Johann Joachim Spalding

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Johann Joachim Spalding, Gemälde von Christian Bernhard Rode, 1762, Gleimhaus Halberstadt
Bildnis Spaldings, 1777, Marienkirche Barth

Johann Joachim Spalding (* 1. November 1714 in Tribsees, Schwedisch-Pommern; † 22. Mai 1804 in Charlottenburg bei Berlin) war ein deutscher protestantischer Theologe, Kirchenlieddichter, Popularphilosoph und der wichtigste Vertreter der Neologie in der Zeit der Aufklärung.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spalding hatte schottische Vorfahren und war der Sohn des Pastors von Tribsees in Schwedisch-Pommern. Nach erstem Unterricht zu Hause durch seinen Vater besuchte er das Sundische Gymnasium in Stralsund. Anschließend studierte Spalding bis 1734 an den Universitäten Rostock[1] und Greifswald Philosophie, Theologie und alte Sprachen.

Einige Zeit verdiente sich Spalding seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer und bereitete sich auf seine Promotion vor. Nachdem er den Titel Dr. theol. verliehen bekommen hatte, bekam er 1735 eine Anstellung als Hilfsprediger in seiner Heimatstadt.

1745 avancierte Spalding in Berlin zum Sekretär des schwedischen Gesandten von Rudenskjöld. 1748 erschien Spaldings erstes Werk Betrachtung über die Bestimmung des Menschen anonym in Greifswald. Es kann heute mit Recht als Manifest der deutschen Aufklärungstheologie angesehen werden. Spaldings Büchlein ist als innerer Monolog konzipiert und verzichtet völlig auf christliche Offenbarung und dogmatische Autorität. Es stellt dar, wie ein Individuum über „Sinnlichkeit“, „Vergnügen des Geistes“, „Tugend“ und „Religion“ schließlich selbst zur Einsicht gelangt, zur „Unsterblichkeit“ bestimmt zu sein.

Lassan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im April 1749 wurde Spalding als Pastor nach Lassan berufen. Am 12. April schrieb er einen Brief an Johann Wilhelm Ludwig Gleim: „...ein Amt hab’ ich nun endlich, da ich vor zwey Tagen die Königliche Vollmacht auf das Pastorat zu Lassahn (einer kleinen Stadt nicht weit von Anklam) aus Schweden erhalten habe. Vielleicht bin ich in einigen Wochen ein Priester in aller Form; aber ein Priester in einer kleinen Stadt![2] Er heiratete Wilhelmine Gebhardi (1734–1762) aus Stralsund, Enkelin des Greifswalder Professors Heinrich Brandanus Gebhardi. Das Ehepaar hatte drei Söhne und drei Töchter, darunter den späteren Juristen Karl August Wilhelm Spalding (1760–1830), den Philologen Georg Ludwig Spalding, der Professor am Grauen Kloster war, und Johanna Wilhemine Spalding, die später den Theologen Friedrich Samuel Gottfried Sack heiratete.

Johann Heinrich Füssli, Felix Hess und Johann Caspar Lavater zu Gast bei Spalding im Sommer 1763

Barth[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1757 ließ sich Spalding als Prediger in Barth nieder. 1762 starb seine Ehefrau; nach einer angemessenen Trauerzeit heiratete er in zweiter Ehe Maria Dorothea von Sodenstern. Im Sommer 1763 waren Johann Heinrich Füssli, Felix Hess und Johann Caspar Lavater aus Zürich einige Zeit bei Spalding zu Gast. In diesem helvetisch-deutschen Dialog wurden die Konsequenzen aus Spaldings Aufklärungstheologie diskutiert, die zu Toleranz und pluralistischen Anschauungen in der Verkündigung der christlichen Botschaft ermunterte. Das Treffen gab Impulse für aufklärerische Ideen in ganz Europa.

Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1764 berief König Friedrich II. Spalding als Propst an die St. Nicolai-Kirche in Berlin und ernannte ihn zum Konsistorialrat. Dort und auch in der nahen Kirche St. Marien gewann Spalding bald schon durch seine Predigten an Einfluss und wurde weit über die Stadtgrenzen hin bekannt. Beruflich orientierte er sich an den Theologen August Friedrich Sack und Siegmund Jacob Baumgarten und wurde dadurch ebenfalls zum Vordenker der Aufklärung. Bedingt durch das Wöllnersche Religionsedikt von 1788 legte Spalding alle seine Ämter nieder und begann nun vermehrt, seine Ideen zu veröffentlichen.

1774 verstarb seine zweite Ehefrau, und im darauffolgenden Jahr heiratete er Maria Charlotte Lieberkühn. Im Alter von nahezu 90 Jahren starb Johann Joachim Spalding am 22. Mai 1804 in Charlottenburg bei Berlin.

Anton Graff: Johann Joachim Spalding im Hausrock, 1800

Lehre und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in Greifswald machte ihn Peter Ahlwardt mit den Werken des Philosophen Christian Wolff bekannt, dessen Theorien sich Spalding zu eigen machte und weiterentwickelte. Aber auch mit dem Werk der englischen Deisten, unter ihnen Joseph Butler, Francis Hutcheson und Shaftesbury, setzte sich Spalding auseinander und übersetzte sie teilweise. Spaldings Zweifel an der Orthodoxie führten schließlich zur Neologie, deren wichtigster Vertreter er später wurde. Als solcher bekämpfte er auch vehement Julien Offray de La Mettrie und dessen Materialismus.

