Jean-Pierre Léaud

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Jean-Pierre Léaud in Cannes 2016

Jean-Pierre Léaud (* 28. Mai 1944 in Paris) ist ein französischer Filmschauspieler. Berühmt wurde er durch die Verkörperung der Hauptfigur im Antoine-Doinel-Zyklus von Regisseur François Truffaut. Zu Léauds berühmtesten Filmen zählen Sie küssten und sie schlugen ihn (Truffaut, 1959), Masculin – Feminin (Godard, 1966), Geraubte Küsse (Truffaut, 1968), Tisch und Bett (Truffaut, 1970), Die Mama und die Hure (Eustache, 1973) und I Hired a Contract Killer (Kaurismäki, 1990).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Léaud wurde einer der wichtigsten Protagonisten der Nouvelle Vague im französischen Kino der 1960er Jahre. Bereits im Kindesalter wurde er von François Truffaut entdeckt und gefördert. Der Sohn einer Schauspielerin und eines Drehbuchautors konnte sich beim Casting für die Hauptrolle in Truffauts erstem abendfüllenden Spielfilm durchsetzen. Léaud wurde als Antoine Doinel in den Filmen Sie küßten und sie schlugen ihn (1959), Geraubte Küsse (1968), Tisch und Bett (1970) und Liebe auf der Flucht (1979) international bekannt. Begehrt er in seinem Debüt als Kind gegen eine ignorante Umgebung auf, so gerät er in Geraubte Küsse in Liebeswirren mit Freundin Christine Darbon, gespielt von Truffauts Entdeckung Claude Jade. Seitdem eine Chronik des Paares Antoine und Christine, erleben die beiden das Eheleben in Tisch und Bett. Im letzten Film des Zyklus, Liebe auf der Flucht, lassen sich Antoine und Christine scheiden, bleiben aber Freunde. Die beiden Figuren Antoine und Christine gleichen sich in ihrer Naivität; während Christine mit der Zeit reifer wird, bleibt Antoine auch im Erwachsenenalter kindlich. Zartheit mit einer Neigung zu Exzentrik und Poesie zeichnen Antoine aus, der zu einer Symbiose aus Truffaut, Doinel und Léaud selbst wird. Der Zyklus, der sich über 20 Jahre erstreckt, ist in der Filmgeschichte einmalig. Auch privat war Truffaut mit seinen Helden verbunden: Jade wollte er heiraten, nannte sie später „meine dritte Tochter“ und blieb ihr freundschaftlich verbunden, und Léaud wohnte eine Zeitlang bei seinem filmischen Ziehvater.

Léaud spielte in Jean-Luc Godards Masculin – Feminin oder: Die Kinder von Marx und Coca-Cola (1966) und erhielt einen Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller bei der Berlinale 1966. Der Film Der Start von Jerzy Skolimowski mit Léaud in der Hauptrolle gewann einen Goldenen Bären als bester Film bei den Berliner Filmfestspielen 1967.

In der Phase der Zusammenarbeit mit Godard (Die Chinesin, Made in USA, Die fröhliche Wissenschaft) wurden Léauds Figuren kälter und zeichneten sich, andere als in den Truffaut-Filmen, durch eine humorlose Distanziertheit aus. Léaud wurde zum Spielball eines jahrelangen Streits der einstigen Freunde Truffaut und Godard, was der Film Godard trifft Truffaut im Jahr 2011 thematisierte. Auch Léaud neigte zu Ausbrüchen, etwa bei der Arbeit an Marcel Cravennes L’éducation sentimentale (1973).

Mit Truffaut arbeitete Léaud neben den Doinels auch in den Filmen Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent (1972) und Die amerikanische Nacht (1973), wobei der Alphonse in Letzterem ein Double Doinels war und sich in Rückblenden im letzten Doinel-Abenteuer Liebe auf der Flucht wiederfindet: So schneidet Truffaut in einen Streit der Figuren Alphonse (Léaud) und Liliane (Dani) Zwischenschnitte auf Christine (Claude Jade), die den Streit schlichtet, sodass auch Alphonse ein Teil der fiktiven Biographie Doinels wird.

