Iserlohner Aufstand von 1849

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Aufruf des Iserlohner Sicherheitsausschusses 1849
Steckbrief zur Ergreifung der „Rädelsführer“ des Aufstandes
Denkmal für die Opfer des Aufstandes auf dem Iserlohner Hauptfriedhof

Der Iserlohner Aufstand im Mai 1849 in Westfalen war einer der bedeutendsten sogenannten Maiaufstände infolge der Reichsverfassungskampagne in der Endphase der Deutschen Revolution 1848/1849. Nachdem der preußische König die Kaiserkrone abgelehnt hatte, ging er zur eigentlichen Niederschlagung der Revolution über.

Landwehrmänner in der Region befürchteten, gegen Aufständische eingesetzt zu werden. Ihr Aufstand vom 10. Mai dauerte bis zum 17. Mai, als Regierungstruppen die Stadt Iserlohn wieder einnahmen. Dabei starben mindestens 34 Aufständische, Zivilisten und Soldaten.[1]

Entstehung und Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politische Situation und Gründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verlegung und schließlich Aufhebung der preußischen Nationalversammlung rief gerade in Westfalen eine neue Welle politischer Bewegungen hervor. Bemerkenswert dabei ist, dass zeitweise Liberale und Demokraten zusammenarbeiteten. So kam es im November 1848 zu einem Kongress in Münster, an dem sich Vertreter demokratischer, konstitutioneller und anderer politischer Vereine beteiligten. Nach der Verkündigung der oktroyierten preußischen Verfassung Anfang Dezember beruhigte sich die Lage in Westfalen zwar wieder, aber das Vorgehen der Behörden gegen die führenden Teilnehmer des Kongresses wie die Verhaftung von Jodocus Temme, Johann Matthias Gierse und 12 weiterer Personen heizte die Stimmung wieder an. Die Folge war, dass die Demokraten – also die entschiedensten Befürworter der Revolution – bei den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus in Westfalen Ende Januar und Anfang Februar in vielen Wahlkreisen stärker waren als konservative, liberale oder katholische Kandidaten. Noch weiter verschärft wurde die Lage durch die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. und die vom Zentralmärzverein initiierte Reichsverfassungskampagne. Die daraus hervorgehende Bewegung wird auch Mairevolution bezeichnet. In Westfalen war Iserlohn der zentrale Ort dieser Ereignisse.

Ereignisse während des Aufstands[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Carl August Michael Schuchart

Ausgangspunkt war die Meuterei von Landwehrtruppen – einer milizartigen Heeresergänzung zu den regulären Linientruppen. Diese in der preußischen Reformzeit gebildeten Einheiten waren zwar einerseits als Hort des preußischen Patriotismus bekannt, andererseits galten sie dem Obrigkeitsstaat als quasidemokratische und gerade in revolutionären Zeiten unzuverlässige Einrichtung. Am 10. Mai 1849 meuterten in Hagen 1500 einberufene Landwehrmänner, die befürchteten, gegen die Revolutionäre in Baden eingesetzt zu werden. Von Hagen zogen etwa 400 Landwehrangehörige nach Iserlohn. Dort erhielten sie Unterstützung aus den übrigen Industrieorten der ehemaligen Grafschaft Mark, aber auch aus den ländlichen Teilen des ehemals kurkölnischen Sauerlandes.

In Iserlohn wurde das Zeughaus gestürmt und noch am 10. Mai ein radikaler Sicherheitsausschuss nach dem Vorbild der französischen Revolution eingerichtet. Vorsitzender war der „gemäßigte Demokrat“ Rechtsanwalt Karl Schuchart, der versuchte, einen mäßigenden Einfluss auf die Bewegung auszuüben. Am gleichen Nachmittag wurde eine Delegation zum Oberpräsidenten Eduard Flottwell in Münster entsandt, um die Forderungen zu überbringen: Zurücknahme des Einberufungsbefehls; kein Einsatz von Militär gegen die Stadt; Amnestie für die Aufständischen. Die Delegation war erfolglos, zusätzlich blieb die von auswärts erwartete Hilfe aus. Umworbene Demokraten mit militärischen Fachkenntnissen winkten ab. Lebensmittel wurden knapp, und den aufständischen Arbeitern fehlte es an Lohn.[2]

Beendigung und Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 17. Mai 1849 gelang es den preußischen Linientruppen (Infanterie-Regiment Nr. 24), die Stadt zu erobern. Zwar wurde der Kommandeur des Füsilierbataillons Oberstleutnant Schrötter getötet, die Verluste waren ansonsten aber gering (ein Toter, sieben Verwundete). Auf Seiten der Zivilisten gab es 40 Tote[3] durch Soldaten des Regiments[4], erbost durch den Tod ihres aus dem Hinterhalt erschossenen Bataillonskommandeurs, durchsuchten die Häuser und exekutierten beim Fund von Waffen oder Munition deren Bewohner wie auch Fliehende.[2] Zahlreiche Personen wurden verhaftet, etwa 80 von ihnen angeklagt. Die Mehrheit allerdings wurde in den nachfolgenden Gerichtsverfahren freigesprochen. Die Anführer des Iserlohner Aufstands – Caspar Butz aus Hagen, Dr. Friedrich Wilhelm Grevel aus Hagen und Karl Post aus Eilpe bei Hagen – konnten emigrieren.

