Historische Soziologie

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Die Historische Soziologie bzw. die Historische Sozialforschung[1] ist ein Ansatz, bei dem versucht wird, sich der sozialen Wirklichkeit mit den empirischen Methoden der Geschichtsschreibung zu nähern, wobei das Hauptaugenmerk auf dem historischen Wandel liegt.[2] Der Ansatz ist bereits bei den Vorläufern der Soziologie auffindbar und wurde im Fach nie ganz aufgegeben.

Ansatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Historische Soziologie setzt sich teils strikt von der modell- oder systemorientierten Soziologie ab, der sie vorgehensbedingte Engstirnigkeit vorwirft; teils aber betrachtet sie sich als zu ihnen komplementär arbeitend. Der naturwissenschaftliche Ehrgeiz (etwa der Theorie der rationalen Entscheidung), eintreffende Prognosen über die Zukunft abzugeben, entspricht dem ihren, eintreffende Prognosen über die in der Vergangenheit wurzelnden Erklärungen von Gegenwart und Zukunft abzugeben (vergleichendes und epignostisches Vorgehen).

Zur Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die imponierende und zunächst sehr aufschlussreiche Heranziehung mathematischer und quantitativer Methoden drängte spätestens seit den 1940er-Jahren die historischen Ansätze der Soziologie zurück. Ab etwa 1960 wurde sie von der akademischen Soziologie nicht mehr betrieben. Erst die Grenzen der empirisch-quantitativ abstützbaren Voraussagbarkeit (auch angesichts der schwer zu bewältigenden Probleme der „Selbsterfüllenden“ und „-zerstörenden“ Prophezeiung) bei gleichzeitig hohem und komplexem sozialen Problemdruck rehabilitierten eine „Historische Soziologie“. Aktuelle Ansätze schließen hierzu an die Tradition der Sozialevolutionsforschung an, gehen jedoch interdisziplinär vor und implementieren insbesondere Befunde und Konzepte der neueren Kulturevolutionsforschung.[3]

Zeitschrift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die international einschlägige Zeitschrift der Historischen Soziologie ist das Journal of Historical Sociology.[4] Im deutschsprachigen Raum ist die Historical Social Research ein wichtiges Publikationsorgan mit internationalem Anspruch.

Beispielhafte Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zum Verhältnis von Soziologie und Geschichtswissenschaft vgl. Heinrich Best: Historische Sozialforschung als Erweiterung der Soziologie: Die Konvergenz sozialwissenschaftlicher und historischer Erkenntniskonzepte. In: Historical Social Research, Supplement, No. 20: Führungsgruppen und Massenbewegungen im historischen Vergleich. Der Beitrag der Historischen Sozialforschung zu einer diachronen Sozialwissenschaft. (2008), S. 74–89. Es handelt sich hierbei um „eine geringfügig überarbeitete und mit Anmerkungen versehene Fassung der Antrittsvorlesung des Verfassers vom 25. November 1987 an der Universität zu Köln“ (Ebd., S. 74), wie der Verfasser vermerkt. Der Aufsatz erschien zuerst 1988, ders.: Historische Sozialforschung als Erweiterung der Soziologie. Die Konvergenz historischer und sozialwissenschaftlicher Erkenntniskonzepte. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 40 (1988), Heft 1, S. 1–15.
  2. Vgl. Volker Kruse: Historisch-soziologische Zeitdiagnose in Westdeutschland nach 1945. Eduard Heimann, Alfred von Martin, Hans Freyer, Frankfurt am Main 1994, S. 189.
  3. Davor Löffler: Generative Realitäten I. Die Technologische Zivilisation als neue Achsenzeit und Zivilisationsstufe. Eine Anthropologie des 21. Jahrhunderts, Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2019; Arno Bammé: Die vierte Singularität. Perspektiven einer soziologischen Zeitendiagnostik, Metropolis-Verlag, Marburg 2020; Hanno Pahl: Geld, Kognition, Vergesellschaftung. Soziologische Geldtheorie in kultur-evolutionärer Absicht, Springer, Wiesbaden 2021.
  4. Website zum JHS. Abgerufen am 14. April 2015.