Julia von Heinz

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Julia von Heinz (2024)

Julia Alice von Heinz[1] (* 3. Juni 1976 in West-Berlin) ist eine deutsche Filmregisseurin und Drehbuchautorin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julia von Heinz wuchs in Bonn auf. Nach einem Überfall von Neonazis auf ihre Geburtstagsfeier in den Bonner Rheinauen schloss sie sich 1991 als 15-Jährige antifaschistischen Initiativen an. Sie engagierte sich in der linken Szene, organisierte u. a. Demos und verfasste Flugblätter. Die Gewaltfrage war in ihrer antifaschistischen Initiative stets ein Thema, wobei von Heinz militante Aktionen zunehmend in Frage stellte. Nach einem Umzug nach Berlin Anfang der 2000er Jahre kam Julia von Heinz’ Engagement bei der Antifa zum Erliegen.[2]

Nach einem abgebrochenen zweisemestrigen Studium der Rechtswissenschaft absolvierte Julia von Heinz eine Ausbildung zur Mediengestalterin beim WDR in Köln. Das anschließende Studium im Fachbereich Audiovisuelle Medien an der TFH Berlin schloss sie 2005 als Diplomkamerafrau ab.[3] In ihrer Diplomarbeit Der verflixte zweite Film – Realisierungsaussichten von Debütfilmen im Vergleich zum Nachfolgeprojekt untersuchte sie den „Nachwuchshype“ in der deutschen Filmbranche. Bereits während ihrer Studienzeit realisierte sie mit den Kurzspielfilmen Dienstags (2001), Doris (2002) und Lucie und Vera (2003) erste Projekte, die alle mehrfach preisgekrönt wurden. Mit Vietcome – Vietgo (2001) und mit Lucie und Vera (2003) nahm sie an der Werkstatt für junge Filmer (heute Werkstatt der Jungen Filmszene) teil.

Von 2005 bis 2006 war Julia von Heinz künstlerische Mitarbeiterin von Rosa von Praunheim[2] an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Ihr Langfilmdebüt Was am Ende zählt feierte auf der Berlinale 2007 in der Reihe Perspektive deutsches Kino Premiere und wurde anschließend auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt und preisgekrönt. Das Jugenddrama erzählt die Geschichte der Ausreißerin Carla (Paula Kalenberg), die auf dem Weg zu einer Modeschule in Lyon mittellos in Berlin strandet, sich dort mit der toughen Lucie (Marie-Luise Schramm) anfreundet und in eine immer ausweglosere Situation gerät, als sie ungewollt schwanger wird. Unter anderem erhielt der Film den Deutschen Filmpreis in Gold als „Bester Jugendfilm“. Danach drehte Julia von Heinz den Dokumentarfilm Standesgemäß (2007/2008) über die alltäglichen Widrigkeiten im Leben adeliger Singlefrauen und erhielt dafür 2009 den Bayerischen Fernsehpreis Blauer Panther.

Im Frühjahr 2012 kam ihr Kinderfilm Hanni & Nanni 2 nach der gleichnamigen Romanserie von Enid Blyton in die Kinos. Er erfreute sich bei seiner jungen Zielgruppe großer Beliebtheit, wurde mit drei Goldenen Spatzen ausgezeichnet und war nominiert für den Publikumspreis des Bayerischen Filmpreises und des Deutschen Filmpreises 2013.

2014 kam ihr Film Hannas Reise in Deutschland, Österreich und Israel ins Kino, nachdem er auf zahlreichen internationalen, vor allem jüdischen Filmfestivals gezeigt wurde. Er wurde von der iTunes-Redaktion zum besten deutschen Film des Jahres gewählt.

Zusammen mit den Regisseuren Tom Tykwer, Chris Kraus, Robert Thalheim und Axel Ranisch drehte Julia von Heinz den Dokumentarfilm Rosakinder (2012) über die Beziehung zu ihrem gemeinsamen „Filmvater“ und Mentor Rosa von Praunheim.

