758 MW
Betreiber Vattenfall Wärme Berlin AG
Betriebsaufnahme 1987
Schornsteinhöhe 122 m
Eingespeiste Energie pro Jahr 2570 GWh (Durchschnittswert) GWh
Website powerplants.vattenfall.com/de/reuter-west
f2

Das Heizkraftwerk Reuter West ist ein mit Steinkohle betriebenes Heizkraftwerk (HKW) im Berliner Ortsteil Siemensstadt. Die beiden 300-MW-Blöcke gingen 1987 und 1989 als Grundlast-Kraftwerk in Betrieb, direkt neben dem 2019 stillgelegten HKW Reuter.

Das HKW Reuter West ist das leistungsstärkste Kraftwerk in Berlin. Es kann fast eine halbe Million Haushalte mit Fernwärme und eine Million Haushalte mit Strom versorgen. Betrieben wird es von Vattenfall Wärme Berlin, einer Tochtergesellschaft des deutschen Teilkonzerns des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall.

Eckdaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Planung und Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Planungen für ein neues Kraftwerk in West-Berlin sahen dieses im Bereich des vorhandenen Kraftwerks Oberhavel vor. Ende 1976 änderte der Senat die Planungen und sah das Kraftwerk nun am Oberjägerweg in Hakenfelde, unmittelbar an der Grenze zur DDR, vor. 1977 wurde auch diese Planung wieder aufgegeben und 1978 der Standort neben dem Heizkraftwerk Reuter festgelegt. Der Nachteil dieses Standortes war die Begrenzung der Bauhöhe aufgrund der Nähe zum mittlerweile aufgegebenen Flughafen Tegel. Im äußersten Fall wäre eine Bauhöhe von 122 m über dem Gelände möglich.[1] Die ursprüngliche Planung für den Bau des Kraftwerkes sah eine Bauhöhe für Kesselhäuser und Kühlturm von mehr als 100 m vor. Der Kühlturm erhielt nun eine Höhe von 100 m und der Schornstein die Maximalhöhe von 122 m. Ein Gutachten von 1979 ergab jedoch, dass durch die gekürzte Schornsteinhöhe (im Vergleich zur Ursprungsplanung) Störungen in der Rauchgasabführung auftreten können. Erst mit umfangreichen Modellversuchen im Windkanal für verschiedene Anordnungen der Baukörper wurde eine befriedigende Lösung gefunden.[2]

Die Baupläne für die Kesselhäuser wurden angepasst, wobei die Grundflächen unverändert blieb. Die Kessel wurden in ihrer Höhe auf 74 m reduziert, was durch einen größeren Querschnitt ausgeglichen wurde. Das hatte zur Folge, dass die Langrohrbläser auf mittlerer Höhe länger wurden. An diesen Stellen erreichten sie fast die Kesselhausinnenwände und ein Passieren der Bläser wäre nicht mehr möglich gewesen. Deswegen wurde in diesen Bereichen ein Anbau von etwa 1,50 m Breite vorgenommen.

Bei dem Kühlturm handelt es sich um einen Naturzugkühlturm, der ebenfalls gegenüber der ursprünglichen Planung in der Höhe reduziert ausgeführt werden musste. Das hatte zur Folge, dass nicht der gewünschte Wirkungsgrad erzielt wurde.

Dem Kesselhaus ist ein Katalysator (DeNOx) zur Reduzierung der Stickoxide nachgeschaltet. Dieser wird von zwei Betonstützen getragen, in denen sich je ein Aufzug und ein Treppenhaus befinden.

Ein Elektrofilter wurde dem Katalysator nachgeschaltet. Dieser filtert Flugasche (vom Gesetzgeber auch als Staub bezeichnet) aus den Rauchgasen.

Anschließend befinden sich die Saugzuggebäude, die Rauchgasentschwefelungsanlage und der 122 m hohe Schornstein.

Der Netzanschluss erfolgt auf der 380-kV-Höchstspannungsebene in das Netz von 50Hertz Transmission.[3] Der erste Mast der von der Schaltanlage ausgehenden 380-kV-Freileitung ist aus ästhetischen Gründen als schornsteinähnlicher 66 m hoher Betonmast (mit Stahlfachwerktraversen) ausgeführt worden.[4]

Emissionen 2012[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kohlekraftwerke stehen aufgrund ihres Schadstoffausstoßes in der Kritik. Auch nach dem Einbau von Filteranlagen in den 1980er Jahren, die den Großteil des Schwefels aus den Abgasen entfernen, stoßen Kohlekraftwerke weiterhin relevante Mengen Schwefeldioxid aus. Neben Schwefeldioxid gelangen umwelt- und gesundheitsschädliche Stickstoffoxide sowie gesundheitsschädliche Feinstäube, darin enthaltene Schwermetalle und PAK in die Umwelt. In Deutschland trug die Energiewirtschaft 2010 mit 71 % (6,571 Tonnen) zur Gesamt-Quecksilberemission bei.[5]

Die Schadstoffemissionen aller großen Kohlekraftwerke und Industrieanlagen sind im Europäischen Schadstoffemissionsregister[6] veröffentlicht.

