Javier Marías

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Javier Marías

Javier Marías Franco [xaˈβjeɾ maˈɾi.as] (* 20. September 1951 in Madrid; † 11. September 2022 ebenda[1]) war ein spanischer Schriftsteller, Kolumnist und Übersetzer. Zu seinen Werken gehören die Romane El hombre sentimental (1982, deutsch: Der Gefühlsmensch), Todas las almas (1986, deutsch: Alle Seelen) und Corazón tan blanco (1992, deutsch: Mein Herz so weiß), der ein internationaler Erfolg wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Javier Marías Franco wurde 1951 als viertes von fünf Kindern in Madrid geboren. Seine Mutter war die Lehrerin Dolores Franco Manera, sein Vater der Philosoph Julián Marías Aguilera. Der Vater bekannte sich zur Spanischen Republik und wurde deshalb vom Franco-Regime verfolgt, zeitweilig inhaftiert und mit einem Berufsverbot belegt.

Javier Marías wuchs zeitweise in den USA auf. Sein Vater lehrte an verschiedenen Universitäten, darunter in Yale und am Wellesley College. Die Familie lebte dort zeitweilig im Haus des spanischen Schriftstellers Jorge Guillén, wo sie auch Bekanntschaft mit dem Schriftsteller und Schmetterlingsforscher Vladimir Nabokov machte, der ebenfalls dort zu Gast war. 1959 kehrten die Eltern nach Madrid zurück. Javier Marías besuchte in der Folgezeit die liberale Schule Colegio Estudio.

Von 1968 bis 1973 studierte Marías Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität Complutense Madrid. Während seines Studiums war er zeitweise Mitglied einer linksradikalen Gruppierung, die sich Comités de Acción Revolucionaria (Komitee der Revolutionären Aktion) nannte und dem Partido Comunista Internacional angehörte.[2] In den letzten Jahrzehnten engagierte er sich im Parlamento Internacional de Escritores für in Not geratene Intellektuelle und Schriftstellerkollegen, beispielsweise während der Balkankriege und des Tschetschenienkriegs.

Sein erstes Geld verdiente er mit Übersetzungen und Kurzauftritten in Filmen seines Onkels, des Regisseurs Jesús Franco. Ab 1974 lebte er in Barcelona und arbeitete für das Verlagshaus Alfaguara. 1978 zog er wieder nach Madrid. Er schrieb an eigenen Romanen und Erzählungen, übersetzte Literatur, vor allem aus dem Englischen, und veröffentlichte Artikel in Zeitungen und Zeitschriften. Für Marías war Shakespeare lebenslang ein Vorbild, und in sieben seiner insgesamt vierzehn Romane finden sich Zitate aus Shakespeare im Titel.[3] Für die Übersetzung des Tristram Shandy von Laurence Sterne erhielt er 1979 den Preis Premio Nacional de Traducción. 1983 ging Marías nach Oxford, wo er Spanische Literatur und Übersetzung unterrichtete. Im Jahr darauf lehrte er, wie bereits sein Vater, am Wellesley College in Boston. Ab 1986 lebte und arbeitete er in Venedig. 1987 zog er zurück nach Madrid und unterrichtete an der Universität Complutense Madrid.

Marías war Anhänger des Fußballvereins Real Madrid und „König“ der unbewohnten Karibikinsel Redonda.

Er starb im September 2022 im Alter von 70 Jahren an einer durch eine SARS-CoV-2-Infektion verursachten Lungenentzündung.[4]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit elf Jahren begann Marías Geschichten zu schreiben. Im Alter von 15 Jahren stellte er seinen ersten Roman La víspera fertig, der nie veröffentlicht wurde.

1968 druckte die Zeitung El Noticiero Universal seine erste Kurzgeschichte La vida y la muerte de Marcelino Iturriago. Im Sommer 1969 schrieb er in Paris seinen zweiten Roman Los dominios del lobo, der 1971 veröffentlicht wurde. Im nächsten Jahr lernte er den Schriftsteller Juan Benet kennen und schloss sich dessen Autorenkreis an. Mit dem Roman El hombre sentimental (1986 Der Gefühlsmensch) gewann er im Erscheinungsjahr des Werks den Preis Premio Herralde de Novela. Der 1992 erschienene Roman Corazón tan blanco (Mein Herz so weiß) wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt (deutsch 1996) und zu einem Welterfolg. In Deutschland erfuhr der Roman die Anerkennung von Marcel Reich-Ranicki in dessen Fernsehsendung Das Literarische Quartett. Sowohl für Mein Herz so weiß als auch für seinen nächsten Roman Mañana en la batalla piensa en mí (1994, Morgen in der Schlacht denk an mich) wurden ihm zahlreiche Preise zugesprochen. 1997 wurde Marías der Nelly-Sachs-Preis für sein Gesamtwerk verliehen.

