Iwan Alexandrowitsch Gontscharow

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Iwan Gontscharow, Porträt von Iwan Nikolajewitsch Kramskoi (1865)

Iwan Alexandrowitsch Gontscharow (russisch Ива́н Алекса́ндрович Гончаро́в, wiss. Transliteration Ivan Aleksandrovič Gončarov; * 6. Junijul. / 18. Juni 1812greg. in Simbirsk; † 15. Septemberjul. / 27. September 1891greg. in Sankt Petersburg) war ein russischer Schriftsteller. Sein bekanntestes Werk ist der Roman Oblomow (1859).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gontscharows Geburtshaus in Simbirsk (Uljanowsk)
Porträt Gontscharows
Gontscharow im Jahre 1886
Russische Briefmarke, ausgegeben anlässlich des 200. Geburtstags von Iwan Gontscharow im Jahre 2012

Iwan Gontscharow wuchs als Sohn eines reichen, bereits 1819 verstorbenen Getreidehändlers auf, dessen Geschäft von der Mutter weitergeführt wurde. Der Großvater war in den erblichen Adel versetzt worden, so dass Gontscharow die Krise des patriarchalischen Landadels und seiner Kultur und den Aufstieg einer vielseitig gebildeten liberalen Finanz- und Handelselite im eigenen Umfeld beobachten konnte. Nach Besuch der Handelsschule Moskau 1822 bis 1830 schloss Gontscharow seine Ausbildung 1834 an der Universität Moskau ab und diente danach 30 Jahre lang in Sankt Petersburg zunächst als Übersetzer, dann als kleiner Beamter, ab 1856 als Oberzensor im Volksbildungsministerium, später als leitender Beamter in der obersten Pressebehörde.

Nach frühen Versdichtungen wandte er sich seit 1838 – beeinflusst von Puschkin, Lermontow und Gogol – realistischen Prosaarbeiten zu. 1847 wurde Gontscharows erster Roman, Eine alltägliche Geschichte (Obyknowennaja istorija), publiziert, der sich mit den Konflikten zwischen dem russischen Adel und der aufsteigenden Klasse der Kaufleute auseinandersetzte. Dem Roman folgte die psychologisch-naturalistische Skizze Iwan Sawitsch Podjabrin (1848).

Zwischen 1852 und 1855 reiste Gontscharow als Sekretär des Admirals Putjatin nach England, Afrika, Japan und über Sibirien zurück nach Russland. Sein scharf beobachtender Reisebericht Die Fregatte Pallas (Fregat Pallada) wurde 1858 veröffentlicht und fand internationale Resonanz. Im Jahr darauf erschien sein auch international äußerst erfolgreicher Roman Oblomow, dessen Titelheld mit Shakespeares Hamlet verglichen die Frage Sein oder nicht sein? mit Nein! beantwortet. Unter anderem Dostojewski betrachtete Gontscharow als bemerkenswerten Autor von hoher Qualität, von dem er sich selbst beeinflusst zeigte.

Bereits in seinen ersten Werken wird Gontscharows Grundthema, die grenzenlose Langeweile, deutlich; in seinem Hauptwerk Oblomow ist dieses Thema derart zentral, dass die Antriebslosigkeit des Titelhelden sprichwörtlich im Russischen wurde: Oblomowschtschina, das Versinken im Nichtstun bis zum endgültigen Verfall.

Gontscharow-Denkmal (L. M. Pissarewski, 1965), Simbirsk (Uljanowsk)
Gontscharows Grabmal auf dem Wolkowo-Friedhof

1867 zog sich Gontscharow von seinem Amt als Regierungszensor zurück und veröffentlichte seinen letzten Roman; Die Schlucht (Obryw) (1869) ist die Geschichte einer Rivalität zwischen drei Männern, die die Liebe einer geheimnisvollen Frau suchen. Dieser Roman wurde nahezu einmütig abgelehnt, da man die konservative Wende des Autors in der Aufbruchzeit nach den Reformen von 1861 nicht nachvollziehen konnte. Den Rest seines Lebens verbrachte er angesichts der negativen Kritik, die diesem und einigen anderen seiner Werke zuteilwurde, in einsamer Zurückgezogenheit. Gontscharow schrieb auch Kurzgeschichten, Kritiken, Essays und Memoiren, die aber erst 1919 erschienen.

1860 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg gewählt.[1]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Briefe

aus dem Nachlass

  • 1875 Der Weihnachtsbaum, vollständige Neuübersetzung von Vera Bischitzky in FAZ vom 30. November 2013, Seiten L1 und L2.

Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gontscharow: Die Hügelstürmer von St. Petersburg. Erzählungen, aus dem Russischen übersetzt von Beate Petras, Evelyn Beitz und Bogdan Kovtyk. Kiepenheuer, 1989. ISBN 3-378-00005-8.

Hörspiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Milton Ehre: Oblomov and his creator. The life and art of Ivan Goncharov. Princeton, N.J.: Princeton Univ. Press. 1973. (= Studies of the Russian Institute/Columbia University) ISBN 0-691-06245-5.
  • Annette Huwyler-Van der Haegen: Goncarovs drei Romane – eine Trilogie? München: Sagner. 1991. (= Vorträge und Abhandlungen zur Slavistik; 19) ISBN 3-87690-442-0.
  • Volker Klotz: Müßig-Gänger: Un-Täter. Nichtsnutz im Struwwelpeter, Datterich und anderswo, zwei Essays. Magistrat, Presse- und Informationsamt, Darmstadt 2001, DNB 961918373 (Darmstädter Dokumente, Band 12).
  • Jan Kusber: Koloniale Expansion und die Wahrnehmung „Asiens“ um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Beispiel Ivan A. Goncarov. In: Stephan Conermann/Jan Kusber (Hrsg.): Studia Eurasiatica, EB-Verlag, Schenefeld/Hamburg 2003, S. 189–213. (= Asien und Afrika; 10) ISBN 3-930826-99-2.
  • Ulrich M. Lohff: Die Bildlichkeit in den Romanen Ivan Aleksandrovič Gončarovs (1812–1891). München: Sagner. 1977. (= Slavistische Beiträge; 108) ISBN 3-87690-129-4.
  • Walter Rehm: Gontscharow und Jacobsen oder Langeweile und Schwermut. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht. 1963. (= Kleine Vandenhoeck-Reihe; 154/155/156) ISBN 978-3-525-33196-5.
  • Heide Rohse: Die unsichtbaren Tränen. Psychoanalytische Gedanken zu Iwan A. Gontscharows „Oblomow“. In: Heide Rohse: Unsichtbare Tränen. Effi Briest – Oblomow – Anton Reiser – Passion Christi. Psychoanalytische Literaturinterpretationen zu Theodor Fontane, Iwan A. Gontscharow, Karl Philipp Moritz und Neuem Testament. Würzburg: Königshausen und Neumann. 2000, ISBN 3-8260-1879-6, S. 33–69 – Wiederabdruck in: Heide Rohse: Verborgenes Leid und Empathie. Psychoanalyse in Literatur, Theologie und therapeutischer Praxis.Gesammelte Studien. Hrsg. von Eberhard Rohse. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, ISBN 978-3-525-40815-5, S. 137–183.
  • Hans Rothe: Die Schlucht. Ivan Gontscharov und der „Realismus“ nach Turgenev und vor Dostojevskij (1849–1869). Opladen: Westdt. Verlag 1991. (= Abhandlungen der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften; 86) ISBN 3-531-05104-0.
  • Mechtild Russell: Untersuchungen zur Theorie und Praxis der Typisierung bei I. A. Gončarov. München: Sagner. 1978. (= Slavistische Beiträge; 118) ISBN 978-3-87690-140-4.
  • Vsevolod Setchkarev: Ivan Goncharov. His life and his works. Würzburg: Jal-Verlag. 1974. (= Colloquium Slavicum; 4) ISBN 3-7778-0091-0.
  • Garth M. Terry: Ivan Goncharov. A bibliography. Nottingham: Astra Pr. 1986. (= Astra Soviet and East European monographs; 6) ISBN 0-946134-07-3.
  • Peter Thiergen (Hrsg.): I. A. Gončarov. Beiträge zu Werk und Wirkung. Köln u. a.: Böhlau. 1989. (= Bausteine zur Geschichte der Literatur bei den Slaven; 33) ISBN 3-412-03089-9.
  • Peter Thiergen (Hrsg.): Ivan A. Gončarov. Leben, Werk und Wirkung. Beiträge der I. Internationalen Gončarov-Konferenz, Bamberg, 8.-10. Oktober 1991. Böhlau, Köln u. a. 1994 (= Bausteine zur slavischen Philologie und Kulturgeschichte; Reihe A, Slavistische Forschungen; N.F., 12) ISBN 3-412-04394-X.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Iwan Gontscharow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Korrespondierende Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724: Гончаров, Иван Александрович. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 13. August 2021 (russisch).