Justizvollzugsanstalt Remscheid

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Justizvollzugsanstalt Remscheid
JVA Remscheid (von Norden)
Informationen zur Anstalt
Name Justizvollzugsanstalt Remscheid
Bezugsjahr 1906
Haftplätze 557[1]
Anstaltsleitung Andreas Schüller

Die Justizvollzugsanstalt Remscheid, ist eine Justizvollzugsanstalt (JVA) in der kreisfreien bergischen Großstadt Remscheid in Nordrhein-Westfalen (NRW). Sie ist dem Gerichtsbezirk des Landgerichts Wuppertal zugeordnet. Teile der JVA wie das historische Haftgebäude mit dem Kirchturm stehen heute unter Denkmalschutz. Die JVA befindet sich im Nordosten der Stadt im Stadtteil und Stadtbezirk Lüttringhausen, einer bis zur Eingemeindung im Jahre 1929 selbstständigen Stadtgemeinde im ehemaligen Kreis Lennep. Aufgrund ihrer exponierten Lage, auf einer der höchsten Stellen im Ortskern, ist die Justizvollzugsanstalt sowohl am Tage als auch durch ihre Beleuchtung bei Nacht ein die Silhouette prägendes Gebäude. Die Zweiganstalt in Remscheid bietet 271 Haftplätze im offenen Vollzug.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Strafanstalt Lüttringhausen wurde von 1902 bis 1906 auf einem 115.000 Quadratmeter großen Grundstück am damaligen Eingang zur Stadt nahe dem Bahnhof Lüttringhausen errichtet. Idee und Pläne der Anlage beruhten auf den Ausarbeitungen des damaligen Dezernenten für das Gefängniswesen und Vortragendem Rat im Ministerium des Innern in Berlin, dem Geheimen Oberregierungsrat Karl Krohne (1836–1913). Die Gesamtkosten beliefen sich auf 1.305.000 Mark, entsprechend 2.177 Mark für jeden eingerichteten Gefangenenplatz. Die Bauausführung erfolgte durch Gefangene.[3][4] Im Jahr 1906 wurde das Königliche Gefängnis (zu) Lüttringhausen seiner Bestimmung übergeben.[5][6][7] Später wurde es als Zuchthaus genutzt. Zunächst hatte es die Bezeichnung Zuchthaus Lüttringhausen und nach der 1929 erfolgten Eingemeindung Lüttringhausens bis zur Abschaffung der Zuchthausstrafe im Zuge der Großen Strafrechtsreform in der Bundesrepublik Deutschland durch das 1. Strafrechtsreformgesetz von 1969 die Bezeichnung Zuchthaus Remscheid bzw. Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen.

Der historische Zellentrakt hinter der Eingangspforte neueren Datums besteht aus einem viergeschossigen und vierflügeligen Gebäude aus überwiegend verputzten Backsteinen. An dessen Stirnseite im Eingangsbereich befindet sich ein viereckiger, ebenfalls in Backsteinweise errichteter Kirchturm, der den Gefängniskomplex deutlich überragt. Zur ursprünglichen Ausstattung gehörten unter anderem eine Kirche, ein Badebereich mit zehn Duschen und fünf Wannen, eine Krankenstation, eine Weichzelle und eine Leichenkammer.[6] 1962 wurde die damals noch Zuchthaus genannte JVA um ein Werkstattgebäude erweitert.[5][8] Zu den weiteren in späteren Jahren errichteten Bauabschnitten zählt die Wäscherei von 1980 sowie die heutige Außenpforte mit Verwaltungsgebäude von 1994.[5][7]

Die einzige Justizvollzugsschule in Nordrhein-Westfalen war nach ihrer Gründung in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre (1952?) bis zu ihrem Umzug nach Wuppertal im Jahre 1977 zuerst an die JVA angegliedert und in angrenzenden Gebäuden untergebracht.[9] Nach Um- und Neubau 1978/79 befindet sich heute die „Zweiganstalt“ Masurenstraße 27 mit zunächst etwa 200 und nach der Erweiterung insgesamt 275 Plätzen für Häftlinge im offenen Vollzug in den außerhalb der Gefängnismauern gelegenen Gebäuden.[5]

Im Jahre 2006 wurde innerhalb einer neu aufgeführten 600 Meter langen Gefängnismauer der Neubau der Jugendarrestanstalt mit ca. 70 Plätzen eröffnet, der zwei veraltete Einrichtungen in Remscheid und Solingen ersetzt.[5]

Zuständigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die JVA Remscheid ist zuständig für die Vollstreckung von:

  • Freiheitsstrafe (Erstvollzug) von drei Monaten bis zwei Jahre
  • Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren entsprechend dem Ergebnis des Einweisungsverfahrens
  • Freiheitsstrafe von mehr als 48 Monaten an Ausländern[10]

Die Zuständigkeiten der Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen sind im Vollstreckungsplan des Landes NRW geregelt (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -).[11]

Politische Gefangene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu fast allen Zeiten, insbesondere aber während der Herrschaft der Nationalsozialisten, wurden in dem damaligen Zuchthaus neben Straftätern auch politische Gefangene inhaftiert. Die folgende, alphabetische Liste ist unvollständig. Nach den Namen ist (sofern bekannt) die Zeit der Inhaftierung in diesem Zuchthaus genannt und gegebenenfalls das weitere Schicksal.

