Josef Pieper

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Josef Pieper (* 4. Mai 1904 in Elte; † 6. November 1997 in Münster) war ein deutscher christlicher Philosoph des 20. Jahrhunderts.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Josef Piepers Grab in Münster

Pieper studierte von 1923 bis 1928 an den Universitäten Berlin und Münster Philosophie, Rechtswissenschaft und Soziologie. Ein für ihn entscheidender Lehrer war Erich Przywara.[1] Seine Promotion erfolgte im Februar 1928.[2]

Nach Tätigkeiten als Soziologe und freier Schriftsteller war Pieper ab 1946 zugleich Professor an der Pädagogischen Hochschule in Essen (bis 1972) und ordentlicher Professor für philosophische Anthropologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er lehrte dort von 1946 als Privatdozent und als Professor von 1950 bis 1972. Nach seiner Emeritierung hielt er bis 1996 Vorlesungen.[3]

Pieper heiratete im April 1935 Hildegard Münster. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, darunter der Sozialwissenschaftler Michael Pieper.[4] Sein Grab befindet sich auf dem Zentralfriedhof in Münster.

Piepers Ansichten wurzeln – wie sein Ideenfundus – vor allem in der Scholastik Thomas von Aquins sowie in der Lehre Platons. In sechzig Jahren Arbeit als Philosoph und Schriftsteller hat Pieper das Ziel verfolgt, die Weisheitstradition des Abendlandes in klarer Sprache zu vermitteln und ihre bleibende Aktualität aufzuzeigen. In den 1960er Jahren versuchte er mit den drei Fernsehspielen Der Tod des Sokrates, Platons Gastmahl und Kümmert euch nicht um Sokrates, die Gestalt des antiken Denkers einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen.

Rolle im Nationalsozialismus

Der Philosoph Kurt Flasch sieht in einer Schrift Piepers aus dem Jahr 1934 eine Unterstützung der nationalsozialistischen Sozialpolitik. Flasch schränkt jedoch ein, dass bei Pieper „nur in seiner Denkwelt der Jahre 1933 und 1934“ Versuche sichtbar würden, auf diesem Gebiet als „Brückenbauer“ zwischen Katholizismus und dem NS-Staat zu wirken.[5] Pieper habe in der Frühphase des NS-Regimes „die ethisch richtige Absicht des Nationalsozialismus klar[gestellt] und [...] den zögernden Katholiken die gleichgerichtete Soziallehre der Enzyklika Quadragesimo anno von 1929“ erklärt und so an seiner Wirkungsstätte Münster in Gemeinschaft mit den vorgenannten Gelehrten dazu gedient, „den Münsteraner Katholiken die Distanz zum Nationalsozialismus aus[zu]reden“.

Mit Schmaus und Lortz habe Pieper darin übereingestimmt, dass „Hitler und der Papst [...] dieselben Hauptfeinde“ hätten, namentlich „rechts den Liberalismus, dieses Erbübel der Moderne, das der gegenwärtigen Krise zugrunde liege, und links den Bolschewismus, vor dem Hitler uns gerettet habe“. „Er, Pieper, beweise den katholischen Christen die identische Zielsetzung Hitlers und des Papstes.“ So heißt es in Piepers Buch Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo anno (1934): „Die sehr weitreichenden, in einzelnen Punkten erstaunlichen Übereinstimmungen zwischen dem Richtbild der Enzyklika und den sozialpolitischen Zielen und Verwirklichungen des nationalsozialistischen Staates sollen deswegen so nachdrücklich verdeutlicht werden, damit den katholischen Christen außerhalb der NSDAP die Brücke sichtbar werde, die das Gedankengut der christlichen Soziallehre verbindet mit der nationalsozialistischen Sozialpolitik, dem Kernstück der Innenpolitik des dritten Reiches.“[6] Hans Maier schrieb in einer Rezension, dass Flasch in seiner Schrift über Pieper die Vermutung widerlege, dass dieser ein „Wegbereiter des Nationalsozialismus“ gewesen sei. Pieper habe dem NS-Staat „keine Anstöße, keine Anregungen“ gegeben, sich aber anfänglich von nationalsozialistischen Versuchen täuschen lassen, den kriminellen Charakter dieses Staates zu verbergen.[7]

