Kanadische Unterhauswahl 2011

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2008Unterhauswahl 20112015
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Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2008
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−7,31
−3,93
−2,89
−0,28
−0,08
103
4
1
34
166
103 34 166 
Insgesamt 308 Sitze

Die 41. kanadische Unterhauswahl (englisch 41st Canadian General Election, französisch 41e élection fédérale canadienne) fand am 2. Mai 2011 statt. Gewählt wurden 308 Mitglieder des kanadischen Unterhauses (englisch House of Commons, französisch Chambre des Communes). Diese Wahl waren notwendig geworden, weil die Minderheitsregierung der Konservativen Partei von Premierminister Stephen Harper am 25. März 2011 ein Misstrauensvotum verlor. Die Konservativen, die seit 2006 mit einer Minderheit regiert hatten, erhielten erstmals seit ihrer Neugründung die absolute Mehrheit der Sitze.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Unterhauswahl 2008 hatte nur geringfügige Änderungen gebracht und resultierten in der Fortsetzung der Minderheitsregierung der von Premierminister Stephen Harper angeführten Konservativen Partei. Die anschließende Legislaturperiode war geprägt von zwei kontroversen Vertagungen des Parlaments (im parlamentarischen Prozess des Landes ordnet der Generalgouverneur üblicherweise eine Vertagung an, wenn die in der Thronrede festgelegten Ziele als erfüllt angesehen werden; der ausgesetzte Parlamentsbetrieb wird dann mit der nächsten Thronrede wieder aufgenommen).

Übersicht der Provinzen und Territorien

Auf Antrag Harpers gewährte Generalgouverneurin Michaëlle Jean am 4. Dezember 2008 eine Vertagung bis zum 26. Januar 2009. Die Regierung begründete diesen Schritt mit der Notwendigkeit, für die Ausarbeitung eines neuen Wirtschaftsprogramms mehr Zeit zu benötigen. Die Opposition hingegen sah darin lediglich den Versuch, einem am 27. November beantragten Misstrauensvotum zuvorzukommen.[1] Zur zweiten umstrittenen Vertagung kam es am 30. Dezember 2009, als Harper bei der Generalgouverneurin eine weitere Aussetzung des Parlamentsbetriebs bis zum 3. März 2010 beantragte und dies wiederum mit der Ausarbeitung eines Wirtschaftsprogramms begründete. Oppositionsvertreter bezeichneten diese Maßnahme als Geringschätzung der demokratischen Institutionen und warfen der Regierung vor, sie wolle lediglich unbequemen Fragen zum Einsatz kanadischer Truppen in Afghanistan ausweichen.[2] Daraufhin kam es in verschiedenen kanadischen Städten zu Demonstrationen gegen die „Schließung der Demokratie“.[3]

Die Wahlbehörde Elections Canada klagte im Februar 2011 die Konservative Partei an, sie habe bei der Unterhauswahl 2006 die gesetzlich limitierten Wahlkampfaufwendungen um über eine Million Dollar überschritten habe und die zusätzlichen Ausgaben verschleiert.[4] Nachdem eine parlamentarische Untersuchungskommission zum Schluss gelangt war, dass Harpers Regierung dem Parlament in mehreren Fällen wichtige Informationen vorenthalten oder verschwiegen hatte, verweigerten die Oppositionsparteien ihre Zustimmung zum Budget. Die Liberale Partei beantragte als Reaktion darauf ein Misstrauensvotum, das am 25. März 2011 mit 156 zu 145 Stimmen erfolgreich war.[5]

Meinungsumfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meinungsumfragen zur Parteienstärke seit der Unterhauswahl 2008

Während der gesamten Legislaturperiode seit der Unterhauswahl 2008 hatte es in den Meinungsumfragen relativ geringe Schwankungen gegeben. Auch in den ersten drei Wochen des Wahlkampfs schienen sich keine großen Änderungen abzuzeichnen. Die Situation änderte sich markant, als Mitte April 2011 die Neue Demokratische Partei in den Umfragen zu den Liberalen aufschloss und wie diese auf einen Anteil von 25 % kam.[6]

In den folgenden zwei Wochen war die steigende Zustimmung für die sozialdemokratische NDP besonders in der Provinz Québec augenfällig. Nachdem sie dort 2008 nur viertstärkste Partei gewesen war, setzte sie sich nun deutlich an die Spitze und überrundete auch die bisher wählerstärkste Partei, den separatistischen Bloc Québécois. Auch in den übrigen Provinzen konnte die NDP steigende Zustimmungsraten verzeichnen, ließ landesweit die Liberalen hinter sich und verringerte den Abstand zu den Konservativen deutlich.[7]

Auswirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahlkreise im Detail

Die Konservativen legten leicht zu und gewannen 23 Sitze hinzu. Stephen Harper wurde als Regierungschef bestätigt und konnte nun mit einer knappen Mehrheit der Sitze regieren, anstatt wie bisher als Anführer einer Minderheitsregierung. Das beste Ergebnis in ihrer Geschichte erzielte die Neue Demokratische Partei, dies vor allem dank einem überragenden Abschneiden in der Provinz Québec, wo die Partei zuvor seit ihrer Gründung nur zweimal überhaupt einen Sitz gewonnen hatte. Die Erhöhung ihres Wähleranteils um 12,5 Prozentpunkte hatte eine Verdreifachung der bisherigen Sitzzahl zur Folge und Jack Layton übernahm als erster NDP-Vorsitzender überhaupt die Position des Oppositionsführers.

