Kannibalenfilm

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Der Kannibalenfilm ist ein Filmgenre aus dem Bereich des Exploitation- und Splatterfilms, mit Einflüssen des Horror-, Abenteuer- und teilweise Sexfilms.

Die vorwiegend von italienischen Filmemachern in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren produzierten Filme erlebten in dieser Periode auch ihren Höhepunkt. Filme dieser Richtung handeln meist von urzeitlichen Naturvölkern aus südamerikanischen und asiatischen Gebieten, welche mit der Zivilisation in Berührung kommen. Oftmals wird versucht, die Vorstellung von scheinbar zivilisierten und scheinbar unzivilisierten Kulturen zu hinterfragen, was durch die unnoblen Motive und Handlungen der vermeintlich zivilisierten Eindringlinge verdeutlicht wird, welche die Sozialstruktur der ansässigen Gesellschaften oftmals – aber nicht immer – mutwillig und aus Eigennutz stören. Im Kontext des Versuchs der Aufhebung von vermeintlich zivilisierten und unzivilisierten Kulturen lassen sich Verbindungen zum Mondogenre im Stile von Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi ziehen. Ein weiterer Schwerpunkt vieler Filme des Genres liegt bei der (vermeintlich) anthropologischen Darstellung urzeitlicher Gesellschaftsverbände und den unterschiedlichen Formen und Beweggründen für kannibalistische Handlungen. Ebenso finden sich innerhalb des Genres jedoch auch unzählige Filme, welche auf jene sozialkritischen Ansätze verzichten. Wegen der oftmaligen Nutzung von realen Tiertötungen stand das Genre teilweise unter Kritik. Im weiteren Sinne werden auch oftmals Filme, in denen Kannibalismus eine zentrale Rolle spielt, als Kannibalenfilme bezeichnet (so zum Beispiel Cannibal! The Musical oder Man-Eater – Der Menschenfresser).

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der erste Film, den man in dieses Genre einordnete, war 1972 Il paese del sesso selvaggio (dt. Titel Mondo Cannibale) von Umberto Lenzi. Er handelte von einem Fotografen, der im birmanischen Dschungel von einem Stamm verschleppt und in einen Krieg mit einem benachbarten Kannibalenstamm verwickelt wurde. Obwohl dieser Film noch keine Welle von Kannibalenfilmen auslöste, galt er doch als Hauptinspiration von Ultimo mondo cannibale (dt. Titel Mondo Cannibale, 2. Teil – Der Vogelmensch) von Ruggero Deodato aus dem Jahr 1977, dem dann eine Vielzahl weiterer Filme dieser Art folgten. Der bekannteste und erfolgreichste Kannibalenfilm wurde im Jahr 1980 mit Deodatos Cannibal Holocaust (dt. Titel Nackt und zerfleischt, bzw. Cannibal Holocaust) gedreht. Ebenfalls sehr erfolgreich war ein Jahr später Umberto Lenzis Cannibal Ferox (dt. Titel Die Rache der Kannibalen). Weitere bedeutende Regisseure des Genres stellen Jess Franco (Mondo Cannibale 3 1980) und Joe D’Amato (Emanuelle e gli ultimi cannibali (dt. Titel u. a. Nackt unter Kannibalen) 1977) dar, wobei beide das Genre mit ihren Filmen um einen beträchtlichen Anteil von Sexszenen, sowohl Softcore als teilweise auch Hardcore, erweiterten. Zu Beginn der 80er ebbte die Welle der Kannibalenfilme ab und war bis zum Anfang der 1990er praktisch ganz verschwunden. Zu den bekanntesten Darstellern des Genres zählen Robert Kerman, Ivan Rassimov und Me Me Lai, welche in je drei Filmen des Genres mitwirkten.