Emissionen unterhalb der berichtspflichtigen Mengenschwelle sind in der Tabelle mit „<“ neben dem Grenzwert aufgeführt.

Luftschadstoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kohlendioxid und Luftschadstoffe (Berichtsjahr 2012)[7]
Produzierte Strommenge Kohlendioxid (CO2) Stickoxide (NOx/NO2) Schwefeloxide (SOx/SO2) Kohlen-monoxid (CO) NMVOC (Flüchtige organische Verbindungen) Feinstaub (PM10) Anorganische Fluor-verbindungen als HF Distickoxid (N2O) Benzol (C6H6) Blei (Pb) Chrom (Cr) Nickel (Ni) Queck-silber (Hg) Arsen (As) Cadmium (Cd)
2.570 GWh 2.560.000 t 1.790 t 752 t < 500 t < 100 t < 50 t 19,3 t 13,4 t < 1 t < 0,2 t < 0,1 t 71,5 kg 24,4 kg 29,2 kg < 10 kg

Wasserschadstoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wasserschadstoffe (Berichtsjahr 2012)[7]
Produzierte Strommenge Chloride
– Abwasser –
Fluoride (als Gesamt-F)
– Abwasser –
Zink(Zn)
– Abwasser –
Kupfer(Cu)
– Abwasser –
2.570 GWh < 2.000.000 kg < 2.000 kg < 50 kg < 50 kg

Feste Schadstoffe (Verbringung gefährlicher Abfälle)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Feste Schadstoffe (Verbringung gefährlicher Abfälle, Berichtsjahr 2012)[7]
Produzierte Strommenge Gesamtabfallmenge Abfall zur Beseitigung Abfall zur Verwertung
2570 GWh 3850 t 3220 t 628 t

Ausbau nach 2012[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Power-to-Heat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Europas größte Power-to-Heat-Anlage mit einer thermischen Leistung von 120 MW (drei Kessel zu je 40 MW) ging im September 2019 in Betrieb.[8] Dadurch kann zu Zeiten hoher Stromproduktion und geringer Nachfrage der überschüssige Strom für das Fernwärmenetz genutzt werden. Der Neubau ersetzte den 1969 erbauten Block C, den letzten im Heizkraftwerk Reuter, dessen Stromproduktion damit endete.

Wärmespeicher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Fernwärmespeicher an diesem Standort war bereits 2013 im Genehmigungsverfahren, sollte ab 2014 gebaut werden und 2016 in Betrieb gehen.[9] Dazu kam es jedoch zunächst nicht, erst im Oktober 2020 traf Vattenfall endgültig die Entscheidung für die Investition.[10] Die Anlage, die 10 % des gesamten Energiebedarfs Berlins durch regenerative Energien decken können soll, ist zurzeit (2021) in Bau, die Inbetriebnahme ist für Ende 2022 vorgesehen.[11]

Mit einem Fassungsvermögen von 52.000 m³ Wasser und einer Speicherfähigkeit von 2750 MWh thermisch wird der Speicher ermöglichen, Produktion und Lieferung von Wärme zu entkoppeln. Damit soll das in Kraft-Wärme-Kopplung betriebene Heizkraftwerk bei hohem Strompreis unabhängig von der Wärmenachfrage betrieben werden können. Andererseits kann es auch abgeschaltet werden, wenn aufgrund geringen Strombedarfes oder hoher Einspeisung regenerativer Erzeuger zwar noch Wärme, aber kein Strom benötigt wird.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bewag: Musteranlagen der Energiewirtschaft: Heizkraftwerk Reuter West. Energiewirtschaft und Technik Verlagsgesellschaft, Berlin 1989.
  • Hilmar Bärthel: Anlagen und Bauten der Elektrizitätserzeugung. In: Berlin und seine Bauten, Teil X, Band A (2) Stadttechnik. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2006, ISBN 3-86568-012-7.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Heizkraftwerk Reuter West – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bewag 1989, S. 15
  2. Bewag 1989, S. 20
  3. Kraftwerksliste Bundesnetzagentur (bundesweit; alle Netz- und Umspannebenen) Stand: 2. Juli 2012. (Microsoft-Excel; 1,6 MB) Archiviert vom Original am 22. Juli 2012; abgerufen am 21. Juli 2012.
  4. Mast 1 der Hochspannungsleitung vom Kraftwerk Reuter zum Kraftwerk Reuter-West. In: Structurae, abgerufen am 1. März 2024.
  5. Emissionsentwicklung 1990–2010, Schwermetalle. Nationale Trendtabellen für die deutsche Berichterstattung atmosphärischer Emissionen seit 1990, Umweltbundesamt (Excel-Tabelle), 2012
  6. via deutschem Portal thru.de
  7. a b c Daten zum Kraftwerk Reuter West, Berichtsjahr 2012
  8. Europas größter Wasserkocher ist am Netz. Abgerufen am 12. November 2021.
  9. Infoblatt "Das Speichervorhaben Reuter-West", Vattenfall 2013
  10. Vattenfall AB (Hrsg.): Year End Report 2020. Stockholm, S. 11.
  11. Europas größter Wärmespeicher in Berlin und Borsig ist dabei, Borsig Service GmbH, Mai 2021