Israelisch besetzte Gebiete

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Als israelisch besetzte Gebiete werden bisweilen diejenigen Gebiete unter israelischer Kontrolle bezeichnet, die außerhalb der 1949 mit seinen Nachbarn geschlossenen Waffenstillstandslinien Israels liegen. Vom Internationalen Gerichtshof (IGH), der UNO[1][2], anderen internationalen Organisationen sowie vielen Regierungen[3] werden sie als besetzte Gebiete bewertet, während Israel diese Gebiete im Fall von Ostjerusalem und der Golanhöhen als Israel zugehörig und sonst als „umstrittene Gebiete“ mit offenem Anspruch betrachtet.[4]

1967 besetzte Gebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die israelisch besetzten Gebiete umfassen heute das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem, den Gazastreifen und die Golanhöhen. Die Sinai-Halbinsel, die Israel 1967 im Sechstagekrieg ebenfalls erobert hatte, wurde im Camp-David-Friedensvertrag 1982 an Ägypten zurückgegeben. Der Gazastreifen wurde im Jahre 2005 gemäß dem einseitigen Abkoppelungsplan von Ariel Scharon von israelischen Siedlungen und Militärstützpunkten geräumt, gilt für die UNO jedoch weiterhin als von Israel besetztes palästinensisches Gebiet.[5] Auch im Libanon hatte Israel seit 1978 mehrmals Gebiete besetzt, sich aber im Jahr 2000 aus dem Libanon zurückgezogen.

Insgesamt hat Israel, den Gazastreifen eingeschlossen, rund 84 % der 1967 militärisch besetzten Gebiete geräumt, der Großteil davon Wüste auf der Sinai-Halbinsel.

Die israelische Regierung bestreitet, dass es sich bei den von Israel 1967 eroberten, nach internationalem Recht als besetzte Gebiete geltenden Territorien um besetztes Gebiet handelt,[4] während das Oberste Gericht Israels wiederholt bestätigt hat, dass es sich besonders beim Westjordanland um besetzte Gebiete handelt.[6] Die israelische Regierung begründet ihre Haltung mit einer historischen und religiösen Beziehung der Juden zu den betreffenden Gebieten, Israels Sicherheitsbedürfnissen sowie damit, dass sich die 4. Genfer Konvention nach ihrer Interpretation nur auf besetzte Territorien eines zum Zeitpunkt der Eroberung souveränen Staates beziehe, was beim Westjordanland und Gazastreifen nicht der Fall gewesen sei. Folglich seien der Begriff Okkupation und die den Schutz der Zivilbevölkerung sichernde 4. Genfer Konvention nicht anwendbar.[4] Diese Ansicht wurde im Juli 2012 auch in einem von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Auftrag gegebenen Bericht zu den selbst nach israelischem Recht illegalen Siedlungen (Outposts) im Westjordanland, dem „Levy Report“, vertreten, der sich auf eine Erklärung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zur 4. Genfer Konvention aus dem Jahr 1958[7] beruft. Der Bericht, der bei den israelischen Rechtsparteien große Zustimmung findet, wurde außerhalb Israels scharf kritisiert, unter anderem vom US-Außenministerium und von amerikanischen jüdischen Mainstream-Organisationen.[8][9] Im November 2012 veröffentlichte das IKRK eine Erklärung mit der Klarstellung, dass es sich bei der Westbank nach internationalem Recht um von Israel besetztes Gebiet handelt und dass die in ihnen errichteten israelischen Siedlungen die Bestimmungen des internationalen humanitären Völkerrechts verletzen.[6]

Die offizielle israelische Sprachregelung verwendet den Begriff „umstrittene Gebiete“, soweit es sich nicht um besetzte Gebiete handelt, die von Israel annektiert wurden. Umgangssprachlich werden die besetzten Gebiete in Israel häufig kurz als die Gebiete bezeichnet. Für die internationale Staatengemeinschaft und die internationalen Organisationen, einschließlich der Vereinigten Staaten von Amerika, der Vereinten Nationen, dem IKRK und der Europäischen Union, handelt es sich jedoch um besetztes Gebiet, wobei im Fall des Gazastreifens seit dem israelischen Rückzug im Jahr 2005 eine gewisse Unsicherheit besteht.[5]