Zeitlebens praktischen Interessen verpflichtet, verwarf er in seiner 1772 erschienenen, von Johann Gottfried Herder heftig kritisierten Nutzbarkeit des Predigtamts alle hierarchisch-sakramentalen Anschauungen von Kirche und geistlichem Amt, um stattdessen das „Predigtamt“ als Dienst an der öffentlichen Sittlichkeit zu kennzeichnen. Abschließend zusammengefasst hat Spalding sein bis zur Identifikation gehendes Verständnis von Religion und Moral 1797 unter dem Titel Religion, eine Angelegenheit des Menschen.

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Cypressen des nachgeborenen pommerschen Dichters Karl Lappe heißt es: „Neunzig Jahre des Ruhms gab dir ein freundliches Schicksal, würdigster Greis! Lehrer, der fromm belehrt, schön vom Werth der Gefühle, schön von Menschenbestimmung spricht! // Stolz sei, kleines Tribsees, über den großen Sohn! Sein gedenke Lassan! Rühme dich seiner, Barth! Soll nur Ausland verehren, wo wir selber die Erben sind?“[3]

Zu seinem 300. Geburtstag ernannte ihn die Stadt Tribsees posthum zu ihrem Ehrenbürger und benannte eine Straße nach ihm.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wolfgang Erich Müller (Hrsg.): Die Bestimmung des Menschen. Waltrop 1997. ISBN 3-927718-78-5 .
  • Wolfgang Erich Müller (Hrsg.): Religion : eine Angelegenheit des Menschen. Darmstadt 1998. ISBN 3-534-13641-1 .
  • Georg Ludwig Spalding (Hrsg.): Lebensbeschreibung von ihm selbst aufgesetzt. Halle: Buchhandlung des Waisenhauses 1804.
  • Briefe von Herrn Spalding an Herrn Gleim. Frankfurth und Leipzig. 1771 (Digitalisat)
  • Johann Joachim Spalding: Gedanken über den Werth der Gefühle in dem Christenthum. Frankfurt und Leipzig 1787 Digitalisat

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Albrecht Beutel: Johann Joachim Spalding. Populartheologie und Kirchenreform im Zeitalter der Aufklärung. In: Peter Walter, Martin H. Jung (Hrsg.): Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung. Darmstadt 2003, S. 226–243.
  • Albrecht Beutel: Aufklärer höherer Ordnung? Die Bestimmung der Religion bei Schleiermacher (1799) und Spalding (1797). In: Ders.: Reflektierte Religion. Beiträge zur Geschichte des Protestantismus. Tübingen 2007, S. 266–298.
  • Albrecht Beutel: Herder und Spalding. Ein theologiegeschichtlicher Generationenkonflikt. In: Ders.: Reflektierte Religion. Beiträge zur Geschichte des Protestantismus. Tübingen 2007, S. 237–265.
  • Albrecht Beutel: Spalding, Johann Joachim. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 615–617 (Digitalisat).
  • Johannes Birgfeld: Johann Joachim Spalding’s 1778 Kriegs-Gebeth: Church Prayers (Kirchengebete), War Prayers (Kriegsgebete), and the Patriotic and National Discourse in Late Eighteenth-Century Germany. In: Nationalism before the Nation State. Ed. by Dagmar Paulus and Ellen Pilsworth. Leiden, Boston 2020, S. 9–31.
  • Ludwig Coenen: Studien zur Anthropologie und zur Religions-Philosophie von Johann Joachim Spalding. Lit, Berlin 2018, ISBN 978-3-643-14187-3.
  • Thomas K. KuhnSpalding, Johann Joachim. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10, Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 868–870.
  • Verena Look: Johann Joachim Spalding (1714–1804). Populartheologie im Zeitalter der Aufklärung. In: Albrecht Beutel (Hrsg.): Protestantismus in Preußen. Vom 17. Jahrhundert bis zum Unionsaufruf 1817. Leipzig 2009, S. 207–226.
  • Hans Nordmann: Johann Joachim Spalding. Ein Bild aus dem geistigen Ringen der deutschen Aufklärung. Univ.Diss. Berlin 1929.
  • Hermann PetrichSpalding, Johann Joachim. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 35, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 30 f.
  • Josef Schollmeier: Johann Joachim Spalding. Ein Beitrag zur Theologie der Aufklärung. Mohn, Gütersloh 1967.
  • Andreas Urs Sommer: Sinnstiftung durch Individualgeschichte. Johann Joachim Spaldings Bestimmung des Menschen. In: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte. Bd. 8 (2001), S. 163–200.
  • Caroline Tippmann: Die Bestimmung des Menschen bei Johann Joachim Spalding. Leipzig 2012.
  • Gerd-Helge Vogel: Aufklärung in Barth. Zur 250. Wiederkehr des helvetisch-deutschen Dialogs zwischen Johann Joachim Spalding, Johann Caspar Lavater, Johann Heinrich Füssli und Felix Heß in Barth in den Jahren 1763/64. Ludwig, Kiel 2014, ISBN 978-3-86935-231-2.
  • Reinhart Würkert: Spalding, Johann Joachim (1714–1804). In: Dirk Alvermann, Nils Jörn (Hrsg.): Biographisches Lexikon für Pommern, Bd. 3. Böhlau, Wien, Köln, Weimar 2019 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern Forschungen zur Pommerschen Geschichte; 48,3), ISBN 978-3-412-50072-6, S. 302–306.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Johann Joachim Spalding – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siehe dazu den Eintrag der Immatrikulation von Johann Joachim Spalding im Rostocker Matrikelportal
  2. Briefe von Herrn Spalding an Herrn Gleim, Frankfurt und Leipzig 1771, S. 53.
  3. Karl Lappe: Blüthen des Alters. In Commission der Löfflerschen Buchhandlung, Stralsund 1841, S. 160.