Die Liberale Partei brach deutlich ein und erzielte das mit Abstand schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Der separatistische Bloc Québécois, der in den sechs vorangegangenen Unterhauswahlen stets die Mehrheit der Sitze in Québec errungen hatte, musste eine empfindliche Niederlage hinnehmen und gewann nur noch vier Sitze. Michael Ignatieff und Gilles Duceppe, die Vorsitzenden der Liberalen bzw. des Bloc Québécois, unterlagen beide in ihrem Wahlkreis und traten zurück. Erstmals gewannen die Grünen einen Sitz im Unterhaus, mit ihrer Vorsitzenden Elizabeth May.

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stephen Harper
Jack Layton
Michael Ignatieff

Quelle: Elections Canada[8]

Gesamtergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Partei Vorsitzender Kandi-
daten
Sitze
2008
bei Auf-
lösung
Sitze
2011
+/− Stimmen Anteil +/−
  Konservative Partei Stephen Harper 307 143 143 166 + 23 5.832.401 39,62 % + 1,99 %
Neue Demokratische Partei Jack Layton 308 037 036 103 + 66 4.508.474 30,62 % + 12,49 %
Liberale Partei Michael Ignatieff 308 077 077 034 − 43 2.783.175 18,91 % − 7,31 %
Bloc Québécois Gilles Duceppe 075 049 047 004 − 45 889.788 06,05 % − 3,92 %
Grüne Partei Elizabeth May 304 001 + 01 576.221 03,91 % − 2,89 %
Unabhängige / nicht parteigebunden   061 002 002 02 72.731 00,49 % − 0,28 %
  Christian Heritage James Hnatiuk 046 19.218 0,13 % − 0,06 %
  Marxisten-Leninisten Anna Di Carlo 070 10.160 0,07 % − 0,01 %
  Libertarian Party Dennis Young 023 6.017 0,04 % − 0,01 %
  Progressive Canadian Party Sinclair Stevens 009 5.838 0,04 %
  Rhinoceros François Gourd 014 3.819 0,03 % + 0,01 %
  Piratenpartei Mikkel Paulson 010 3.198 0,02 % + 0,02 %
  Kommunistische Partei Miguel Figueroa 020 2.925 0,02 % − 0,01 %
  Canadian Action Party Christopher Porter 012 2.030 0,01 % − 0,01 %
  Marijuana Party Blair Longley 005 1.864 0,01 % − 0,01 %
  Animal Alliance Liz White 007 1.451 0,01 % + 0,01 %
  Western Block Party Doug Christie 004 748 >0,01 %
  United Party Brian Jedan 003 294 >0,01 %
  First Peoples National Party Will Morin 001 228 >0,01 %
  vakant 003
Gesamt 1.587 308 308 308 14.720.580 100,0 %

Ergebnis nach Provinzen und Territorien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Partei BC AB SK MB ON QC NB NS PE NL NU NT YT Gesamt
  Konservative Partei Sitze 21 27 13 11 73 5 8 4 1 1 1 1 166
Anteil in % 45,5 66,8 56,3 53,5 44,4 16,5 43,9 36,7 41,2 28,4 49,9 32,1 33,8 39,6
Neue Demokratische Partei Sitze 12 1 2 22 59 1 3 2 1 103
Anteil in % 32,5 16,8 32,3 25,8 25,6 42,9 29,8 30,3 15,4 32,6 19,4 45,8 14,4 30,6
Liberale Partei Sitze 2 1 1 11 7 1 4 3 4 34
Anteil in % 13,4 9,3 8,6 16,6 25,3 14,2 22,6 28,9 40,1 37,9 28,6 18,4 32,3 18,9
Bloc Québécois Sitze 4 4
Anteil in % 23,4 6,1
Grüne Partei Sitze 1 1
Anteil in % 7,7 5,3 2,7 3,6 3,8 2,1 3,2 4,0 2,4 0,9 2,1 3,1 18,9 3,9
Unabhängige Anteil in % 0,2 1,3 0,2 0,1 0,2 0,6 0,5 0,3 0,4

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kanadische Unterhauswahl 2011 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. GG agrees to suspend Parliament until January. CBC News, 4. Dezember 2008, abgerufen am 30. April 2011 (englisch).
  2. Premier Harper regiert ohne Parlament. Handelsblatt, 6. Januar 2010, abgerufen am 30. April 2011.
  3. Thousands turn out at rallies to protest proroguing of Parliament. The Gazette, 24. Januar 2010, archiviert vom Original am 3. April 2011; abgerufen am 30. April 2011 (englisch).
  4. Tory election allegations ‘illegal’ not administrative, prosecutor says. The Globe and Mail, 28. Februar 2011, archiviert vom Original am 25. April 2013; abgerufen am 30. April 2011 (englisch).
  5. Harper government falls in historic Commons showdown. The Globe and Mail, 25. März 2011, archiviert vom Original am 28. September 2018; abgerufen am 30. April 2011 (englisch).
  6. NDP moves into tie with Liberals. Toronto Star, 18. April 2011, abgerufen am 30. April 2011 (englisch).
  7. ‘Terra incognita’: Poll projects 100 seats for surging NDP. The Globe and Mail, 25. April 2011, abgerufen am 30. April 2011 (englisch).
  8. General Election – May 2, 2011. Elections Canada, 17. März 2014, abgerufen am 11. September 2015 (englisch).