Hermann Langbein

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Hermann Langbein (* 18. Mai 1912 in Wien, Österreich-Ungarn; † 24. Oktober 1995 in Wien) war ein österreichischer kommunistischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Historiker. Der ehemalige KZ-Häftling war 1954 Mitbegründer des Internationalen Auschwitz Komitees.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hermann Langbein war nach der Matura am Deutschen Volkstheater als Schauspieler beschäftigt. Er schloss sich 1933 der KPÖ an, flüchtete nach dem Anschluss aus dem sogenannten „Großdeutschen Reich“ und kämpfte danach im Spanischen Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden gegen die Errichtung einer Diktatur unter Franco. Er geriet nach der Niederlage der Republikaner und der Anfang 1939 erfolgten Flucht nach Frankreich in französische Internierungshaft.

Nach der Besetzung Frankreichs wurde Langbein 1941 nach Deutschland ausgeliefert und gelangte sogleich in das KZ Dachau, wo er die meiste Zeit als Häftlingsschreiber im Krankenrevier eingesetzt war. Von dort wurde er am 19. August 1942[1] in das KZ Auschwitz I (Stammlager) überstellt und erhielt die Häftlingsnummer 60.355. Er wurde Funktionshäftling und fungierte als Häftlingsschreiber beim von ihm später unterstützten[2] SS-Standortarzt Eduard Wirths. In den Lagern gehörte Langbein der Leitung der internationalen Widerstandsbewegung an, so auch bei der Kampfgruppe Auschwitz. Im August 1944 wurde Langbein in das KZ Neuengamme überstellt und von dort weiter in das KZ-Außenlager Porta Westfalica, ein Neuengammer Außenlager in Lerbeck bei Minden, überführt. Auf dem Evakuierungstransport nach Fallersleben östlich von Hannover sprang er Mitte April 1945 aus dem Zug und flüchtete ab 5. Mai per Fahrrad nach Österreich, wo er im Mai 1945 in seiner Heimatstadt Wien eintraf. Bei dieser Fahrt über mehr als 800 km saß er „das erste Mal auf einem Fahrrad“, hatte Angst vor den ihn überholenden Kolonnen an Fahrzeugen und erlebte hinter Halle (Saale) das Kriegsende am 8. Mai.[3]

Hermann-Langbein-Baum in Yad Vashem

Zunächst wurde er hauptamtlich bei der KPÖ tätig und gehörte dem Zentralkomitee der Partei an. Langbein war am Aufbau von Parteischulen beteiligt und ließ seine 1947 niedergeschriebenen Lagererfahrungen unter dem Titel Die Stärkeren. Ein Bericht aus Auschwitz und anderen Konzentrationslagern 1949 im parteieigenen Verlag veröffentlichen. Anfang der 1950er Jahre scheiterte seine Wiederwahl in das Zentralkomitee. Nach Konflikten mit der Partei wurde Langbein nach Budapest versetzt, wo er beim ungarischen Rundfunk deutschsprachige Radiosendungen bearbeitete. Gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter kehrte er 1954 nach Österreich zurück.

Langbein war 1954 Mitbegründer des Internationalen Auschwitzkomitees (IAK) und wurde dessen erster Generalsekretär. Von 1955 bis Anfang der 1960er Jahre war er Sekretär der österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz. In diesen Funktionen trug er die KZ-Verbrechen an die Öffentlichkeit und stritt für Entschädigungszahlungen für ehemalige KZ-Häftlinge. Aus der KPÖ wurde er 1958 ausgeschlossen, als er im Zuge des Aufstandes in Ungarn 1956 begann, den Stalinismus zu hinterfragen und zu kritisieren. Infolgedessen wurde Langbein 1960 von seinem Posten als Generalsekretär des IAK entbunden und im darauffolgenden Jahr auch aus dessen Leitung ausgeschlossen. Ab 1963 war er Sekretär des „Comité International des Camps“.

Am 18. Oktober 1961 sendete der Westdeutsche Rundfunk das von Langbein und H. G. Adler konzipierte dreistündige Feature Auschwitz. Topographie eines Vernichtungslagers.[4]

Mitte der 1960er Jahre hatte er neben Fritz Bauer wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Frankfurter Auschwitz-Prozesse und trat dort auch als Zeuge auf. Danach war er als Schriftsteller und Publizist tätig. Langbein wurde 1967 von Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet.[5]

Von 1989 bis 1995 veranstaltete er zusammen mit Johannes Schwantner das Seminar „Ideologie und Wirklichkeit des Nationalsozialismus“ zur Lehrerfortbildung. Seit 1996 wird das Seminar in Memoriam Hermann Langbein als „Hermann-Langbein-Symposium“ bezeichnet, es findet alljährlich in Linz statt. Zudem gehörte Langbein dem Museumsrat des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau an und wirkte an der Neukonzeption der Ausstellung mit. Er wurde auf dem Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf (Gruppe 27, Nr. 13) beigesetzt.[6]