Pieper erkannte unmittelbar nach Veröffentlichung des Buches Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo seinen Irrtum und bat den Verlag bereits am 21. Juli 1934 und wieder am 22. September, von einer Neuauflage abzusehen.[8] Laut Hans Maier habe sich Pieper rasch von seinem Text bzw. von seiner positiven Bewertung der NS-Sozialpolitik distanziert.[9] In seinem ebenfalls 1934 erschienenen Werk über die Kardinaltugend der Tapferkeit warnte Pieper unter Bezugnahme auf die Verhältnisse in Deutschland bereits vor einem „zerstörerischen Gegenschlag eines Irrationalismus“, der „dem Primat des […] Geistes selbst […] den Krieg erklärt“ habe.[10] Außerdem kritisierte Pieper den von den Nationalsozialisten betriebenen „Umbau der Gesellschaft in eine Gemeinschaft“. Wegen der in seinen Schriften zunehmend sichtbar werdenden Ablehnung des Nationalsozialismus wurde Pieper schließlich mit einem Publikationsverbot belegt. Der Philosoph Fernando Inciarte ordnet Pieper daher als einen Gegner des Nationalsozialismus ein, der jedoch nicht die Grenze zum offenen Widerstand überschritten und deshalb „die Ehre, als Oppositioneller zu gelten, niemals für sich in Anspruch genommen“ habe. Die Schriften Piepers hätten aber nachweislich Oppositionelle wie Dietrich Bonhoeffer beeinflusst.[11]

Auszeichnungen, Ehrungen und Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Josef-Pieper-Schule in Rheine

Josef Pieper Stiftung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 1991 gegründete Josef-Pieper-Stiftung pflegt das Lebenswerk Josef Piepers. Alle fünf Jahre verleiht sie den Josef-Pieper-Preis für Philosophie. Der Vorstand besteht aus Hanns-Gregor Nissing, Berthold Wald und Ulrich Schulze. Dem wissenschaftliche Beirat gehören Stephan Herzberg, Walter Mesch, Thomas Möllenbeck und Cornelius Pieper an.[15]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Originalausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die ontische Grundlage des Sittlichen nach Thomas von Aquin. Dissertation, Münster 1928
  • Grundformen sozialer Spielregeln. Herder, Freiburg 1933
  • Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo anno. Reihe: Reich und Kirche. Aschendorff, Münster 1934
  • Vom Sinn der Tapferkeit. Hegner, Leipzig 1934
  • Über die Hoffnung. Hegner, Leipzig 1935
  • Die Wirklichkeit und das Gute. Hegner, Leipzig 1935 (zweite Überarbeitung der Dissertation)
  • Über das christliche Menschenbild. Hegner, Leipzig 1936
  • Traktat über die Klugheit. Hegner, Leipzig 1937
  • Zucht und Maß. Über die vierte Kardinaltugend. Hegner, Leipzig 1939
  • Wahrheit der Dinge. Eine Untersuchung zur Anthropologie des Hochmittelalters. Kösel, München 1947
  • Muße und Kult. Kösel, München 1948
  • Was heißt philosophieren? Vier Vorlesungen. Kösel, München 1948
  • Über das Ende der Zeit. Eine geschichtsphilosophische Meditation. Kösel, München 1950
  • Über die Gerechtigkeit. Kösel, München 1953
  • Thomas-Brevier. Lateinisch-Deutsch. Zusammengestellt, verdeutscht und eingeleitet von J. P. Kösel, München 1956
  • Glück und Kontemplation. Kösel, München 1957
  • Hinführung zu Thomas von Aquin. Zwölf Vorlesungen. Kösel, München 1958
  • „Scholastik“. Gestalten und Probleme der mittelalterlichen Philosophie. Kösel, München 1960
  • Über den Glauben. Ein philosophischer Traktat. Kösel, München 1962
  • Zustimmung zur Welt. Eine Theorie des Festes. Kösel, München 1963
  • Unaustrinkbares Licht. Das negative Element in der Weltansicht des Thomas von Aquin. Kösel, München 1963, Zweite Auflage (Die erste Auflage erschien unter dem Titel Philosophia negativa, Kösel, München 1953)
  • Verteidigungsrede für die Philosophie. Kösel, München 1966
  • Tod und Unsterblichkeit. Kösel, München 1968
  • Über die Liebe. Kösel, München 1972
  • Noch wußte es niemand. Autobiographische Aufzeichnungen 1904–1945. Kösel, München 1976
  • Über den Begriff der Sünde. Kösel, München 1977
  • Noch nicht aller Tage Abend. Autobiographische Aufzeichnungen 1945–1964. Kösel, München 1979
  • Buchstabier-Übungen. Aufsätze – Reden – Notizen. Kösel, München 1980
  • Thomas von Aquin. Leben und Werk. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1981
  • Eine Geschichte wie ein Strahl. Autobiographische Aufzeichnungen seit 1964. Kösel, München 1988, ISBN 978-3-466-40170-3
  • Philosophie – Kontemplation – Weisheit. Johannes, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 978-3-89411-295-0

Werkausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Werkausgabe letzter Hand wird von Berthold Wald im Felix Meiner Verlag, Hamburg, herausgegeben. Sie umfasst die folgenden Bände:

  • Band 1: Darstellungen und Interpretationen: Platon, 2002
  • Band 2: Darstellungen und Interpretationen: Thomas von Aquin und die Scholastik, 2001
  • Band 3: Schriften zum Philosophiebegriff, 1995
  • Band 4: Schriften zur Philosophischen Anthropologie und Ethik: Das Menschenbild der Tugendlehre, 1996
  • Band 5: Schriften zur Philosophischen Anthropologie und Ethik: Grundstrukturen menschlicher Existenz, 1997
  • Band 6: Kulturphilosophische Schriften, 1995
  • Band 7: Religionsphilosophische Schriften, 2000
  • Band 8,1: Miszellen (zu den Bänden 1 bis 5), Register und Gesamtbibliographie, 2005
  • Band 8,2: Miszellen. Register und Gesamtbibliographie, 2008
  • Band 9 (Ergänzungsband 1): Frühe soziologische Schriften, 2004
  • Band 10 (Ergänzungsband 2): Autobiographische Schriften, 2003

Ausgabe aller Bände auf CD-ROM:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

in der Reihenfolge des Erscheinens

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Josef Pieper: Noch wußte es niemand, München 1976, S. 74f.
  2. Guido Rodheudt: Die Ahnungslosen. In: Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus. Ausgabe November 2022, S. 19.
  3. Vgl. ausführlich dazu Josef Pieper: Werke 8,2, Hamburg 2008, Editorischer Anhang, S. 810–815.
  4. Eintrag in der Deutschen Biographie.
  5. Flasch, Kurt, Katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2021, ISBN 978-3-465-02706-5, S. 15.
  6. Pieper, Josef, Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo anno, Münster 1934, S. 3.
  7. Hans Maier: Ordnung, Führung, Bindung, Süddeutsche Zeitung, 15. November 2021, S. 9.
  8. Die Tagespost: Lehrstühle im Wind des Zeitgeistes. 6. Juni 2022, abgerufen am 22. Juni 2022.
  9. Hans Maier: Ordnung, Führung, Bindung, Süddeutsche Zeitung, 15. November 2021, S. 9.
  10. Josef Pieper: Vom Sinn der Tapferkeit, Leipzig 1934, S. 17.
  11. Fernando Inciarte: Über Josef Pieper, in: Hans M. Baumgartner, Klaus Jacobi, Henning Ottmann (Hrsg.): Philosophisches Jahrbuch, 105. Jahrgang, Band 1, Baden-Baden 1998. S. 238–240, hier: S. 239.
  12. Preisträger. In: www.kath-akademie-bayern.de. Abgerufen am 27. Juli 2020.
  13. Josef-Pieper-Straße in Münster
  14. Vgl. Josef-Pieper-Schule: Geschichte.
  15. Josef-Pieper-Stiftung