Jean Gilbert

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Jean Gilbert, 1913

Jean Gilbert (eigentlich Max Winterfeld; * 11. Februar 1879 in Hamburg; † 20. Dezember 1942 in Buenos Aires) war ein deutscher Komponist und Dirigent.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jean Gilbert wuchs in einer Hamburger Familie auf, in der fast alle männlichen Mitglieder Sänger, Schauspieler oder Musiker waren. Sein Vater war der Kaufmann David Winterfeld. Sein Onkel Bernhard Dessau, der Bruder seiner Mutter, war Konzertmeister der Kgl. Preußischen Hofkapelle und der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, der Komponist Paul Dessau war sein Cousin und Sohn des Zigarrenfabrikanten Sally Dessau. Die künstlerisch veranlagten Verwandten förderten die zeitig erwachte Neigung des jungen Jean Gilbert zur Musik. Er erhielt Klavierunterricht und debütierte als Pianist mit fünfzehn Jahren.[1]

Zwischen 1894 und 1897 studierte er Musik, zunächst in Kiel, Weimar und Sondershausen, später am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium bei Philipp Scharwenka in Berlin. Dieser erteilte ihm Unterricht in Kompositionslehre. Mit 18 Jahren wurde er Kapellmeister in Bremerhaven. Ein Jahr später wechselte er nach Hamburg ins Carl-Schultze-Theater und mit 20 Jahren als Nachfolger von Leo Fall an die Zentralhalle in Hamburg zu Direktor Ernst Drucker. Dieser ließ ihn eine Vaudeville-Operette nach einem französischen Sujet komponieren (Das Jungfernstift). In diesem Zusammenhang nahm er auf Anraten Druckers den französischen Künstlernamen Jean Gilbert an. Mit 21 Jahren heiratete er die Hamburger Kaufmannstochter Rosa Wagner. Zur selben Zeit absolvierte er seinen Militärdienst beim 2. Hanseatischen Infanterieregiment Nr. 76.[1]

Nach einer Kapellmeisterstation am Berliner Apollo-Theater, wo er Paul Lincke kennenlernte und dessen Operetten dirigierte, unternahm er als Konzertdirigent eine große Tournee durch Deutschland, Italien, Frankreich und Skandinavien. 1908 ging er nach Düsseldorf und begann wieder für die Bühne zu komponieren. 1909 kam in Cottbus seine Vaudeville-Posse Polnische Wirtschaft heraus. 1910 ließ er sich in Berlin nieder. Seine bekannteste Operette ist Die keusche Susanne (1910), sein bekanntestes Lied Puppchen, du bist mein Augenstern (1912) aus der dreiaktigen Posse mit Gesang und Tanz Puppchen. 1913 wurde er für kurze Zeit von der Filmproduktionsfirma Literaria Film unter Vertrag genommen.[2]

Als Jude ging er 1933 in die Emigration, zuerst nach Madrid, dann über Paris 1939 nach Argentinien. Dort leitete er das Orchester der Rundfunkstation LR 1 Radio El Mundo.

Sein Sohn Robert Gilbert war ebenfalls Komponist und Verfasser von Gesangstexten (Im weißen Rößl). Er wurde auch als deutscher Übersetzer und Bearbeiter bekannt (u. a. bei den Musicals Can-Can, My Fair Lady, Hallo, Dolly! und Cabaret).

Ein weiterer Sohn war der Kinder- und Jugendbuchautor Henry Winterfeld.

In Hamburg-Altona ist nach ihm seit 1948 die Gilbertstraße benannt, die zuvor Gustavstraße geheißen hatte.

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Jungfernstift. (französisch: L'alliance des vierges), Vaudeville-Operette in vier Akten, nach einer Idee von Paul de Kock, Text: Ernest Guinot alias Ernst Ritterfeldt (1869–1930) und der Musik von Jean Gilbert, deutscher Text: Bernhard Ratsteden, uraufgeführt am 8. Februar 1901 am Centralhallen-Theater in Hamburg, Louis Oertel, Hannover, 1901[Digitalisat 1][1] OCLC 314296445
  • Mein Goldkäppchen „Es tragen Hollands schöne Frauen“, Secessionsgesang, Walzerlied von Martin Rüthers, Dreissig, Hamburg, 1901 OCLC 254282122
  • Der Prinzregent, Operette in drei Akten, Text: Hans Forsten, Hamburg, 1902
  • Jou-Jou. Vaudeville in vier Akten, Text: Hans Bucholz, Hamburg, 1903
  • Onkel Casimir, Operette in einem Akt, Text: Georg Okonkowsky, Düsseldorf, 1908 OCLC 179715906
  • Polnische Wirtschaft. Vaudeville-Posse in drei Akten, Text: Curt Kraatz und Georg Onkowski, Cottbus, 1909. Für das Thalia-Theater bearbeitet von Jean Kren mit Gesangstexten von Alfred Schönfeld.[Digitalisat 2]
  • Die keusche Susanne. Operette in 3 Akten, Text: Georg Okonkowski, Magdeburg, 1910
  • Autoliebchen. Musikalische Posse.
  • Blondinchen. Musikalische Posse.
  • Die Braut des Lucullus. Operette in drei Akten.
  • Die Dame mit dem Regenbogen. Operette in drei Akten (7 Bilder).
  • Die Dose Sr. Majestät. Operette in drei Teilen.
  • Hotel Stadt Lemberg. Musikalisches Schauspiel in drei Akten und einem Nachspiel.
  • Die Kino-Königin. Operette.
  • Der Lebenskünstler. Burleske Oper in drei Akten.
  • Puppchen. Musikalische Posse.
  • Reise um die Welt in 40 Tagen. Revue.
  • Die Tangoprinzessin. Posse.
  • Die Frau im Hermelin. Operette in drei Akten.
  • Katja, die Tänzerin. Operette in drei Akten, 1923, Wien.
  • Der Gauklerkönig. Operette, 1923
  • Il violinista di Lugano. Operette, 1924
  • Die Dame mit dem Regenbogen. Operette, 1933.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ernst Waeltner: Gilbert, Jean. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 391 (Digitalisat).
  • Giuseppe Muscardini. Jean e Robert Gilbert, musicisti cosmopoliti nel Ticino. In: Il Cantonetto Anno LXVII, Lugano, Luglio 2020, S. 15–23.
  • Martin Trageser: Millionen Herzen im Dreivierteltakt. Die Komponisten des Zeitalters der „Silbernen Operette“. Königshausen und Neumann, Würzburg 2020, ISBN 978-3-8260-6924-6, S. 211–234.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jean Gilbert – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Digitalisate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das Junfernstift, Textbuch als Digitalisat in der Library of Congress
  2. Polnische Wirtschaft, Textbuch als Digitalisat der Universitätsbibliothek Frankfurt

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Stefan Frey: Jean Gilbert. In: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit. Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hg.) Universität Hamburg, 2008, abgerufen am 25. März 2022.
  2. Lichtspiele. Der Kino in Deutschland bis 1914, Herbert Birett, Seite XXXV, Q-Verlag München, 1994