Der Autor und Schriftsteller Kurt Langbein ist sein Sohn, der Schauspieler Daniel Langbein sein Enkel.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Fritz-Bauer-Institut führt seit 2011 ein Forschungsprojekt: Hermann Langbein und die vergangenheitspolitischen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit durch.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Brigitte Halbmayr: Zeitlebens konsequent – Hermann Langbein – Eine politische Biographie. Verlag Braumüller, Wien 2012, ISBN 978-3-99100-065-5.
  • Johannes Schwantner, Thekla Schwantner, Andreas Schwantner (Hrsg.): Ideologie und Wirklichkeit des Nationalsozialismus. Hermann Langbein Symposium 2007. Experts4you, Wien u. a. 2008, ISBN 978-3-9502339-0-2. (Experts4you-Edition Politik und Gesellschaft)
  • Bruno Baum: Widerstand in Auschwitz. VVN, Berlin 1949, DNB 450267032.[10]
  • Anton Pelinka, Erika Weinzierl (Hrsg.): Hermann Langbein zum 80. Geburtstag. Festschrift. Braumüller, Wien 1993, ISBN 3-7003-1007-2.
  • Katharina Stengel (Hrsg.): Opfer als Akteure. Interventionen ehemaliger NS-Verfolgter in der Nachkriegszeit. Herausgegeben im Auftrag des Fritz Bauer Instituts. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2008, ISBN 978-3-593-38734-5. (Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 2008)
    • darin:
    • Thomas Irmer: Ihr langes Schweigen ist sicherlich tiefe Resignation. Norbert Wollheim, Edmund Bartl, Hermann Langbein und die Auseinandersetzung um Entschädigung für NS-Zwangsarbeit nach 1945. S. 87–105.
    • Katharina Stengel: Auschwitz zwischen Ost und West. Das Internationale Auschwitz-Komitee und die Entstehungsgeschichte des Sammelbandes Auschwitz. Zeugnisse und Berichte. S. 174–196.
  • Katharina Stengel: Aktivismus, Zeugenschaft und Geschichtsschreibung. Hermann Langbein zum 100. Geburtstag. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 60. Jahrgang, Heft 5 (2012), S. 397–416.
  • Katharina Stengel: Hermann Langbein. Ein Auschwitz-Überlebender in den erinnerungspolitischen Konflikten der Nachkriegszeit, Frankfurt am Main, New York 2012, ISBN 978-3-593-39788-7
  • Thomas Fatzinek: Die Stärkeren – Ein Bericht von Hermann Langbein. Graphic Novel. bahoe books, Wien 2017, ISBN 978-3-903022-49-2

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Belege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Brigitte Halbmayr: Zeitlebens konsequent: Hermann Langbein: Eine politische Biographie. Wien 2012, ISBN 978-3-99100-065-5, S. 70 f. (Halbmayr druckt die Überstellungsliste ab, auf der 17 „Revierpfleger“ verzeichnet sind, darunter Langbein).
  2. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 291.
  3. 41 Tage, Kriegsende 1945, Verdichtung der Gewalt. Ausstellung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte und der Universität Graz / Institut für Geschichte in Kooperation mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport in Graz ab 13. Oktober 2015, abgerufen am 13. Oktober 2015.
  4. H. G. Adler, Hermann Langbein: Auschwitz. Topographie eines Vernichtungslagers. 3 CDs. DAV, Berlin 2014.
  5. Hermann Langbein auf der Website von Yad Vashem (englisch)
  6. Grabstelle Hermann Langbein, Wien, Matzleinsdorf, Gruppe 27, Nr. 13.
  7. bei google.books und im Online-Buchhandel les- und durchsuchbar
  8. vgl. Willy Buschak: Über uns flog die Wolke der Hoffnung schnell. Bibliographie der deutschsprachigen Veröffentlichungen zum Spanischen Bürgerkrieg, Klartext, Essen 2007, ISBN 978-3-89861-636-2, S. 53.
  9. Johanna-Kirchner-Medaille. auf: frankfurt.de
  10. in dieser Ausgabe, S. 8 & 23 sowie in erw. Ausgabe 1957. In der 2. Aufl. der erweit. Ausgabe 1962 fehlt Langbeins Name, in dem längeren Abschnitt über ihn wurde sein Name von Baum durch das Wort „der Schreiber“, sc. des Lagerarztes Eduard Wirths, ersetzt. Langbein hatte sich nach dem ungarischen Aufstand 1956 von der KPÖ abgewandt.