Neben Truffaut und Godard arbeitete Léaud mit weiteren Größen des Autorenfilms: Bernardo Bertolucci engagierte ihn 1972 für das Erotikdrama Der letzte Tango in Paris als Maria Schneiders Regisseursfreund Tom. Avantgardistisch arbeitete er in den Autorenfilmen von Jacques Rivette und Jean Eustache. Eustaches Die Mama und die Hure zählt neben Geraubte Küsse zu seinen wichtigsten Filmen. Weitere wichtige Regisseure sind Pier Paolo Pasolini (Der Schweinestall) und Glauber Rocha (Der Löwe mit den sieben Köpfen).

1975 drehte Léaud einen Film in Deutschland. Die Gangstersatire Umarmungen und andere Sachen wurde unter der Regie von Jochen Richter in einem Bergdorf in Bayern gedreht. Co-Produzent dieses Films war Bernd Eichinger. Doch reine Kommerzfilme wie dieser blieben die Ausnahme in Léauds Schaffen. In den 1980er-Jahren wurde es ruhiger um Léaud, vor allem da das Autorenkino der Nouvelle Vague an Bedeutung verloren hatte und der Schauspieler für seinen üblichen Rollentypus des rebellischen jungen Mannes allmählich zu alt wurde.[1] Nach Truffauts Tod 1984 wollte sich Daniel Cohn-Bendit 1986 mit einer Fortsetzung der Antoine-Doinel-Reihe als Filmemacher etablieren und kontaktierte Claude Jade, die Léauds Partnerin in drei Filmen der Reihe gewesen war. Das Projekt kam nicht zustande. Zu einer Zusammenarbeit zwischen Cohn-Bendit und Léaud kam es schließlich 1991 bei dem wenig beachteten Film C’est la vie.[2]

1990 feierte Léaud ein Comeback in I Hired a Contract Killer unter der Regie von Aki Kaurismäki. Seitdem ist er gelegentlich Hauptdarsteller in Filmen junger Regisseure, so 2001 in dem französisch-kanadischen Film Der Pornograph von Bertrand Bonello. Des Weiteren übernahm er zahlreiche Nebenrollen oder selbstreferenzielle Cameo-Auftritte, Letzteres etwa in Tsai Ming-liangs What Time Is It There? (2001) und Bernardo Bertoluccis Die Träumer (2003). Im Jahr 2011 übernahm Léaud eine kleine Rolle in einem weiteren Film von Kaurismäki, Le Havre, der auf dem Filmfestival von Cannes uraufgeführt wurde. 2016 spielte er unter der Regie von Albert Serra in Der Tod von Ludwig XIV. den sterbenden König Ludwig XIV. und erhielt herausragende Kritiken für seine Altersrolle.[3][4]

Im Jahr 2000 erhielt er einen Ehren-César. 2016 wurde ihm die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes für sein Lebenswerk zuerkannt.[5]

Léaud ist mit der Schauspielerin Brigitte Duvivier verheiratet.[6][7]

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jean-Pierre Léaud mit dem César-Ehrenpreis im Jahr 2000

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jean-Pierre Léaud – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gerd Bauder: Jean-Pierre Léaud wird 60: Der letzte Träumer des europäischen Kinos. In: Der Spiegel. 5. Mai 2004, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 21. September 2023]).
  2. C'est la vie. Abgerufen am 21. September 2023.
  3. Frédéric Jaeger: Der Tod von Ludwig XIV. mit Jean-Pierre Léaud: Eine Legende rafft es dahin. In: Der Spiegel. Abgerufen am 31. August 2020.
  4. Schwarze Sonne. In: Der Tagesspiegel. Abgerufen am 31. August 2020.
  5. The honory Palme d'or awarded to Jean-Pierre Léaud bei festival-cannes.com, 10. Mai 2016 (abgerufen am 10. Mai 2016).
  6. Raphael Clairefond: Jean-Pierre LEAUD : "J'ai choisi le camp des intellectuels". In: sofilm. 1. Juli 2015, abgerufen am 21. September 2023 (französisch).
  7. Jean-Pierre Léaud: Eine Begegnung mit dem Gesicht der Nouvelle Vague. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 21. September 2023]).