Jüdische Rundschau

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Jüdische Rundschau ist der Name einer jüdischen Wochenzeitung, die von 1902 bis zu ihrem Verbot 1938 erschien.

Geschichte der Zeitschrift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jüdische Rundschau im Straßenverkauf in Berlin 1934

Die 1902 bis 1938 in Berlin erschienene Jüdische Rundschau war die auflagenstärkste und bedeutendste zionistische Wochenzeitung in Deutschland. Als Organ der Zionistischen Vereinigung für Deutschland repräsentierte sie den deutschen Zionismus nach außen. Auf ihren Seiten wurden bedeutende Debatten über Funktion und Aufgabe zionistischer Politik im Sinne des auf dem ersten Zionistenkongress 1897 beschlossenen Baseler Programms geführt.[1] Außerdem berichtete sie ab 1933 über die erschwerten Existenzbedingungen der Juden in Deutschland und informierte auswanderungswillige Leser detailliert über Emigrationsmöglichkeiten.[2]

Sie gehörte neben der CV-Zeitung und dem Israelitischen Familienblatt zu den bestimmenden jüdischen Periodika in Deutschland. Die Zeitschrift war aus dem Berliner Vereinsboten (1895–1901) und der Israelitischen Rundschau (1901–1902) hervorgegangen. Herausgeber war Heinrich Loewe. Zu den Chefredakteuren im Laufe der Geschichte der Zeitschrift gehörten Julius Becker (1909–1913),[3] Felix Abraham (1913–1914), Hugo Hermann, Leo Hermann (1914–1918), Fritz Löwenstein (1918–1919), Hans Klötzel, Robert Weltsch und Hans Bloch.[4]

Die Jüdische Rundschau erschien ab 1902 zunächst einmal wöchentlich, ab 1919 in drei- bis viertägigem Abstand zweimal pro Woche. 1925 sowie 1936 kehrte sie kurzfristig zur wöchentlichen Erscheinungsweise zurück. Sonderhefte erschienen vor allem ab 1932. Nach der Reichspogromnacht 1938 musste die Zeitschrift ihr Erscheinen einstellen. Nachfolgerin wurde die bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1940 in Paris gedruckte und von dort in 60 Länder vertriebene Jüdische Welt-Rundschau. Sie wurde in Jerusalem von zahlreichen emigrierten Redaktionsmitgliedern der ehemaligen Jüdischen Rundschau gestaltet und von Siegmund Kaznelson verlegt.

Zu den einflussreichsten und wichtigsten Publizisten der Jüdischen Rundschau gehörte der Mitherausgeber Robert Weltsch. Sein Cousin Felix Weltsch, ein enger Freund Franz Kafkas, gab in Prag ab 1919 das tschechoslowakische Zentralorgan der Zionisten, die deutschsprachige Selbstwehr (1907–1938), heraus.

Nach Massenabschiebungen, massivem Ausbau von Konzentrationslagern und mannigfaltigen Diskriminierungen erschien die letzte Ausgabe der Jüdischen Rundschau am 8. November 1938, einen Tag vor der Reichspogromnacht.[5]

Auflagenzahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1926: 10.000[6]
  • 1931: 15.000
  • 1934: 37.000
  • 1935: 37.000
  • 1937: 37.000
  • 1938: 25.300

Namensverwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2014 brachte der deutsch-jüdische Unternehmer Rafael Korenzecher eine jüdische Monatszeitung heraus, die ebenfalls den Namen „Jüdische Rundschau“ trägt.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katrin Diehl: Die „Jüdische Rundschau“. In: dies.: Die jüdische Presse im Dritten Reich: zwischen Selbstbehauptung und Fremdbestimmung. (Zugl.: München, Univ., Diss.) Niemeyer, Tübingen 1997, ISBN 3-484-65117-2, S. 155–186.
  • Michael Nagel: Die „Kinder-Rundschau“, Beilage der „Jüdischen Rundschau“ zwischen 1933 und 1938. In: Michael Nagel (Hrsg.): Zwischen Selbstbehauptung und Verfolgung: deutsch-jüdische Zeitungen und Zeitschriften von der Aufklärung bis zum Nationalsozialismus. Olms, Hildesheim 2002, ISBN 3-487-11627-8, S. 315–350
  • Arndt Kremer: „...wir Juden machen jetzt eine ähnliche Bewegung durch wie Deutschland in den Jahren 1770 bis 1870.“ Das Konzept der sprachbestimmten deutschen Kulturnation und das kulturzionistische Sprachprojekt in der Zeitschrift „Jüdische Rundschau“. In: Eleonore Lappin (Hrsg.): Deutsch-jüdische Presse und jüdische Geschichte: Dokumente, Darstellungen, Wechselbeziehungen. Band 1: Identität, Nation, Sprache – jüdische Geschichte und jüdisches Gedächtnis – der Westen im Osten, der Osten im Westen – Konzepte jüdischer Kultur. 2008, ISBN 978-3-934686-59-5, S. 319–336.
  • Michael Nagel: Jüdische Rundschau. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 3: He–Lu. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02503-6, S. 253–255.
  • Sabrina Schütz: Die Konstruktion einer hybriden „jüdischen Nation“. Deutscher Zionismus im Spiegel der Jüdischen Rundschau 1902 – 1914 (= Formen der Erinnerung, Bd. 68). V & R unipress, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8471-0930-3. Zugl.: Regensburg, Univ., Diss.
  • Simon Justus Walter: Kein Sonderweg des deutschen Zionismus. Die arabische Frage in der „Jüdischen Rundschau“. Düsseldorf, Univ.-Diss. 2019

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Zeitschriften (Judaica) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Alfried Schmitz: Vor 120 Jahren – Der erste zionistische Weltkongress in Basel. In: deutschlandfunk.de. 29. August 2017, abgerufen am 8. September 2022.
  2. Thomas von der Osten-Sacken: Die Jüdische Welt-Rundschau – Eine zionistische Zeitung. In: jewish-life.de. Mai 2002, abgerufen am 8. September 2022.
  3. Susanna Naude: Der Erste Weltkrieg im Spiegel zweier zionistischer Zeitungen (Jüdische Zeitung, Jüdische Rundschau) in Österreich und Deutschland. 2016, S. 11, doi:10.25365/THESIS.45391 (univie.ac.at [abgerufen am 8. September 2022]).
  4. Jüdische Rundschau. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Band 3. He-Lu. Stuttgart 2012, ISBN 978-3-476-01218-0, S. 254 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Jüdische Rundschau, 8. November 1938, Faksimile
  6. John F. Oppenheimer (Red.) u. a.: Lexikon des Judentums. 2. Aufl. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh u. a. 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 897–898.
  7. Thomas Klatt: Neue Zeitung - Antisemitismus aufdecken. In: deutschlandfunkkultur.de. 18. Juli 2014, abgerufen am 17. Februar 2024.