Gebiet des jüdischen (orange) und arabischen (gelb) Staates in Palästina, wie sie 1947 im UN-Teilungsplan für Palästina vorgesehen waren.
Die palästinensischen Autonomiegebiete (grün), wie sie im Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO vereinbart wurden.

Besetzte Gebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Westjordanland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die offizielle israelische Bezeichnung für das Westjordanland (engl. West Bank) lautet „Judäa und Samaria“. Dies war im 19. Jahrhundert eine in Europa gängige geographische Bezeichnung für die damals unter osmanischer Herrschaft stehende Region Palästina. Auch als Palästina nach dem Ersten Weltkrieg unter britischen Herrschaft – gestützt auf das Völkerbundsmandat für Palästina – stand, wurde diese Bezeichnung weiterhin verwendet und wird auch heute noch verwendet. Das ursprüngliche britische „Mandatsgebiet Palästina“ wurde später in das diesseits des Flusses Jordan gelegene Cisjordanien und das jenseits des Flusses gelegene Transjordanien aufgeteilt. Transjordanien wurde von Palästina gelöst und annektierte 1948 Cisjordanien. Nach der Annexion wurde das Königreich Transjordanien in Jordanien umbenannt; den Bewohnern des frühereCisjordanien wurden die vollen jordanischen Bürgerrechte verliehen. Bis zum Juni 1967 blieb das frühere Gebiet Cisjordanien unter jordanischer Herrschaft. 1988 gab Jordanien seinen Anspruch auf das frühere Gebiet Cisjordaniens zu Gunsten der Gründung des souveränen Staates Palästina auf.

Infolge des Osloer-Friedensprozesses konnte die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) in einigen Teilen des Westjordanlandes eine Palästinensische Autonomiebehörde zur Verwaltung der betreffenden Gebiete aufbauen — dies geschah in den „A-Gebieten“ komplett, in den „B-Gebiete“ aber nur teilweise. Die A- und B-Gebiete im Westjordanland umfassen zwar einen Großteil der Ballungsräume, bilden aber keine zusammenhängende Fläche, sondern werden durch zahlreiche von Israel verwaltete Enklaven - den „C-Gebieten“ – räumlich voneinander getrennt.

Ostjerusalem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das 1967 von Israel eroberte Ostjerusalem und Umgebung, nach internationalem Recht Teil des besetzten Westjordanlands, wurde von Israel 1980 formell annektiert, eine Annexion, die von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt wird.

Gazastreifen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gazastreifen wurde von Ägypten von 1948 bis 1967 mit kurzer Unterbrechung nach der Sueskrise militärisch verwaltet, den Bewohnern wurde jedoch die ägyptische Staatsbürgerschaft verweigert. Auch Ägypten hat seinen Anspruch auf das Gebiet zu Gunsten eines souveränen palästinensischen Staates aufgegeben. Der Gazastreifen steht seit Inkrafttreten der Oslo-Abkommen unter palästinensischer Selbstverwaltung. Die seit 2007 der Verwaltung vorstehende Hamas wird von Israel jedoch nicht anerkannt.

Im Jahre 2005 zog sich Israel aufgrund des Scharon-Planes vollständig aus dem Gazastreifen zurück und löste alle seine dortigen Siedlungen auf. Die Grenze zu Ägypten wird seit 2007 von den Palästinensern kontrolliert. Alle anderen Zugänge, einschließlich der Luft- und Seezugänge, werden weiterhin von Israel kontrolliert.

