Judy Winter

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Judy Winter, 2008

Judy Winter (eigentlich: Beate Marie Richard; * 4. Januar 1944 in Friedland/Oberschlesien)[1][2] ist eine deutsche Schauspielerin, Chansonsängerin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin. Sie begann ihre Karriere am Theater Ulm und am Theater Bremen unter der Regie von Kurt Hübner und Peter Zadek. Ihren Durchbruch hatte sie 1971 in den Johannes-Mario-Simmel-Verfilmungen Und Jimmy ging zum Regenbogen und Liebe ist nur ein Wort. Von 1998 bis 2018 stand sie als Marlene Dietrich in Marlene mehr als 600 Mal auf der Bühne des Renaissance-Theater Berlin.[3]

Herkunft und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Judy Winter wurde als Tochter des Reserveoffiziers und Journalisten Armin Richard und seiner Frau, der aus Köln stammenden Tänzerin Marie Richard, im oberschlesischen Friedland (heute: Korfantów, Polen) geboren.[2][4] Nach dem Zweiten Weltkrieg zog ihre Familie über Hannover nach Bielefeld, wo ihr Vater als politischer Redakteur einer Tageszeitung arbeitete. In Bielefeld besuchte Winter ein Gymnasium und nahm ab dem elften Lebensjahr Ballettunterricht, den sie nach dem Umzug der Familie nach Heidelberg fortsetzte, aber aufgrund ihrer Körpergröße abbrechen musste.[4] Von 1961 an absolvierte Winter eine Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart.[4] Ihr Studium finanzierte sie mit verschiedenen Nebenjobs.[4]

Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Alter von 17 Jahren erhielt Winter unter Kurt Hübner ihr erstes Bühnenengagement am Theater Ulm.[5][6] Hier lernte sie 1962 auch Peter Zadek kennen, der Shakespeares Der Kaufmann von Venedig inszenierte und Winter für die Rolle der Jessica gewann. Es folgten Auftritte am Theater Trier und am Theater der Freien Hansestadt Bremen, wo sie in Meredith Wilsons Music Man als Musical-Darstellerin debütierte. Unter ihrem Künstlernamen, den sie (nach eigener Aussage) aus den Namen ihrer Vorbilder Judy Garland und Shelley Winters kombinierte, spielte sie seit 1963 am Renaissance-Theater in Berlin, wo sie in Inszenierungen wie Patrick Hamiltons Gaslicht, Anton Tschechows Der Kirschgarten und Eugene O’Neills Eines langen Tages Reise in die Nacht wirkte.

Von 1998 an spielte Winter am Renaissance-Theater Marlene Dietrich, und eine Theaterkritik huldigte ihr anlässlich der Premiere mit den Worten: „Marlene lebt und heißt jetzt Judy Winter.“ Weitere Engagements führten sie u. a. an das Thalia Theater und das Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg. Auch in Hilde Knef – Der Teufel und die Diva, einem Bühnenstück der Autoren Fred Breinersdorfer und Katja Röderüber über das Leben von Hildegard Knef, übernahm sie die Titelrolle. Nach seiner Uraufführung am Ernst-Deutsch-Theater folgte am 1. Juni 2013 die Berliner Premiere des Stückes im Theater am Kurfürstendamm.

Darüber hinaus spielte Winter in Musicals, etwa die Rolle der Eliza in My Fair Lady, die Titelrolle in Jerry Hermans Hello Dolly! sowie im Jahr 2015 in Cabaret bei den Bad Hersfelder Festspielen.

Film und Fernsehen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Winter debütierte im August 1963 im Fernsehen in einer Übertragung des im Theater der Freien Hansestadt Bremen uraufgeführten Singspiels Erwin und Elmire von Johann Wolfgang von Goethe in der Rolle der Elmire. In einer ebenfalls im Fernsehen übertragenen Bühneninszenierung gab sie 1966 unter der Regie von Peter Zadek die Wendla Bergmann in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen.

1970 war sie in dem deutsch-französisch-italienischen Filmdrama Die Weibchen erstmals auf der Kinoleinwand zu sehen. Im folgenden Jahr erlangte sie bundesweite Beachtung dank der Simmel-Verfilmungen Und Jimmy ging zum Regenbogen, in der sie die Bordelldame Nora Hill spielte, und Liebe ist nur ein Wort, in der sie die Rolle der Verena Angenfort übernahm. 1980 agierte sie neben Horst Frank als skrupellose Großbauunternehmerin Sybille in Ulrich Schamonis Filmdrama Das Traumhaus. Für ihre Rolle in dem DEFA-Film Ärztinnen als Dr. Katia Michelsberg, die Versuche an Menschen zu Forschungszwecken durchführt, erhielt sie 1984 den Darstellerpreis auf dem 3. Nationalen Spielfilmfestival der DDR. In Peter Keglevics Romanverfilmung Ein ungleiches Paar spielte sie 1988 an der Seite von Diego Wallraff die Modedesignerin Vera. In dem tschechisch-deutsch-italienischen Märchenfilm Dornröschen übernahm sie 1990 die Rolle der Königin Christine.

