Jüdisch-babylonisches Aramäisch

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Jüdisch-babylonisches Aramäisch

Gesprochen in

Babylonien im 2. bis 12. Jahrhundert
Sprecher keine (Sprache ausgestorben)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

ISO 639-3

tmr[1]

Zauberschale, datiert zwischen 400 und 800, mit jüdisch-babylonisch aramäischer Inschrift, verfasst in hebräischer Quadratschrift
(Sammlung des Jüdischen Museums der Schweiz)

Jüdisch-babylonisches Aramäisch war die Form des Aramäischen, die von Schreibern in Babylonien zwischen dem 2. und 12. nachchristlichen Jahrhundert verwendet wurde.[2] Es ist insbesondere als die Sprache des Babylonischen Talmuds (der im siebten Jahrhundert abgeschlossen wurde) und der geonischen Literatur bekannt, die als die bedeutendsten Kulturgüter der babylonischen Juden betrachtet werden. Die wichtigsten epigraphischen Quellen für den Dialekt sind hunderte von aramäischen Zauberschalen.

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprache ist eng verwandt mit anderen ostaramäischen Dialekten wie z. B. Mandäisch und Syrisch (Edessenisch-Syrisch).[3] Jüdisch-babylonisches Aramäisch ist die Sprachform, die etwa im ersten Jahrtausend n. Chr. von der jüdischen Bevölkerungsgruppe in der historischen Region Babylonien gesprochen wurde (heute südlicher und mittlerer Irak). Wie viele jüdische Sprachen ist sie durchsetzt mit hebräischen Lehnwörtern. Im Babylonischen Talmud ist in dieser Sprache die Gemara verfasst, die älteste Kommentarspalte, die aus den aufgezeichneten Dialogen der Rabbiner in Sura und Pumbedita besteht. Durch die Gemara des Babylonischen Talmuds ist Jüdisch-babylonisches Aramäisch besonders gut überliefert. Andere Teile im Aufbau des Talmud, die ursprünglich zu kommentierende Mischna, die jüngeren Kommentarspalten von Raschi und die übrigen Kommentare (Tosafot) sind dagegen auf Hebräisch verfasst.

Die ursprüngliche Aussprache ist unsicher und wurde mit der Hilfe von verwandten Dialekten, der Lesetradition der jemenitischen Juden und, soweit vorhanden, der irakischen, syrischen und ägyptischen Juden rekonstruiert. Die Bedeutung der jemenitischen Lesetradition wurde von einigen Wissenschaftlern infrage gestellt. Die von heutigen Juden gewöhnlich verwendete Aussprache aramäischer Texte aus der Bibel und dem jüdischen Gebetbuch stellt einen anderen Dialekt dar und ist wenig hilfreich für diesen Zweck.[4]

Talmudisches Aramäisch besitzt eher die Merkmale einer Fachsprache zum Studium und für rechtliche Argumentationen, wie z. B. Law French in England oder Jersey Legal French auf Jersey, als dass es als eine umgangssprachliche Muttersprache betrachtet werden kann, und wurde für diese Zwecke noch lange, nachdem Arabisch zur Alltagssprache geworden war, genutzt. Es enthält eine Fülle rechtsphilosophischer Termini, wie beispielsweise tijuvta (aramäisch: תְּיוּבְתָּא ‚Einwand‘) und tequm (aramäisch: תֵּיקוּם ‚Lasst es stehen‘),[5] die auch heute noch in juristischen jüdischen Schriften verwendet werden und die auch das moderne Ivrit beeinflusst haben.

Wie andere Formen des Jüdisch-Aramäischen wird auch das Jüdisch-babylonische mit der Quadratschrift geschrieben.

Heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprache wurde wissenschaftlich erforscht. Kenntnisse der jüdisch-aramäischen Sprache kann man sich an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg aneignen.[6]

Grammatik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verb-Konjugationsstämme bestehen aus den Verb-Grundstämmen „Pe'al“ פְּעַל (Aktiv) und „Itpe'el“ אִתְפְּעֵל (Passiv), den Verb-Kausativ-Stämmen „Af'el“ אַפְעֵל (Aktiv) und „Ittaf'al“ אִתַפְעַל (Passiv) sowie den Verb-Doppelungs-Stämmen „Pa'el“ פַּעֵל (Aktiv) und „Itpa'al“ אִתְפַּעַל (Passiv).[7][8]

Verb-Konjugationsstamm
Babylon. aramäisch[8]
Verb-Konjugationsstamm
hebräisch
Beispiel auf aramäisch deutsche Übersetzung
פְּעַל Pe'al קַל Kal/Pa'al כְּתַב er schrieb
אִתְפְּעֵל Itpe'el נִפְעַל Niffal אִתְכְּתֵיב es wurde schriftlich festgehalten
אַפְעֵל Af'el הִפְעִיל Hifil אַפְקֵיד er ließ es verwahren
אִתַפְעַל Itaff'al הָפְעַל Hofal אִתַפְקַד es wurde verwahrt
פַּעֵל Pa'el פִּעֵל Pi'el קַדֵיש[9] er heiligte
אִתְפַּעַל Itpa'al נִתְפַּעַל Nitpa'al וְיִתְקַדַּשׁ שְׁמֵהּ רַבָּא geheiligt werde sein großer Name (Kaddisch)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Elitzur A. Bar-Asher Siegal: Introduction to the Grammar of Jewish Babylonian Aramaic (= Lehrbücher orientalischer Sprachen. Sektion 3: Aramaic. Band 3). Ugarit-Verlag, Münster 2013, ISBN 978-3-86835-084-5.
  • Jacob Nahum Epstein: Diqduq Aramit Bavlit (Grammar of Babylonian Aramaic). Devir, Tel Aviv; Magnes, Jerusalem 1960, OCLC 776355657 (hebräisch).
  • Yitzhak Frank: Grammar for Gemara: An Introduction to Babylonian Aramaic. Ariel Institute, Jerusalem 2000, ISBN 0-87306-612-X (englisch).
  • Marcus Jastrow: A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature. Luzac & Co., London; G. P. Putnam’s sons, New York 1903, OCLC 637021200 (Mehrfache Reprints), als Taschenbuch von Scholar’s Choice, 2015, ISBN 978-1-298-49074-2 (englisch; tyndalearchive.com).
  • Yehiel oder Yechiel Kara (יחיאל קארה): Kitve-ha-yad ha-Temaniyim shel ha-Talmud ha-Bavli, meḥḳarim bi-leshonam ha-Aramit (= ʻEdā wě-lašōn (עדה ולשון). Band 10). The Magnes Press, Hebräische Universität Jerusalem, Jerusalem 1983, OCLC 64765564 (hebräisch; Originaltitel: כתבי־היד התימניים של התלמוד הבבלי מחקרים בלשונם הארמית; Babylonian Aramaic in the Yemenite Manuscripts of the Talmud: Orthography, Phonology and Morphology of the Verb).
  • Hyman Klein: An Introduction to the Aramaic of the Babylonian Talmud. Burns and Bailey, London 1943; [Aria College], [Winchester] [1972?], OCLC 896624746.
  • Eduard Yechezkel Kutscher: Meḥqarîm beʻibrît ûbeʼaramît. Hrsg. von Z. Ben-Hayyim, A. Dotan, G. Sarfatti. The Magnes Press, Hebräische Universität Jerusalem, Jerusalem 1977, OCLC 153322624 (hebräisch; Hebrew and Aramaic Studies).
  • Caspar Levias: A grammar of the Aramaic idiom contained in the Babylonian Talmud with constant reference to gaonic literature. Bloch, Cincinnati 1900, OCLC 803525046; Nabu Press, o. O. 2010, ISBN 978-1-176-64946-0 (englisch, Textarchiv – Internet Archive Digitalisat der Ausg. von 1896).