Zu modernen Vertretern der Kannibalenfilme zählen zum Beispiel Roter Drache, Hannibal und Hannibal Rising. Allerdings ist hier Kannibalismus eher als ein Motiv oder Thema zu sehen. Sie unterscheiden sich recht deutlich vom Filmgenre. Isle of the Damned, eine US-amerikanische Independentproduktion dagegen stellt eine Hommage an den Kannibalenfilm der 1970er Jahre dar. Der Film wurde im August 2012 beschlagnahmt.[1][2] Auf der wahren Begebenheit des Kriminalfalls um den kannibalischen Triebtäter Armin Meiwes basiert der deutsche Horrorfilm Rohtenburg, der zeitweise mit einem gerichtlichen Verbot belegt war, von Regisseur Martin Weisz von 2006.

Kannibalenfilme während des Kannibalenfilmbooms (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutscher Verleihtitel Originaltitel Regisseur Jahr Beschreibung
Mondo Cannibale Il paese del sesso selvaggio Umberto Lenzi 1972
Mondo Cannibale, 2. Teil – Der Vogelmensch Ultimo mondo cannibale Ruggero Deodato 1977
Nackt unter Kannibalen Emanuelle e gli ultimi cannibali Joe D’Amato 1977 Beschlagnahmter Film
Die weiße Göttin der Kannibalen La montagna del dio cannibale Sergio Martino 1978 Beschlagnahmter Film
Der Todesschrei der Kannibalen Primitif Sisworo Gautama Putra 1978
Papaya – Die Liebesgöttin der Kannibalen Papaya dei Caribi Joe D’Amato 1978
Asphaltkannibalen Apocalypse domani Antonio Margheriti 1980
Nackt und zerfleischt Cannibal Holocaust Ruggero Deodato 1980 Beschlagnahmter Film
Lebendig gefressen Mangiati vivi! Umberto Lenzi 1980
Zombies unter Kannibalen Zombi Holocaust Marino Girolami 1980
Mondo Cannibale 3 – Die blonde Göttin der Kannibalen Mondo Cannibale 3 Jess Franco 1980 Beschlagnahmter Film
Jungfrau unter Kannibalen Sexo caníbal Jess Franco 1980
Wir kommen und werden Euch fressen Dì yù wú mén Tsui Hark 1980 Indiziert
Woodoo-Baby – Sex und schwarze Magie in der Karibik Orgasmo nero Joe D’Amato 1980
Die Rache der Kannibalen Cannibal Ferox Umberto Lenzi 1981 Beschlagnahmter Film
Cannibal Terror Terror caníbal Alain Deruelle 1981
Mondo Cannibale 4 – Nackt unter Wilden El tesoro de la diosa blanca Jess Franco 1983

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aron Boone: Kannibalen! Medien-, Publikations- und Werbegesellschaft Knorr Martens, Hille 1998, ISBN 3-931608-19-0.
  • Denny Corso: Cannibal Movie Chronicles. Medien-, Publikations- und Werbegesellschaft Knorr Martens, Hille 2008, ISBN 978-3-931608-88-0.
  • Michaela Krützen: I'm having an old friend for dinner. Ein Menschenfresser im Klassischen Hollywoodkino. In: Daniel Fulda, Walter Pape (Hrsg.): Das andere Essen. Kannibalismus als Motiv und Metapher in der Literatur (= Rombach Wissenschaften. 70). Rombach, Freiburg (Breisgau) 2001, ISBN 3-7930-9258-5, S. 483–531.
  • Dominik Schrey: If I die, you can eat me – Kannibalismus als Motiv im Spielfilm. In: Christian Hoffstadt, Franz Peschke, Andreas Schulz-Buchta, Michael Nagenborg (Hrsg.): Der Fremdkörper (= Aspekte der Medizinphilosophie. 6). Projektverlag, Bochum u. a. 2008, ISBN 978-3-89733-189-1, S. 551–570.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Indizierungen/Beschlagnahmungen August 2012. Abgerufen am 31. August 2012.
  2. Az.: 27 Gs – 51 UJs 53838/12, AG Fulda, Beschlagnahmebeschluss vom 28. Juni 2012