Justizvollzugsanstalt Werl

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Justizvollzugsanstalt Werl
Luftbild (2014), rechts die Erweiterungsbaustelle
Informationen zur Anstalt
Name Justizvollzugsanstalt Werl
Bezugsjahr 1906
Haftplätze 1034[1]
Mitarbeiter 530[2]
Anstaltsleitung Thomas König

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl befindet sich auf einem etwa vierzehn Hektar großen Gelände an der Belgischen Straße im Norden der Stadt Werl. Sie ist mit 1034 Haftplätzen eine der größten Justizvollzugsanstalten in Deutschland.

Denkmalgeschützte Dienstwohnungen
Mauer mit Beobachtungskanzel

Geschichte und Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der vierflügelige, viergeschossige Kreuzbau in panoptischer Anordnung wurde ab 1906 errichtet und am 1. Juli 1908 als Königlich-Preußisches Zentralgefängnis in Betrieb genommen.[3] Später wurde das Gefängnis umbenannt in Zuchthaus und Sicherungsanstalt und Strafanstalt, bis es die heutige Bezeichnung Justizvollzugsanstalt erhielt.

Im verkürzten südwestlichen Flügel ist die Anstaltskirche mit eingezogenem, rechteckigen Turm untergebracht. Das Äußere der Gebäude ist durch den Wechsel von Putzflächen und backsteinsichtigem Mauerwerk gegliedert. Außerhalb der Anlage stehen entlang der Anstaltsmauern ein- und zweigeschossige Häuser. Sie wurden von 1906 bis 1908 für die Bediensteten errichtet. Die Bauten auf Grünsandsteinsockeln wurden teilweise mit Fachwerkobergeschossen gebaut und stehen zum Teil unter Denkmalschutz.[4]

In der Nachkriegszeit diente das Gefängnis als Allied National Prison, Werl (auch Britisches Militärgefängnis oder Kriegsverbrechergefängnis Werl). Hier verbüßten die verurteilten Kriegs- und NS-Verbrecher aus den NS-Prozessen in der Britischen Zone ihre Haftstrafen. In einigen Fällen wurde die Todesstrafe vollstreckt. Vergleichbare Einrichtungen waren das War Criminals Prison No. 1 in Landsberg in der amerikanischen Zone und das Kriegsverbrechergefängnis Wittlich in der französischen Zone.

2007 wurde eine Erweiterung in Angriff genommen. Es wurden Werkhallen (u. a. Erneuerung der Anstaltsbäckerei und der Schlosserei) errichtet. Auf einem weiteren benachbarten brachliegenden Grundstück soll in den nächsten Jahren die Sicherungsverwahranstalt des Landes Nordrhein-Westfalen entstehen. Die Pläne mussten mehrfach geändert werden, u. a. wird die Zellengröße (inkl. einem Nassbereich und einer Küchenzeile) 20 m² betragen. Die Bauausführung macht es erforderlich, dass in dem betroffenen Bereich auch etliche Dienstwohnhäuser der Bediensteten abgerissen werden müssen. Das ist auch daher besonders erwähnenswert, da die Häuser unter Denkmalschutz stehen und den Bewohnern versichert wurde, dass die Häuser einer Erweiterung der Anstalt nicht weichen müssten. Die Pläne haben sich allerdings geändert und so soll u. a. die Eingangspforte für die gesamte Anstalt an der Stelle als neue Zentralpforte ausgebaut werden.

Die Außensicherung ist durch eine bis zu sechs Meter hohe Mauer gewährleistet. In dieser sind fünf Beobachtungskanzeln integriert. Die Kanzeln sind mit Bediensteten besetzt. Die Anstalt wird zudem durch Kameras überwacht. Die innerhalb der Anstalt befindlichen Höfe sind zum Teil mit elektronischen Alarmzäunen umwehrt.

Zuständigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die JVA Werl ist zuständig für die Vollstreckung von:

  • Freiheitsstrafe (Regelvollzug) von drei Monaten bis einschließlich zwei Jahre
  • Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren entsprechend dem Ergebnis des Einweisungsverfahrens
  • Freiheitsstrafe von mehr als 24 Monaten an Ausländern
  • Sicherungsverwahrung[5]

Die Zuständigkeiten der Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen sind im Vollstreckungsplan des Landes NRW geregelt (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28).[6]

Ausbildung und Weiterbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der JVA Werl stehen 20 Ausbildungsplätze für Gefangene zur Verfügung. Träger der Ausbildungsmaßnahmen ist das Berufsförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ausgebildet werden:

NS-Kriegsverbrecher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die meisten NS-Kriegsverbrecher wurden Anfang bis Mitte der 1950er Jahre freigelassen. Im August 1955 befanden sich in Werl nur noch 55 britische Häftlinge, die über die nächsten zwei Jahre entlassen wurden.[8]

In den Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 30. Juni 1992 nahmen die beiden Schwerverbrecher Michael Heckhoff und Kurt Knickmeier mit einer Pistolenattrappe in der Krankenabteilung der JVA einen Zahnarzt, seine beiden Assistentinnen und vier Beamte als Geiseln und forderten Lösegeld und freies Geleit. Nach 13 Stunden wurde Heckhoff beim Besichtigen des Fluchtwagens mit zwei Schüssen überwältigt, Knickmeier zündete daraufhin zwei der Geiseln mit Waschbenzin an und verletzte sie schwer, ehe er selbst bei der Erstürmung der Krankenabteilung überwältigt wurde.

Am 19. April 2011 wurde die ARD-Talkshow Menschen bei Maischberger ausgestrahlt, die zuvor in der JVA aufgezeichnet worden war. Moderatorin Sandra Maischberger hatte u. a. Michael Skirl, Jurist und Direktor der JVA Werl, Tatort-Mediziner und Gefängnisarzt Joe Bausch sowie Inhaftierte als Gesprächsgäste.

Der Gefängnisarzt Joe Bausch spielt in den Kölner Tatort-Folgen mit den Schauspielern Dietmar Bär (KHK Alfred Schenk) und Klaus J. Behrendt (KHK Max Ballauf) den Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth. Der ehemalige Anstaltsdirektor Michael Skirl ist Autor eines Buches zur Sicherungsverwahrung (Wegsperren!?: Ein Gefängnisdirektor über Sinn und Unsinn der Sicherungsverwahrung) das im Jahr 2012 erschienen ist; in diesem Zusammenhang wurde über Skirl und die JVA Werl auch in überregionalen Medien berichtet.[9]

In der Reportage Hinter Gittern – Der Knastarzt Joe Bausch aus der Reihe Planet Wissen berichtet Joe Bausch über seine Arbeit als Anstaltsarzt der JVA Werl.

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Justizvollzugsanstalt Werl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. [1]
  2. [2]
  3. Informationsbroschüre: Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen, Herausgeber: Justizministerium NRW, 2008, S. 58.
  4. Dehio, Georg, unter wissenschaftlicher Leitung von Ursula Quednau: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen II Westfalen. Deutscher Kunstverlag, 2011, ISBN 978-3-422-03114-2, S. 1712.
  5. datenbanken.justiz.nrw.de (Memento vom 28. Juli 2014 im Internet Archive).
  6. Vollstreckungsplan für das Land Nordrhein-Westfalen, (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -). (PDF 1,2MB) Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. April 2010, abgerufen am 7. März 2016.
  7. Informationsbroschüre: Berufsbildungsangebot in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hrsg.: Justizministerium des Landes NRW, 2011, S. 22.
  8. Arieh J. Kochavi: Prelude to Nuremberg: Allied war crimes policy and the question of punishment. UNC Press, 1998, ISBN 0-8078-2433-X, S. 245.
  9. ISBN 978-3-651-00050-6; Bericht etwa Julia Schaaf: Wo andere aufhören, fangen wir an: Michael Skirl ist Gefängsnisdirektor. In seiner JVA sollen künftig alle Sicherungsverwahrten aus NRW unterkommen. Ein Besuch bei einem Mann, für den der richtige Abstand eine Überlebensfrage ist. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 7. Oktober 2012, S. 64.
  10. Hast du uns endlich gefunden. Hamburg 2021. S. 224, 236, 248ff.

Koordinaten: 51° 33′ 49″ N, 7° 54′ 59″ O