Ebenfalls im Jahr 2012 promovierte Julia von Heinz zum Dr. phil. über das Thema: Die freundliche Übernahme – Der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf den deutschen Kinofilm von 1950 bis 2012 (siehe Buchveröffentlichungen).[4]

Von 2014 bis 2015 hatte sie eine Gastprofessur im Bereich Spielfilm an der Kunsthochschule für Medien Köln und von 2016 bis 2018 eine Gastprofessur für Spielfilmregie an der HFF München. Seit 2019 ist sie Honorarprofessorin an der HFF München.[5] 2020 übernahmen Julia von Heinz und Marcus H. Rosenmüller die Leitung des Studiengangs Regie Kino- und Fernsehfilm der HFF München als „Doppelspitze“ in Nachfolge von Andreas Gruber.[6]

Mehrfach preisgekrönt wurden ihre Fernsehfilme Katharina Luther und Tatort – Für immer und dich (2019), bei denen sie Regie führte. In der Missbrauchsgeschichte im Tatort – Für immer und dich um eine Jugendliche (dargestellt von Meira Durand), nach einem Drehbuch von Magnus Vattrodt, besetzte Julia von Heinz Nebenrollen, die eigentlich Männern zugedacht waren, mit Frauen. Das setzte auch andere Akzente bei der weiblichen Hauptfigur, die sich später selbst aus ihrer Abhängigkeit zu einem älteren Mann (Andreas Lust) befreien kann.[7]

Ihr Spielfilm Und morgen die ganze Welt mit Mala Emde wurde 2020 in den Wettbewerb um den Goldenen Löwen zu den 77. Internationalen Filmfestspielen von Venedig eingeladen.[8] Er war nominiert für den Deutschen Filmpreis 2021.[9] Die Geschichte ist von ihrer eigenen Jugend inspiriert, sei aber nicht streng autobiografisch.[2] Der Film sei der Grund gewesen, warum Julia von Heinz mit dem Filmemachen überhaupt angefangen habe. Frühere Filme wie Hanni & Nanni 2 und Ich bin dann mal weg bezeichnete sie als Auftragsarbeiten.[2]

Zusammen mit den Regisseuren Michael Winterbottom, Jaco Van Dormael, Michele Placido und Olivier Guerpillon drehte Julia von Heinz den Dokumentarfilm Isolation, der auf den „Giornate degli Autori – Venice Days“ im Rahmen der 78. Internationalen Filmfestspiele von Venedig Premiere feierte und mit dem Inclusion Award 2021 ausgezeichnet wurde.[10]

Beim Filmfestival Hofer Filmtage wurde die Regisseurin 2021 mit dem Filmpreis der Stadt Hof geehrt; die Laudatio hielt der Filmemacher Rosa von Praunheim.[11]

Im Jahr 2022 entwickelte und drehte Julia von Heinz als Creator die High-End-Mini-Serie Eldorado Kadewe. Sie erhielt dafür den Blauen Panther für die Beste Regie.[12]

Zwei Jahre später realisierte sie mit Treasure (2024) ihr erstes internationales Spielfilm-Projekt.

Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julia von Heinz ist Mitglied der Deutschen Filmakademie,[13] der Europäischen Filmakademie[1] und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.[14]

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julia von Heinz lebt mit ihrem Mann, dem Drehbuchautor und Produzenten John Quester und ihren drei gemeinsamen Kindern.[15][16] Die Familie von Heinz sind Nachfahren Wilhelm von Humboldts; der Zweig ihres Onkels lebt noch heute im Schloss Tegel.[17]

Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Buchveröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Julia von Heinz: Die freundliche Übernahme – Der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf den deutschen Kinofilm von 1950 bis 2012 (= Schriftenreihe zu Medienrecht, Medienproduktion und Medienökonomie. Band 24). Nomos, Baden-Baden 2012, ISBN 978-3-8329-7507-4. Rezension von Hans Helmut Prinzler,[18] Rezension der Uni Marburg.[19]
  • Claudia Lenssen, Bettina Schoeller-Bouju (Hrsg.): Wie haben Sie das gemacht? – Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen. Schüren, Marburg 2014, ISBN 978-3-89472-881-6.
  • Thomas Wiedemann: Die Logik des Filmemachens. Zwölf Interviews mit deutschen Filmregisseurinnen und -regisseuren. Herbert von Halem Verlag, Köln 2018, ISBN 978-3-86962-421-1.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Julia von Heinz – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Dr. Julia Alice von Heinz. The European Film Academy, abgerufen am 1. April 2019.
  2. a b c d Hannah Pilarczyk: Ihre Jugend in der Antifa. In: Der Spiegel. Nr. 36, 2020 (online).
  3. Julia von Heinz bei filmportal.de abgerufen am 19. November 2021
  4. Julia von Heinz: Die freundliche Übernahme. In: Die Zeit, Nr. 21/2012 (Synopse der Dissertation von Julia von Heinz).
  5. HFF München ernennt Julia von Heinz und Martin Moszkowicz zu Honorarprofessor*in. In: idw-online.de. Hochschule für Fernsehen und Film München, 6. März 2019, abgerufen am 31. März 2019.
  6. Josef Grübl: Ausbildung: Miteinander gegen die Ego-Monster. In: sueddeutsche.de. 9. August 2020, abgerufen am 10. August 2020.
  7. Matthias Dell: Nutzt unsere kriminelle Energie!. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1. Dezember 2019, Nr. 48, S. 47.
  8. Hannah Pilarczyk: Filmfestspiele von Venedig: Deutsches Antifa-Drama im Wettbewerb. In: Spiegel Online. 28. Juli 2020, abgerufen am 29. Juli 2020.
  9. Nominierungen zum Deutschen Filmpreis 2021. Abgerufen am 10. Oktober 2021.
  10. Isolati e inclusivi. Giornate degli autori, abgerufen am 10. Oktober 2021 (italienisch).
  11. Regisseurin Julia von Heinz erhält Filmpreis der Stadt Hof. BR, 28. Oktober 2021; abgerufen am 28. Oktober 2021.
  12. TV & Streaming Award | Julia von Heinz gewinnt "Blauen Panther" für "Eldorado KaDeWe", auf queer.de
  13. Julia von Heinz. Deutsche Filmakademie, abgerufen am 1. April 2019.
  14. Mitglieder. Deutsche Akademie der Darstellenden Künste, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. März 2019; abgerufen am 31. März 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.darstellendekuenste.de
  15. Josef Grübl: Lieblingsplätze – Sie ist dann mal weg. Filmemacherin Julia von Heinz verbringt viel Zeit im Kino Solln. Süddeutsche Zeitung, 18. August 2015.
  16. Markus Aicher: Filmemacherin Julia von Heinz im Porträt: Von Berlin an den Ammersee – und weiter zum LIDO. Bayerischer Rundfunk, 1. September 2020.
  17. Jochen Wegner, Christoph Amend: Julia von Heinz, wie war es in der Antifa? Podcast Alles Gesagt? In: Zeit Online. 6. Mai 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.
  18. Hans Helmut Prinzler: Julia von Heinz: Die freundliche Übernahme. 21. Februar 2013, abgerufen am 30. August 2020.
  19. Katinka Klaas: Die freundliche Übernahme. Einfluss des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf den deutschen Kinofilm von 1950 bis 2010. In: Philipps-Universität Marburg (Hrsg.): MEDIENwissenschaft. Jg. 2014, Nr. 2/3. Universität, Redaktion Medienwissenschaft, Marburg 2014, S. 251–252, doi:10.17192/ep2014.2/3.3009, urn:nbn:de:hebis:04-ep0002-2014-85-30091.
  20. Hans Abich Preis 2019. FernsehfilmFestival Baden-Baden, abgerufen am 6. November 2019.
  21. Die Preise 2019. Fernsehfilmfestival Baden-Baden, abgerufen am 1. Dezember 2019.