Bis 2012 hatten seine Werke eine weltweite Gesamtauflage von über sechs Millionen verkaufter Exemplare erreicht.[5] Sie wurden in 34 Sprachen übersetzt und in über 50 Ländern veröffentlicht.[6]

Romane

Erzählungen

  • 1990: Mientras ellas duermen, dt. als Während die Frauen schlafen. Wagenbach, Berlin 1999, ISBN 3-8031-1183-8 (falsche ISBNs).
  • 1996: Cuando fui mortal, dt. als Als ich sterblich war. Klett-Cotta, Stuttgart 1999, ISBN 3-608-93319-0.
  • 1998: Mala índole
  • 2000: Alle unsere frühen Schlachten. Fußball-Stücke. (Hrsg. von Paul Ingendaay). Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-93554-1
  • 2016: Keine Liebe mehr. Akzeptierte und akzeptable Erzählungen. S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-10-002444-2.

Künstlerporträts

  • 1992: Vidas escritas (erweitert 2000), dt. als Geschriebenes Leben. (Ironische Halbporträts) Klett-Cotta, Stuttgart 2001, ISBN 3-608-93555-X.

Essays

  • 1991: Pasiones pasadas
  • 1993: Literatura y fantasma (erweitert 2001)
  • 1995: Vida del fantasma (erweitert 2001), dt. als Das Leben der Gespenster. Wagenbach, Berlin 2001, ISBN 3-8031-1195-1.
  • 2000: Salvajes y sentimentales (erweitert 2010)
  • 2005: Donde todo ha sucecido.
  • 2008: Aquella mitad de mi tiempo: al mirar atrás.
  • 2010: Los villanos de la nación. Letras de política y sociedad.

Aufzeichnungen

  • 2016: El Quijote de Wellesley. Alfaguara, Madrid 2016.[7]

Kinderbücher
2011: Ven a buscarme.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karen Berg: Javier Marías’s postmodern praxis. Humor and interplay between reality and fiction in his novels and essays. VDM-Verlag, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-3853-7.
  • Isabel Cuñado: el espectro de la herencia. La narrativa de Javier Marías. Rodopi, Amsterdam 2004, ISBN 90-420-1612-4.
  • Kristin Freitag: Das Doppelgängermotiv in der Literatur am Beispiel von Javier Marías Erzählung „Gualta“. GRIN-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-640-27751-3.
  • Alexis Grohmann: Coming into one’s town. The novelistic development of Javier Marías. Rodopi, Amsterdam 2002, ISBN 90-420-1023-1.
  • Cora Heinrich: Die Konstruktion von Identität in den Romanen von Javier Marías. Kovac Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-4013-2 (zugl. Dissertation, Universität Trier 2008).
  • Elide Pittarello: Una entrevista con Javier Marías. Debolsillo, Barcelona 2006, ISBN 978-84-341-3590-1 (Interview).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Javier Marías – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. -: Muere Javier Marías a los 70 años, la incómoda pureza de ser escritor. In: elmundo.es. 11. September 2022, abgerufen am 11. September 2022 (spanisch).
  2. Javier Marías: "Pablo Iglesias es caudillista y megalomaníaco". Interview in: El Mundo, 1. Juni 2016.
  3. "Der ewige Kandidat für den Nobelpreis. Der Bestsellerautor Javier Marías ist im Alter von siebzig Jahren gestorben – er hat Weltliteratur im besten Sinne des Wortes geschrieben." NZZ vom 13. September 2022, S. 31, Michi Strausfeld
  4. Spain: Award-winning author Javier Marias dies aged 70. In: Deutsche Welle. 11. September 2022 (englisch).
  5. Javier Marías: Llevo años esquivando a las instituciones del Estado (Memento vom 23. Oktober 2017 im Internet Archive), elcultural.es, 25. Oktober 2012
  6. Betrayal of a blood brother, guardian.co.uk
  7. Der Ritter lebt fort in: FAZ vom 23. Februar 2017, S. 10
  8. Tagesspiegel vom 26. Oktober 2012 (Memento vom 20. Juli 2013 im Internet Archive), abgerufen am 14. September 2022