Kantonsbibliothek Thurgau

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Kantonsbibliothek in Frauenfeld

Die Kantonsbibliothek Thurgau in Frauenfeld (Schweiz) stellt Informationen und Medien bereit und hat den Auftrag, thurgauische Regionalliteratur zu sammeln und zu erschliessen. Die Benutzung der Kantonsbibliothek steht allen Bevölkerungsteilen offen. Sie ist ein Bestandteil der kulturellen Grundeinrichtung des Kantons Thurgau und dient der Förderung der wissenschaftlichen Arbeit, sowie der allgemeinen Bildung, dem Lehren und Lernen und ebenso der Unterhaltung von Erwachsenen und Jugendlichen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der Gründung bis zur Übernahme der Klosterbibliotheken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufruf zur Sammlung von Thurgoviana. Frauenfeld, 1881

Die Thurgauische Cantons-Bibliothek wurde am 29. Oktober 1805 als Verwaltungsbibliothek des 1803 gegründeten Kantons Thurgau errichtet. Der Bestand umfasste zunächst Gesetzesbücher als Handbibliothek für Ratsmitglieder und die obersten Gerichtsstellen. Er wurde im Schrank der Privatwohnung des ersten Kantonsbibliothekars, Regierungsrat Johannes Morell, aufbewahrt. 1846 erfolgte der Umzug ins Redinghaus an der Zürcherstrasse 180 in Frauenfeld, seit 1807 Sitz der kantonalen Regierung.

Als Folge der Aufhebung der Thurgauer Klöster im Jahr 1848 gelangten 1852 die Bestände der Klosterbibliotheken Fischingen und Ittingen nach Frauenfeld, wo sie auf dem Dachboden der Kantonsschule, dem heutigen Bibliotheksgebäude, eingelagert wurden.[1] Die Werke wurden in den Bestand der Kantonsbibliothek integriert, welcher sich bisher vorwiegend aus rechts- und staatswissenschaftlichen Werken zusammengesetzt hatte. 1858 erschien der erste gedruckte Katalog mit einem Umfang von etwa 5000 Bänden.

Ankauf der Stadtbibliothek[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der nächste handschriftliche Katalog, 1862 von Kantonsbibliothekar Johann Adam Pupikofer verfasst, enthielt bereits 10'000 Werke. Im gleichen Jahr wurde der Bestand der Klosterbibliothek Kreuzlingen integriert.[2] 1864 erfolgte der Ankauf der Stadtbibliothek Frauenfeld, welche in den 1830er Jahren aus einer städtischen Lesegesellschaft hervorgegangen war. Durch die Übernahme veränderten sich Bestand und Publikum der Kantonsbibliothek, die fortan auch die Funktion einer öffentlichen Bibliothek einnahm. Die Öffnung gegenüber einem breiteren Publikum wurde seitens der Bibliotheksleitung, welche ihre Aufgabe primär im konservativen Bildungsauftrag und der Förderung des wissenschaftlichen Lebens im Kanton sah, zunächst kritisch beobachtet.

1868 zog die Kantonsbibliothek in einen für sie konzipierten Raum im neu erbauten Regierungsgebäude an der Zürcherstrasse 188 in Frauenfeld. Dieser bot Platz für 50'000 Bände. Ausserdem standen der Bibliothek ein Schalterraum und ein Lesesaal zur Verfügung. 1869 wurde die Bibliothek des Klosters St. Katharinental übernommen.

Johannes Meyer, Kantonsbibliothekar von 1880–1912, begründete mit den Thurgoviana eine bis heute ergänzte Abteilung, die alle den Thurgau betreffende Literatur unter einer Signatur versammelte. Meyer war es auch, der 1885/86 einen neuen Gesamtkatalog verfasste, welcher den inzwischen auf etwa 30'000 Bände angewachsenen Bestand in 34 thematische Abteilungen gliederte.[3]

Umzug ins Gebäude an der Promenade[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vinzenz von Beauvais: Speculum Historiale Ausgabe; Nürnberg Anton Koberger 1483 (Kantonsbibliothek Thurgau X 769)

1911 bewilligte das Thurgauer Volk den Bau einer neuen Kantonsschule. Zwei Jahre später zogen die Kantonsbibliothek und das Thurgauer Obergericht in das frei gewordene Gebäude an der Promenade.

Kantonsbibliothekar Friedrich Schaltegger, Leiter der Bibliothek seit 1912, stellte einen ersten Inkunabelkatalog zusammen, welcher die rund 800 Wiegendrucke im Besitz der Kantonsbibliothek verzeichnete.

In den 1930er Jahren kam es zu einer bedeutsamen Differenzierung der Aufgaben, die bis anhin vom Kantonsbibliothekaren bewältigt worden waren: 1938 wurde mit dem Archivneubau eine hauptamtliche Archivarenstelle geschaffen und mit dem ersten Staatsarchivar Bruno Meyer besetzt. Auch die Denkmalpflege, unter der Leitung von Albert Knoepfli, wurde als eigenständiges Amt eingerichtet.

