Johann Gottfried Langermann

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Johann Gottfried Langermann, frühes 19. Jahrhundert

Johann Gottfried Langermann (* 8. August 1768 in Maxen bei Dresden; † 5. September 1832 in Berlin) war ein deutscher Hebammenlehrer, Psychiater und reformierender preußischer Staatsrat.[1][2] Er wurde als „erster Irrenarzt Deutschlands“[3] und „Protagonist der ethischen Psychiatrie“[4] bezeichnet. In Bayreuth richtete er die erste moderne psychiatrische Heilanstalt Deutschlands ein.[5]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Langermann besuchte die Kreuzschule in Dresden.[2] Er studierte als Bauernsohn ab 1789 mit Hilfe eines Mäzens am sächsischen Hof an der Universität Leipzig Jura und Theologie. Dort forderte er Universitätsreformen und musste aus diesem Grund, von der Verwaltung gezwungen, die Universität wechseln.[6]

Zeitweise war er als Hauslehrer bei Kaufmann Röder in Leipzig tätig.[2] Durch Johann Gottlieb Fichte kam er seit 1794 an der Universität Jena zur Philosophie, durch den königlich-preußischen Hofarzt Christoph Wilhelm Hufeland zur Medizin. Hier unterrichtete er Novalis (alias: Friedrich von Hardenberg) und nahm persönliche Beziehungen zu Goethe, Schiller und Haydn auf. 1797 schrieb er eine Dissertation zum Thema der zeitgenössischen psychiatrischen Diagnose und Behandlung.[2][6][7] Er wurde im gleichen Jahr an der Universität Leipzig promoviert und eröffnete darauf eine Praxis in Bayreuth.[8] Danach war er Arzt im Zucht- und Irrenhause zu Torgau, kehrte aber von dort wieder nach Bayreuth zurück.[2]

Im Jahre 1804 legte Langermann den 1803 von Karl August von Hardenberg (1750–1822) angeforderten Plan »die Veränderungen in dem Bayreuther Irrenhaus betreffend« vor.[2][6] Im Februar 1805 stimmt Hardenberg in einer Verfügung an die Kammer von Bayreuth Langermann in den meisten Punkten zu.[6] Ab 1805 verwandelte dieser als Direktor der Entbindungs- und Irrenanstalt St. Georgen bei Bayreuth das Irrenhaus in eine vorbildliche „psychische Heilanstalt für Geisteskranke“.[1] Er befreite dort die Kranken von ihren Ketten.[9] Dennoch waren seine „moralischen“ Behandlungsprinzipien von größtem Rigorismus geprägt und ließen ggf. auch Züchtigungen, glühende Eisen und andere Torturen zu.[6]

Als Bayreuth 1810 an Bayern abgetreten wurde, verließ Langermann die Anstalt, welche einen weitverbreiteten Ruf genoss, und zog nach Berlin.[2] Karl August von Hardenberg nahm Langermann hier ins Medizinalkollegium auf. Er schätzte ihn und seine Rechtskenntnisse. Er wurde als Staatsrat im Ministerium des Innern angestellt. 1819 trat er ins Zensurkollegium ein.[6] Man betraute ihn im gleichen Jahre auch mit der Reorganisation und Leitung der Tierarzneischule, welche 1789 errichtet worden war.[2][6] Bei seinem Tod war er Chef des gesamten preußischen Medizinalwesens. Als Todesursache wird eine „Atheromatose“ berichtet.[2]

Leistungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Dissertation Langermanns De methodo cognoscendi curandique animi morbos stabilienda. (1797) enthält in der Einleitung große Auszüge zur Animismus-Theorie von Georg Ernst Stahl (1660–1734), einer Theorie, der Langermann ohne Vorbehalte zustimmte. Sie ist bei ihm gewiss Ausdruck des deutschen Idealismus.[9] Bereits die Lehre Stahls wurde im Ausland nur unter Vorbehalten angenommen, vgl. auch Psychodynamismus. In der Dissertation sind auch Abhandlungen zur moralischen Behandlung enthalten. Diese Dissertation blieb die einzige psychiatrische Schrift von Langermann.