  • David Marcus: A Manual of Babylonian Jewish Aramaic. University Press of America, Lanham [u. a.] 1981, ISBN 0-8191-1363-8.
  • Max Leopold Margolis: Lehrbuch der aramäischen Sprache des babylonischen Talmuds. Grammatik, Chrestomathie und Wörterbuch (= Hermann L. Strack [Hrsg.]: Clavis linguarum semiticarum. Band 3). Beck, München 1910 (urn:nbn:de:hebis:30:1-142803; Rezension).
  • Ezra Zion Melamed: Aramaic-Hebrew-English dictionary of the Babylonian Talmud. Samuel and Odette Levy Foundation, Jerusalem 2005, ISBN 1-58330-776-1 (englisch).
  • Shelomo Morag: Babylonian Aramaic. The Yemenite Tradition – Historical Aspects and Transmission Phonology. The Verbal System. Ben Zvi Institute, Jerusalem 1988, ISBN 965-235-023-0 (hebräisch, mit engl. Zusammenfassung).
  • Matthew Morgenstern: Studies in Jewish Babylonian Aramaic Based Upon Early Eastern Manuscripts (= Harvard Semitic Studies. Band 58). Eisenbrauns, Winona Lake, Indiana 2011, ISBN 978-1-57506-938-8 (englisch).
  • Michel Schlesinger: Satzlehre der aramäischen Sprache des Babylonischen Talmuds (= Veröffentlichungen der Alexander Kohut-Stiftung. Band 1). Verlag der Asia Major, Leipzig 1928, DNB 362610193.
  • Michael Sokoloff: A Dictionary of Jewish Babylonian Aramaic of the Talmudic and Geonic Periods (= Dictionaries of Talmud, Midrash and Targum. Band 3). Bar Ilan, Johns Hopkins University Press, Ramat-Gan/Baltimore, MD 2003, ISBN 0-8018-7233-2 (englisch, zugl. Publications of the comprehensive aramaic lexicon project).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Documentation for ISO 639 identifier: tmr. SIL International, abgerufen am 15. Februar 2016.
  2. Jewish Babylonian Aramaic (ca. 200–1200 CE). In: glottolog.org. Abgerufen am 16. Februar 2016.
  3. Michel Schlesinger: Satzlehre der aramäischen Sprache des Babylonischen Talmuds (= Veröffentlichungen der Alexander Kohut-Stiftung. Band 1). Verlag der Asia Major, Veröffentlichungen der Alexander Kohut-Stiftung, Leipzig 1928, DNB 362610193, S. 1 f.
  4. Elitzur A. Bar-Asher Siegal: Introduction to the Grammar of Jewish Babylonian Aramaic (= Lehrbücher orientalischer Sprachen. Sektion 3: Aramaic. Band 3). Ugarit-Verlag, Münster 2013, ISBN 978-3-86835-084-5.
  5. Yitzhak Frank: The Practical Talmud Dictionary. 2. Auflage, 10. Druck. Ariel United Israel Institutes, Jerusalem 2001, ISBN 0-87306-588-3, S. 254 f.
  6. Hebräische Sprachwissenschaft. In: hfjs.eu, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, abgerufen am 9. Juni 2017 (Lehrstuhlseite zu Methoden und Inhalten).
  7. Max Leopold Margolis: Lehrbuch der Aramäischen Sprache des Babylonischen Talmuds: Grammatik, Chrestomathie und Wörterbuch. Beck, München 1910, S. 52–55.
  8. a b Yitzhak Frank: Grammar for Gemara and targum onkelos: An Introduction to Aramaic [Grammatik der Gemara und des Targums Onkelos. Eine Einführung in das Aramäische]. Ariel Institute, Jerusalem 2011, ISBN 978-1-59826-466-1, S. 18 f: A survey of the aramaic binyanim.
  9. Yitzhak Frank: Grammar for Gemara and targum onkelos: An Introduction to Aramaic. Ariel Institute, Jerusalem 2011, ISBN 978-1-59826-466-1, S. 23: Talmud Bavli Aramaic.