Das israelische Oberste Gericht hat anhand eigener Gutachten entschieden, dass der Gazastreifen seit dem Abzug 2005 nicht mehr besetztes Gebiet sei, weil Israel keine „effektive Gewalt“ ausübe und die Luft- und Seekontrolle laut Oslo-Verträgen ohnehin Israel zustünde. Dass Israel keine „effektive Gewalt“ über den Gazastreifen ausübt, wird bestritten.[10] Völkerrechtler sehen unter anderem in der permanenten Lufthoheit und -kontrolle mit der Möglichkeit, sofort an jeder Stelle zuzuschlagen, spätestens seit Sommer 2007 die Fortsetzung der militärischen Besetzung durch Israel, wofür laut Haager Landkriegsordnung die Armee nicht tatsächlich an jedem Ort anwesend sein muss.[11] Sowohl die USA wie die UNO erachten den Gazastreifen weiterhin als besetztes Gebiet.[12] So erklärte ein Sprecher von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon im Januar 2009, dass sich für die UNO der Status des Gazastreifens als besetztes palästinensisches Gebiet nicht geändert habe.[5]

Das humanitäre Völkerrecht und die Staatengemeinschaft erachten Israel als für das Wohl der Bevölkerung des Gazastreifens verantwortlich.[13] Die EU und die USA haben sich immer wieder für ein Ende der Blockade des Gazastreifens eingesetzt. Im Juni 2010 hob Israel die Blockade teilweise für wichtige Güter auf.[14] Der britische Premierminister David Cameron kritisierte die Blockade im Juli 2010 mit folgenden Worten: „Humanitäre Güter und Menschen müssen in beide Richtungen fließen können. Gaza kann und darf nicht weiterhin ein Gefangenenlager bleiben“.[15] Hilfsorganisationen wie Amnesty International und medico international forderten im November 2010 mit einem Appell an die internationale Gemeinschaft ebenfalls das sofortige Ende der Gaza-Blockade. Die Bevölkerung sei in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.[16] 2013 riegelte auch Ägypten seine Grenze zum Gaza-Streifen ab. Der UNO-Generalsekretär António Guterres besuchte das Gebiet im August 2017 und forderte erneut eine Aufhebung der Blockade durch Israel und Ägypten. 70 Prozent der Bevölkerung seien nach Angabe der UNO von internationaler Hilfe abhängig; die hohe Jugendarbeitslosigkeit, Trinkwassermangel und schlechte Gesundheitsversorgung hätten zu „eine der dramatischsten humanitären Krisen“ überhaupt geführt.[17]

Golanhöhen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die bis 1967 zu Syrien gehörenden Golanhöhen wurden von Israel 1981 annektiert und in den Nordbezirk des Landes eingegliedert. Dies wird von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt.

Ehemalige besetzte Gebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sinai[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Israel hielt die Sinai-Halbinsel zweimal besetzt: Für kurze Zeit nach der Sueskrise von 1956 und 15 Jahre lang von 1967 bis 1982 nach dem Sechstagekrieg. Im Camp-David-Abkommen von 1978 sowie im israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 wurde die Rückgabe der Sinai-Halbinsel an Ägypten festgelegt. 1982 wurde die israelische Besatzung beendet.

Südlicher Libanon[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1978 hatte Israel wiederholt Gebiete im Süden des Libanon besetzt. Im Jahr 2000 zog Israel seine Truppen aus dem Libanon zurück. Libanon behauptet allerdings, dass Israel weiterhin libanesisches Land besetzt halte, hauptsächlich bei den Shebaa-Farmen am Fuß der Golanhöhen. Israel hingegen bezeichnet die Shebaa-Farmen als syrisches Gebiet, das nicht der Resolution 425 unterliege, die Israel zum Rückzug aus dem Libanon auffordert.