Langermann gab eine Schrift von August Friedrich Schweigger „Über Kranken- und Armenanstalten zu Paris 1808“ heraus und versah sie mit Zusätzen.[2] Eine Arbeit über das Gelbfieber ist Freiherr vom Stein (1757–1831) gewidmet.[6]

Langermann wird zu den namhaften Vertretern der Psychiker gezählt.[8][1] Er gründete die psychiatrischen Anstalten Siegburg (1820, eröffnet 1825) und Leubus (1830) in Schlesien.[8] Es zählt zu Langermanns Verdiensten, die überwiegend theoretischen Auffassungen der Romantischen Medizin über das Wesen psychischer Krankheit in die Praxis umgesetzt zu haben.[2] Am 1. Januar 1811 wurde er zum Mitglied (Matrikel-Nr. 1038a) der Leopoldina gewählt.

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • De methodo cognoscendi curandique animi morbos stabilienda. 1797. (Dissertation).
  • Bericht des Medicinal-Raths Dr. Langermann, die Veränderungen in dem Bayreuther Irrenhaus betreffend. Bayreuth, (28. Mai) 1804.
  • Über den gegenwärtigen Zustand der psychischen Heilmethoden der Geisteskrankheiten und über die erste zu Bayreuth errichtete psychiatrische Heilanstalt. In: Medizinisch-chirurgische Zeitung. Band 4, 1805, S. 90–93.
  • Als Herausgeber von: August Friedrich Schweigger. Über Kranken- und Armen-Anstalten zu Paris. J. A. Lübeck, Bayreuth 1809. Darin S. 153 ff. Kommentar zum französischen Hospiz zu Charenton (Digitalisat).

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Pilzgattung Langermannia wurde ihm zu Ehren benannt.[10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Peters, Uwe Henrik: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. Urban & Schwarzenberg, München 31984; Wörterbuch-Stw. „Langermann, Johann Gottfried“: (a) zu „Lebensdaten“: S. 326 (b)  zu „Umwandlung der Anstalt Bayreuth“: S. 326; (c)  zu „Psychiker-Vertreter“: S. 326.
  2. a b c d e f g h i j k Bandorf, Melchior Josef: Langermann, Johann Gottfried. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 17, Duncker & Humblot, Leipzig 1883, S. 682 f.
  3. Paul Diepgen: Geschichte der Medizin. Die historische Entwicklung der Heilkunde und des ärztlichen Lebens. Band I–II/2. Berlin/ New York 1949–1955, Band II/1, S. 59.
  4. Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. 2. Auflage Frankfurt am Main 1984, S. 230.
  5. Dieter Jetter: Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses. Darmstadt 1981, S. 119–122.
  6. a b c d e f g h Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. Fischer Taschenbuch, Bücher des Wissens, Frankfurt am Main 1969, 1975, ISBN 3-436-02101-6. (a) zu Stw. „Studium in Leipzig“: S. 243; (b) zu Stw. „Fichte, Hufeland, Novalis“: S. 243; (c-d) zu Stw. „K. A. von Hardenberg“: S. 244 f.; (e) zu Stw. „moralisch-pädagogischer Rigorismus“: S. 244; (f-g) zu Stw. „Langermann in Berlin“: S. 243; (h) zu Stw. „Arbeit über Gelbfieber“: S. 243.
  7. Johann Gottfried Langermann: De methodo cognoscendi curandique animi morbos stabilienda. Medizinische Dissertation, Jena 1797.
  8. a b c Rudolf Degkwitz u. a. (Hrsg.): Psychisch krank. Einführung in die Psychiatrie für das klinische Studium. Urban & Schwarzenberg, München 1982, ISBN 3-541-09911-9. - (a) zu Stw. „Promotion und Praxiseröffnung“: S. 471b; (b) zu Stw. „Langermann als Vertreter der Psychiker“: Seite 451a; (c) zu Stw. „Anstaltsgründungen“: S. 472a.
  9. a b Erwin H. Ackerknecht: Kurze Geschichte der Psychiatrie. 3. Auflage. Enke, Stuttgart 1985, ISBN 3-432-80043-6; (a) zu Stw. „Befreiung“: Seite 34 f.; (b) zu Stw. „geistesgeschichtliche Einordnung“: S. 36, 39.
  10. Lotte Burkhardt 2022: Eine Enzyklopädie zu eponymischen Pflanzennamen: Von Menschen & ihren Pflanzen – Berlin: Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin. – doi:10.3372/epolist2022, Berlin 2022.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]