Judentum in Portugal

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Das Judentum in Portugal beginnt mit der Ankunft der ersten Juden im heutigen Portugal vermutlich schon im 6. Jahrhundert v. Chr.

In der Synagoge von Tomar
Brunnen im Judenviertel von Castelo de Vide

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unbelegten historischen Vermutungen zufolge kamen die ersten Juden bereits im 6. Jahrhundert v. Chr., zur Zeit Königs Nebukadnezar III., auf die Iberische Halbinsel.[1] Archäologisch belegt ist die Präsenz von Juden seit den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung. Im deutschsprachigen Raum meist Judengassen genannt, existierten die später Judiarias (deutsch: Judenviertel) bezeichneten Viertel in Portugal bereits zur Zeit der Mauren im Al-Andalus.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 16. Jahrhundert bildeten sie eine eher kleine Gruppe, die in sogenannten comunas (dt.: Kommunen) organisiert waren und in den Städten lebten. Mit der kleinen Gruppe reicher Bankiers, Kaufleute und öffentlicher Amtsinhaber, der größeren Gruppe Handwerker (insbesondere Schneider, Schmiede, Goldschmiede und Schuhmacher) und der kleineren Gruppe besitzloser Armer hatten sie mindestens drei gesellschaftliche Gruppen gebildet. Sie mussten in durch Mauern oder Zäune von den Christen abgesonderten Vierteln leben, den Judiarias, deren Tore nachts abgesperrt wurden, innerhalb dieser besaßen sie jedoch ihre Synagogen und ihr Gemeindeleben. Die außerhalb der Stadtmauern gelegenen islamischen Viertel hießen in Abgrenzung Mouraria (nach Mouros, portugiesisch für: Mauren).

Nachdem die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon mit dem Alhambra-Edikt 1492 die Juden vertrieben hatten, während bis dahin in Portugal die jüdischen Gemeinden vergleichsweise unbehelligt lebten, kamen über 50.000 Juden über die Grenze nach Portugal, gegen Zahlung beträchtlicher Geldsummen an die portugiesische Krone. König João II. ließ sie jedoch nur für acht Monate ins Land. Viele Juden verließen Portugal danach wieder, andere wurden eingesperrt, und nur 600 der Reichsten und Mächtigsten erhielten eine Aufenthaltserlaubnis.[2]

Gedenktafel in Porto zur Vertreibung der Juden 1496

König Manuel I. ließ die eingesperrten Juden 1495 frei, beschloss jedoch ein Jahr später deren Ausweisung, auf Druck Kastiliens und der Inquisition. Von Dezember 1496 bis Oktober 1497 waren in der Folge fast alle Juden entweder getauft oder grausam vertrieben worden, zeitgleich mit den ebenfalls ausgewiesenen Muslimen. Manuel I. wollte im April 1497 allen Kindern unter 14 verbieten, das Land zu verlassen, woraufhin sich nochmals tausende Juden taufen ließen, um Kinder und Besitz zu behalten. Sie wurden fortan „Neuchristen“ (portugiesisch: novos-cristãos) und Marranen genannt und auf Grund stetig erneuerter Gesetze offiziell in Ruhe gelassen. Jedoch waren ihnen Nutzungsrechte, öffentliche Ämter und das Einheiraten in adlige Familien untersagt. Zudem kam es häufiger zu Pogromen gegen sie, insbesondere um Ostern 1506 in Lissabon, wo etwa 2000 Neuchristen im Massaker von Lissabon umkamen.[3] Einige der elternlos aufgewachsenen Neuchristen wurden zur Besiedlung von Ano Bom (Annobón) und São Tomé in den Golf von Guinea verschleppt.[4] Reiche Juden beteiligten sich an der lukrativen Finanzierung des aufkommenden Indienhandels und neuer Expeditionen.[5] 1534 liefen die Gesetze zu ihrem Schutz endgültig aus, und ihre Zahl verringerte sich nun weiter, insbesondere mit der Einführung der Inquisition in Portugal im Jahre 1536.