Nach der Niederschlagung der Erhebung wurden die Landwehreinheiten aus Westfalen tatsächlich zur Bekämpfung der Revolution in der Pfalz und in Baden eingesetzt. So wurde das Iserlohner Landwehr-Bataillon des 16. Landwehrregiments am 25. Juni 1849 im Gefecht bei Durlach zum Sturmangriff auf die Barrikaden der Revolutionsarmee eingesetzt, wobei es erhebliche Verluste erlitt.[5] Die Stadt Iserlohn musste ein Jahr lang bis Frühjahr 1850 „starke militärische Einquartierung“ ertragen – und bezahlen.[2]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ralf Blank ordnet den Iserlohner Aufstand in eine Reihe von „Unruhen und sozialem Protest“ seit dem 18. Jahrhundert ein. Dabei verweist er auf die Hungerkrisen wie auch die von 1846/1847. Damals hätten bürgerliche Hilfskomitees die Not der Bevölkerung gelindert, so dass Unruhen ausblieben, und in der Revolution 1848 hätten konservative und liberale Kreise die revolutionären Forderungen der Arbeiter relativiert und eingedämmt. Der Aufstand kam durch die Furcht von Landwehrmännern zustande, sie würden gegen Aufständische in Baden und damit gegen ihre deutschen Landsleute eingesetzt. Ihr Aufstand markiere „das Ende der Revolution in Westfalen“, so Blank.[6]

Neben einem Denkmal für die Opfer auf dem Hauptfriedhof erinnern auch Tafeln an verschiedenen Gebäuden seit 2012 an die Ereignisse. Sie enthalten Informationen über die Rolle dieses Ortes während des Aufstandes.[7] Ein historischer Roman von Christian Wolff behandelt den Iserlohner Aufstand und die Teilnahme der Iserlohner Wehrmänner am Feldzug in Baden.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ralf Blank: Neue Erkenntnisse zum Ablauf des Iserlohner Aufstandes. In: Felix Gräfenberg (Hrsg.): 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie. Münster: Aschendorf Verlag 2023 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 48), S. 707–718.
  • Sandra Hertel: Carl August Schuchart (1806–1869). Ein liberaler Wortführer im Iserlohner Revolutionsgeschehen. In: Felix Gräfenberg (Hrsg.): 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie. Aschendorff, Münster 2023, DNB 1292109440, S. 261–272.
  • Harm Klueting: Geschichte Westfalens. Das Land zwischen Rhein und Weser vom 8. bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn, 1998. S. 288–289. ISBN 3-89710-050-9
  • Wilfried Reininghaus / Axel Eilts: Fünfzehn Revolutionsmonate. Die Provinz Westfalen vom März 1848 bis Mai 1849. In: Wilfried Reinighaus / Horst Conrad (Hrsg.): Für Freiheit und Recht. Westfalen und Lippe in der Revolution 1848/49. Münster, 1999. ISBN 3-402-05382-9, S. 32–73. v. a. S. 65–73.
  • Theodor Fontane: Das 24.Regiment im Jahre 1848 und 1849. In: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Erster Band. Köln, 1997. S. 253. ISBN 3-89508-696-7
  • Julius Köster: Die Iserlohner Revolution und die Unruhen in der Grafschaft Mark : Mai 1849 ; nach amtlichen Akten und Berichten von Zeitgenossen. Berlin, 1899 Digitalisat

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ralf Blank: Neue Erkenntnisse zum Ablauf des Iserlohner Aufstandes. In: Felix Gräfenberg (Hrsg.): 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie. Münster: Aschendorf Verlag 2023 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 48), S. 707–718, hier S. 717.
  2. a b c Peter Bürger: "Schieß ihn um, den Hund von Demokraten!" In: Telepolis vom 17. Mai 2016.
  3. Wilhelm Schulte: Iserlohn. Die Geschichte einer Stadt. Band, Nr. 1. Stadt Iserlohn, Iserlohn 1937, S. 287 (392 S., uni-muenster.de [PDF; 115,0 MB]).
  4. Dietmar Simon: Königstreue und Demokraten. Die Revolution von 1848/49 in den Kreisen Iserlohn und Altena. In. Wilfried Reininghaus (Hrsg.): Die Revolution 1848/49 in Westfalen und Lippe. Münster, 1999 S. 286
  5. Siehe Operationen und Gefechtsberichte aus dem Feldzuge in der Rhein-Pfalz und im Großherzogthum Baden, im Jahre 1849. d. Gefecht von Durlach am 25sten Juni. In: Beiheft zum Militair-Wochenblatt für April und Mai 1850, Berlin 1850, S. 108–109 Internet Archive
  6. Ralf Blank: Neue Erkenntnisse zum Ablauf des Iserlohner Aufstandes. In: Felix Gräfenberg (Hrsg.): 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie. Münster: Aschendorf Verlag 2023 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 48), S. 707–718, hier S. 707–709.
  7. Pressemitteilung Stadt Iserlohn 18. Dezember 2012
  8. Christian Wolff: Das Blut der Freiheit. A-Verlag Wittingen, 2022, ISBN 978-3-96760-022-3