Etliche Gefangene wurden gegen Ende des Krieges zu Bombenentschärfungen herangezogen und dabei oftmals verletzt oder getötet.[19] Am 13. April 1945 wurden bei dem Endphaseverbrechen in der Wenzelnbergschlucht 71 Häftlinge ermordet, von denen 60 aus diesem Zuchthaus stammten.[20]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Zuchthaus Remscheid wurde durch Beschluss vom 20. Juni 2003 in das Haftstättenverzeichnis der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ aufgenommen.[21]

Es ist darüber hinaus im Inventar der „Euthanasieverbrechen“ des Bundesarchivs unter „Zuchthäuser Lüttringhausen“ (die Verwendung des Plurals könnte darauf hinweisen, dass auch die psychiatrische Klinik Tannenhof gemeint war) aufgeführt.[22]

In der JVA erschien die von Inhaftierten erstellte Gefangenenzeitung Kassiber.[23]

Während der Vorweihnachtszeit findet ein Adventsbasar mit Verkauf von in den Werkstätten erstellten Objekten statt.[24]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Gefängnis in Lüttringhausen. In: Zeitschrift für Bauwesen. Nr. 1, 1910, Sp. 27–40 (zlb.de – Atlas: Blatt 8).
  • Paul Pollitz: Strafanstalt Lüttringhausen. In: Landrat des Kreises Lennep (Hrsg.): Der Landkreis Lennep und seine Gemeinden. (= Deutschlands Städtebau.) DARI, Berlin-Halensee 1925, S. 93 f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Informationsbroschüre: Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen, Herausgeber: Justizministerium NRW, 2008, S. 57
  2. Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen, Herausgeber: Justizministerium NRW, 2008, S. 57
  3. Pollitz S. 93
  4. Zeitschrift für Bauwesen, 62. Jahrgang 1912; Beilage "Statistische Nachweisungen", XIII. S. 35–37.
  5. a b c d e nrw.de Rede der damaligen Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter anlässlich der Einweihung der Neubauten der JVA Remscheid vom 20. August 2007.
  6. a b historische Daten von Lüttringhausen private Homepage.
  7. a b Geschichte der JVA Remscheid@1@2Vorlage:Toter Link/www.papathanassiu.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven) auf einer privaten Webseite.
  8. NRW-Architekturdatenbank der TU Dortmund.
  9. Geschichte der Justizvollzugsschule (Memento vom 18. Juli 2013 im Internet Archive) auf dem Justizportal NRW.
  10. justiz.nrw.de (Memento vom 28. Juli 2014 im Internet Archive)
  11. Vollstreckungsplan für das Land Nordrhein-Westfalen, (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -). (PDF; 1,2 MB) Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. April 2010, abgerufen am 7. März 2016.
  12. Archivierte Kopie (Memento vom 12. Juli 2010 im Internet Archive) Würdigung durch die Stadt Remscheid anlässlich der Verlegung eines Stolpersteines.
  13. Archivierte Kopie (Memento vom 12. Juli 2010 im Internet Archive) Würdigung anlässlich der Verlegung eines Stolpersteines auf der Homepage der Stadt Remscheid.
  14. lebensgeschichten.net Lebensgeschichten.net
  15. Dirk Lüerßen: „Wir sind die Moorsoldaten“. Die Insassen der früheren Konzentrationslager im Emsland 1933–1936. (PDF; 2,8 MB) Dissertation, vorgelegt am 25. Mai 2001 an der Universität Osnabrück, S. 408.
  16. uni-osnabrueck.de (PDF; 2,8 MB) Dissertation, S. 430.
  17. gedenkbuch-wuppertal.de Gedenkbuch für die NS-Opfer aus Wuppertal
  18. muelheim-ruhr.de Homepage der Stadt Mülheim/Ruhr.
  19. Helmut Kramer, Karsten Uhl, Jens-Christian Wagner (Hrsg.): Zwangsarbeit im Nationalsozialismus und die Rolle der Justiz. (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive; PDF) Publikation der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordhausen, 2007, ISBN 978-3-9809391-9-5, S. 42, auf dem Server der TU Darmstadt.
  20. Dieter Nelles / Fritz Beinersdorf: Die Morde in der Wenzelnbergschlucht am 13. April 1945 (Memento vom 28. April 2015 im Internet Archive)
  21. Stiftung EVZ auf der Homepage des Bundesarchivs.
  22. Quellen zur Geschichte der Euthanasie-Verbrechen 1939–1945 in deutschen und österreichischem Archiven. (PDF; 0,3 MB) bearbeitet von Dr. Harald Jenner im Auftrag des Bundesarchivs, S. 36.
  23. Gefangenenzeitungen nach Bundesländern. (Memento vom 2. Juli 2017 im Internet Archive) randgruppenliteratur.de
  24. rga-online.de RGA-online abgerufen am 16. März 2012.

Koordinaten: 51° 12′ 48,8″ N, 7° 14′ 17,2″ O