Im Zusammenhang mit der zunehmenden Rivalität zwischen Arabern und den zur Weltmacht aufgestiegenen Portugiesen nahm die gegenseitige Intoleranz zu, die offiziell religiös begründet wurde. Mit den Muslimen mussten dann auch die verbliebenen Marranen immer zahlreicher Portugal verlassen.[6] Die Situation entspannte sich etwas mit der Personalunion und dem vorübergehenden Verlust der portugiesischen Unabhängigkeit 1580, mit den nun verbesserten Ausweichmöglichkeiten in einem größeren Staatsgebilde und den Ablenkungen der Obrigkeiten durch die neuen, inneren Konflikte und Aufgaben. 1601 erlaubte ein Abkommen der Juden mit dem portugiesisch-spanischen König ihre Ansiedlung und Handelstätigkeit in Guinea. Im Verlauf des Restaurationskrieges und der schließlich wiedererlangten Unabhängigkeit Portugals 1640 wurden die jüdischen Finanziers für das Königreich dann mitentscheidend, und der Besitz der von der Inquisition verurteilten Neuchristen blieb zwischen 1649 und 1659 unangetastet.[7] Auch um Investitionen der zahlreichen, vor allem in die Niederlande und nach Hamburg (siehe hierzu Portugiesische Synagoge Amsterdams und Geschichte der Juden in Hamburg) ausgewanderten portugiesischen Juden warb das Königshaus zunehmend, auch unter Einsatz António Vieiras beispielsweise, was die Position der Juden weiter entlastete.[8] Ihre Zahl blieb jedoch relativ gering, und nahm erst ab 1800 wieder nennenswert zu.[9]

Im 20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zweiten Weltkrieg erfolgte erneut eine leichte Zunahme der jüdischen Gemeinde in Portugal, das neutral geblieben war.[10] Heute sind Belmonte, Porto und Lissabon die Zentren der jüdischen Gemeinde in Portugal. In Porto wurde in den 1930er Jahren mit der Sinagoga Kadoorie die größte Synagoge der Iberischen Halbinsel errichtet.

Im 21. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 2015 gilt ein Sondergesetz für sephardische Juden, das es Nachfahren von Vertriebenen erlaubt, die portugiesische Staatsangehörigkeit durch Eintragung zu erhalten. Mit dem Gesetz Nr. 30-A/2015, mit Veröffentlichung im portugiesischen Gesetzblatt am 27. Februar 2015 gültig geworden, vergibt Portugal die Staatsangehörigkeit an Nachfahren der ab 1497 aus Portugal geflohenen Sepharden. Justizministerin Paula Teixeira da Cruz erklärte dazu, diese Maßnahme sei angesichts des historischen Fehlers nur gerecht, wenn sie auch sehr spät käme. Der historische Schaden sei ohnehin nicht zu reparieren.[11][12]

Rede de Judiarias[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rede de Judiarias (deutsch: Netz der Judenviertel) ist ein Verbund von Orten in Portugal, in denen es historische jüdische Gemeinden gibt oder gab. Durch die einheitliche touristische Vermarktung als Route soll das Interesse an der langen jüdischen Geschichte in Portugal geweckt werden, und das Wissen darum erhalten und verbreitet werden.

Am 17. März 2011 wurde die Rede de Judiarias de Portugal – Rotas de Sefarad (portugiesisch für: Netz der Judenviertel Portugals – Routen des Sepharad) als öffentlicher Verein privaten Rechts mit Sitz in Belmonte gegründet. Der Namenszusatz erinnert an die Sephardim, die früheren jüdischen Gemeinden der Iberischen Halbinsel.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. www.jewishvirtuallibrary.org, abgerufen am 25. Januar 2013.
  2. António Henrique de Oliveira Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs (= Kröners Taschenausgabe. Band 385). Aus dem Portugiesischen von Michael von Killisch-Horn. Kröner, Stuttgart 2001, ISBN 3-520-38501-5, S. 42, 44, 49, 129.
  3. S. 131
  4. S. 157
  5. S. 171
  6. S. 180
  7. S. 237
  8. Walther L. Beckmann, Horst Pietschmann: Geschichte Portugals. Verlag C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-44756-2, S. 62.
  9. www.zentralratdjuden.de, abgerufen am 25. Januar 2013.
  10. www.euroenigma.wordpress.com, abgerufen am 25. Januar 2013.
  11. Vertriebene Juden aus Spanien und Portugal - Ein Pass für die Nachfahren, Artikel vom 3. Februar 2015 auf Spiegel Online, abgerufen am 1. Januar 2018
  12. Einbürgerung von Ausländern, die Nachkommen der sephardischen Juden aus Portugal sind, deutschsprachiger PDF-Abruf der Einbürgerungsregularien, Website des portugiesischen Außenministeriums für die Auslandsgemeinden, abgerufen am 13. April 2022