Das israelische Kernland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anders als die 1967 besetzten Gebiete werden die von Israel im Palästinakrieg unmittelbar nach seiner Staatsgründung im Jahr 1948 eroberten und annektierten Gebiete – die über das im von den arabischen Staaten abgelehnten UNO-Teilungsplan dem jüdischen Staat zugesprochene Territorium hinausgehen – als Teil von Israels Staatsgebiet (Kernland) angesehen. Die Waffenstillstandslinien von 1949 werden als Grenzen Israels von 1967 oder auch als Grüne Linie bezeichnet. Das Staatsgebiet Israels innerhalb dieser Grenze ist heute international weitgehend unbestritten und wird nur von einigen muslimischen Staaten, die dem jüdischen Staat das Existenzrecht absprechen, nicht anerkannt. Einige palästinensische Gruppierungen, zum Beispiel Hamas und PFLP, verfolgen das Ziel einer Rückeroberung Palästinas einschließlich des israelischen Kernlands.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. International Court of Justice finds Israeli barrier in Palestinian territory is illegal. UN News Centre, 9. Juli 2004, abgerufen am 30. August 2014.
  2. Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Request for advisory opinion). IGH, 9. Juli 2004, archiviert vom Original am 25. August 2014; abgerufen am 30. August 2014.
  3. Reaktion auf Nahost-Rede. Israel empört sich über Obamas Kurswechsel. Der Spiegel, 20. Mai 2011, abgerufen am 15. Januar 2012.
  4. a b c Israeli Settlements and International Law. Israelisches Außenministerium, 20. Mai 2001, abgerufen am 17. Januar 2009 (englisch).
  5. a b c Josh Levs: Is Gaza ‘occupied’ territory? In: CNN. 6. Januar 2009, abgerufen am 2. Dezember 2011 (englisch).
  6. a b Juan Pedro Schaerer (IKRK-Verantwortlicher): The Levy report vs. international law. In: Haaretz. 4. November 2012, abgerufen am 25. Februar 2013 (englisch).
  7. Commentary of 1958. Abgerufen am 23. Mai 2016 (englisch).
  8. Yitzhak Benhorin: US displeased with Levy Report. In: Ynetnews. 10. Juli 2012, abgerufen am 25. Februar 2013 (englisch).
  9. Paul Berger: Levy Report Tests American Consensus. In: The Jewish Daily Forward. 20. Juli 2012, abgerufen am 25. Februar 2013 (englisch).
  10. Elizabeth Samson: Is Gaza Occupied? Redefining the Legal Status of Gaza. (PDF; 355 kB) The Begin-Sadat (BESA) Center for Strategic Studies, Bar-Ilan Universität, Januar 2010, abgerufen am 2. Dezember 2011 (englisch).
  11. The Gaza Strip – Israel’s obligations under international law. B’Tselem, abgerufen am 2. Dezember 2011 (englisch).
  12. 2010 Human Rights Report: Israel and the occupied territories. Occupied Territories. U.S. State Department, Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, 8. April 2011, abgerufen am 2. Dezember 2011 (englisch).
  13. The lagal status of Gaza. (PDF; 1,2 MB) Gisha: Legal Center for Freedom of Movement, 2007, abgerufen am 2. Dezember 2011 (englisch).
  14. Israel hebt Gaza-Blockade weitgehend auf. In: Welt Online, 21. Juni 2010.
  15. Nicholas Watt, Harriet Sherwood: David Cameron: Israeli blockade has turned Gaza Strip into a ‘prison camp’. In: The Guardian. 27. Juli 2010, abgerufen am 2. Dezember 2011 (englisch): „The situation in Gaza has to change. Humanitarian goods and people must flow in both directions. Gaza cannot and must not be allowed to remain a prison camp.“
  16. Stephanie Gebert: Ende der Gaza-Blockade gefordert. Trotz Lockerung der Einfuhrbestimmungen ist die Not der Menschen im Gazastreifen nach wie vor groß. In: Deutsche Welle. 30. November 2010, abgerufen am 2. Dezember 2011.
  17. UN-Generalsekretär fordert Aufhebung von Gazastreifen-Blockade. In: Der Standard, 30. August 2017.