2008 war Judy Winter nach 37 Jahren in Carlo Rolas Neuverfilmung von Und Jimmy ging zum Regenbogen nochmals als Nora Hill zu sehen. Seit 2015 ist sie in der Fernsehreihe Familie Bundschuh Susanne, die Mutter von Gerald Bundschuh (Axel Milberg), nach den Romanen von Andrea Sawatzki, die ebenfalls eine Hauptrolle in den Verfilmungen spielt.[7] In Richard Hubers Tragikomödie Lang lebe die Königin (2019/20) übernahm Winter neben Iris Berben, Gisela Schneeberger, Eva Mattes und Hannelore Hoger Szenen, die die schwer erkrankte und im April 2019 verstorbene Hauptdarstellerin, Hannelore Elsner, nicht mehr selbst drehen konnten.[8] Winter erklärte, als die Anfrage, für Elsner einzuspringen, gekommen sei, habe sie sich schon Gedanken gemacht, ob das überhaupt fair sei – denn es sei doch Elsners Film! Doch dann habe sie die Idee überzeugt, dass vier gute und ernstzunehmende Kolleginnen Elsner die Ehre erwiesen.[9]

Winter gastierte im Verlauf ihrer Karriere in zahlreichen Fernsehserien, u. a. in Der Kommissar, Derrick, Tatort, Sonderdezernat K1, Ein Fall für zwei, Wolffs Revier, Doppelter Einsatz und In aller Freundschaft.

Chanson[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Winters erste Schallplatte Sie zu ihm nach dem bekannten Text von Kurt Tucholsky erschien 1979. Im Jahr 2000 interpretierte sie Lieder des US-amerikanischen Pianisten, Sänger und Songwriter Bob Lenox. Anfang Dezember 2008 hatte ihr Chanson-Soloabend Wenn ich mir was wünschen dürfte in der Urania in Berlin, bei welchem sie von Bertolt Brecht über Hildegard Knef bis zu eigenen selbstgeschriebenen Texten vortrug, Premiere.

Synchronisation und Hörspiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Winter arbeitete oft als Synchronsprecherin, u. a. für Faye Dunaway in Chinatown, Jane Fonda in Julia, Audrey Hepburn in Robin und Marian, Julie Walters in Billy Elliot – I Will Dance, Bette Midler in For the Boys – Tage des Ruhms, Tage der Liebe und Liv Ullmann in Szenen einer Ehe. Seit 2003 ist sie die Standardsprecherin für Shirley MacLaine.

Daneben wirkte Winter in Hörspielen mit (u. a. als Thora in der Perry-Rhodan-Serie und als Isabell Wagner in der Soap … und nebenbei Liebe). In den Drei ???-Hörspielen Stimmen aus dem Nichts (Nummer 76), Rufmord (99), Signale aus dem Jenseits (188) und Die Spur der Toten (226) sprach sie die Dr. Clarissa Franklin. Zudem hatte sie fünf Auftritte in der Hörspielreihe TKKG und lieh in der Hanni und Nanni-Reihe ihre Stimme Frau Lemansky. Seit 2010 spricht sie die Petra Köhler in der Hörspielserie Team Undercover.

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Winter lebt in Berlin. In den 1960er Jahren war Judy Winter rund sieben Jahre mit dem Regisseur Peter Zadek liiert und kümmerte sich um die Erziehung seiner Kinder. Später heiratete sie den Schauspieler Joachim Regelien. Die Ehe wurde geschieden, ebenso wie die 15 Jahre lange bis 1990 andauernde Ehe mit dem Jazzklarinettisten, Orchesterchef und Komponisten Rolf Kühn.[10]

Ihr im Jahr 1999 adoptierter, damals 28-jähriger Schauspielkollege Francis Winter[11] schrieb für sie 2006 das Bühnenstück Schöne Überraschung, das im Theater am Kurfürstendamm in Berlin mit ihr in der Hauptrolle zur Uraufführung kam.[12]

Am 2. März 2018 war Winter Gast der Fernsehshow Krause kommt, in der sie einen Tag lang Einblick in ihr Privatleben gab.[13]

Soziales Engagement[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit vielen Jahren engagiert sich Winter für die Belange von Menschen mit HIV und AIDS. Am 9. September 2001 wurde sie für ihr langjähriges Engagement in der AIDS-Hilfe mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, am 1. Oktober 2005 folgte der Verdienstorden des Landes Berlin sowie am 21. Januar 2010 der B.Z.-Kulturpreis Berliner Bär. 2002 erhielt sie den ReD Award für den Kampf gegen HIVA. Als Kuratorin der Berliner AIDS-Hilfe bemüht sie sich, das Thema AIDS nicht aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Sie begründete mit anderen die jährlich stattfindende Gala „Künstler gegen AIDS“.

Filmografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Schauspielerin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Synchronsprecherin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jane Fonda

Vanessa Redgrave

Shirley MacLaine

Faye Dunaway

Bette Midler

  • 1988: Zwei mal zwei … als Sadie Ratliff / Sadie Shelton
  • 1990: Stella … als Stella Claire

Blythe Danner

Andere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diskografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1979: Sie zu Ihm
  • 1999: Judy meets Marlene
  • 2000: Musikalische Reise durch Berlin
  • 2000: Judy Winter in Marlene
  • 2000: Judy Winter singt Bob Lenox
  • 2006: Mutter Erde – Judy Winter singt zugunsten von Kindern in Not
  • 2007: Hitler und die Künstler – Mit den Wölfen geheult

Hörspiele (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hörbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus Braeuer: Mehr ans Eingemachte, in: Berliner Morgenpost, 5. Juni 2000 (Interview).
  • Tanja Buntrock: Mehr als nur Marlene, in: Der Tagesspiegel, 23. Januar 2001.
  • Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München, Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S. 1117.
  • Barbara Jänichen: Ich fühle mich wie eine Frau von 40, in: Die Welt, 3. Januar 2004.
  • Renate Lottermoser: Judy Winter weiß, daß sie gut ist, in: Berliner Morgenpost, 5. Juni 1977.
  • Renate Lottermoser: Judy und Harald sind die Berliner Bühnenlieblinge, in: B.Z., 17. September 1990.
  • Steffi Recknagel: Das Renaissance-Theater. Von den Zwanzigerjahren bis heute. Biografie einer Berliner Bühne. Henschel, Berlin 2002.
  • Moon Suk: Judy Winter, in: M.S.: Mond und Sterne. 22 poetische Porträts. Rowohlt, Reinbek 2006, S. 6–11 (Interview).
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 8: T–Z. David Tomlinson – Theo Zwierski. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 423 f.
  • Peter Zadek: My Way. Eine Autobiographie 1926-1969. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Judy Winter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Deutsches Theater-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch, Nachtragsband, Teil 8: V–Z, Berlin/Boston 2020, S. 240.
  2. a b Zu Besuch bei Judy Winter | SWR Krause kommt. Abgerufen am 4. Januar 2024.
  3. FOCUS Online: Von „Marlene“ bis zur Knef – Judy Winter wird 70. 4. Januar 2014, abgerufen am 4. Januar 2014.
  4. a b c d Judy Winter in: Internationales Biographisches Archiv 04/2012 vom 24. Januar 2012, im Munzinger-Archiv, abgerufen am 24. Januar 2012 (Artikelanfang frei abrufbar)
  5. Zwischen Tatort und Theater – Judy Winter wird 65. In: Main-Post. 1. Januar 2009, abgerufen am 1. Januar 2009.
  6. Katrin Heise im Gespräch mit Judy Winter: Schauspielerin Judy Winter – „Theater ist für mich Erotik“. 28. März 2019, abgerufen am 28. März 2019.
  7. Familie Bundschuh bei Fernsehserien.de; abgerufen am 19. Januar 2020.
  8. Hannelore Elsners letzter Film wird vollendet (Memento des Originals vom 25. März 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.daserste.de, 29. April 2020, daserste.de.
  9. Judy Winter als Rose Just, Das Erste
  10. Heike Gätjen: „60? Das hört sich nach scheintot an“. 1. September 2003, abgerufen am 3. Januar 2024.
  11. Judy Winter bei prisma
  12. Francis Winter schreibt ein Stück für seine Mutter Judy Winter. In: Die Welt, publiziert am 17. März 2006, abgerufen am 24. Juli 2010
  13. Zu Besuch bei Judy Winter – SWR Krause kommt auf YouTube
  14. Judy Winter – Titania Medien. Abgerufen am 5. September 2020.
  15. Titania Medien – Die bisher größten Erfolge bei der Rangliste der SPIEGEL-Bestseller Hörbuch. Abgerufen am 5. September 2020.