Kantonsbibliothekar Egon Isler[4], im Amt seit 1933, revidierte in seiner Amtszeit die vorhandenen Kataloge. Er erstellte den ersten, drei Foliobände umfassenden Sachkatalog auf Basis der Dezimalklassifikation. 1954 ersetzte er ihn durch eine Zettelkartei, welche die Eingliederung der Neuzugänge erleichterte.

1959 wurde eine kantonale Kommission für Schulbibliotheken unter dem Präsidium des Kantonsbibliothekars eingerichtet.

Ende der reinen Magazinbibliothek[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Lesesaal (2015)

Seit der Übernahme der Stadtbibliothek 1864 erfüllte die Kantonsbibliothek Thurgau eine breite Palette verschiedener Funktionen: sie war sowohl Verwaltungs-, als auch Schulbibliothek, die wissenschaftliche Bibliothek des gesamten Kantons und zugleich Frauenfelder Stadtbibliothek. Diesen Aufgaben konnte der traditionelle Schalterbetrieb mit Magazinbestellungen je länger, desto weniger gerecht werden. Unter Walter Schmid, dem neuen Kantonsbibliothekar ab 1972, wurde ein Regal mit zunächst 200 bis 250 Neuanschaffungen pro Jahr als Freihandbibliothek konzipiert. Dieses markierte die eigentliche Geburtsstunde der Freihandbibliothek, die den Benutzern den Umweg über Kataloge und Magazin abnahm und zum freien Schmökern und Blättern einlud. In Folge kam es 1983 zur Aufteilung der Kantonsbibliothek in zwei Abteilungen: Eine Studienbibliothek als reine Magazinbibliothek und eine Freihandbibliothek, die vor allem als Volks- und Jugendbibliothek dienen sollte. Die beiden Abteilungen wurden 2005 anlässlich der Gesamtrenovation des Gebäudes an der Promenade organisatorisch und personell wieder zusammengeführt.

Leitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeitraum Kantonsbibliothekar/in
1805–1835 Johannes Morell
1835–1857 Andreas Stähele
1858–1862 Johannes Herzog
1862–1879 Johann Adam Pupikofer
1880–1912 Johannes Meyer
1912–1925 Friedrich Schaltegger
1925–1926 Walter Gonzenbach
1926–1933 Julius Rickenmann
1933–1972 Egon Isler
1972–1993 Walter Schmid
1993–2009 Heinz Bothien
2009–2012 Monika Mosberger
seit 2012 Bernhard Bertelmann

Bestand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ulrich von Richental: Concilium zu Konstanz. Augsburg: Anton Sorg, 1483. Kantonsbibliothek Thurgau, X 656, 15r.

Der Bestand der Kantonsbibliothek Thurgau umfasst gegen 300'000 Medien, darunter 500 laufende Zeitschriften und Zeitungen sowie Nonbooks. Der historische Bestand umfasst ca. 400 Handschriften, 643 Inkunabeln und über 600 Postinkunabeln, rund 10'000 Alte Drucke des 16. bis 18. Jahrhunderts sowie diverse Musikalien und Karten. Das Hauptsammelgebiet der Bibliothek, die als Kantonsbibliothek die Aufgabe hat, sämtliche Literatur über den Thurgau sowie Schriften von Thurgauischen Autoren zu sammeln, sind die Thurgoviana.

Digitale Angebote[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Rahmen ihrer digitalen Angebote ist die Kantonsbibliothek Thurgau unter anderem Mitglied der Digitalen Bibliothek Ostschweiz. Die E-Medien (zum Beispiel: E-Books, E-Papers, E-Audios, E-Music und E-Videos) werden durch den Zugang zum Genios Presseportal ergänzt, in dem über 300 vor allem deutschsprachige Tages- und Wochenzeitungen online aufgerufen und recherchiert werden können.

Katalog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der elektronische Katalog der Kantonsbibliothek Thurgau verzeichnet auch Bestände von kantonalen Ämtern und hat über 100'000 Titelaufnahmen registriert. Alle Bestände aus dem Bücher- und Medienbereich, die sich seit 1960 in der Kantonsbibliothek befinden, sind im OPAC (Online Public Access Catalog) erfasst und können elektronisch abgefragt werden.

Netzwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kantonsbibliothek Thurgau ist Partnerin des Netzwerks für Wissenschaft und Forschung Thurgau Wissenschaft.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sebastian Keller: Thurgauer Literatur sichern, in: Thurgauer Zeitung, 5. April 2014. Digitalisat
  • Cobie Kuné: Geistliche Texte aus einer spätmittelalterlichen Handschrift. "Frauenfelder Passionsgedicht" – "Die fünf Herzeleid Mariä" – "Cordiale" – Die Gründungsgeschichte des Kartäuserordens und weitere Texte aus der Kantonsbibliothek Thurgau, Frauenfeld, Ms. Y 80 : Edition und Kommentar, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7776-2128-9.
  • Andre Gutmann: Die Schwabenkriegschronik des Kaspar Frey und ihre Stellung in der eidgenössischen Historiographie des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-020982-4.
  • Angelus Hux: Zur Baugeschichte des Gebäudes der ersten Kantonsschule im Thurgau – heute die Kantonsbibliothek Thurgau, in: Kantonsbibliothek – ein Haus des Wissens, hg. v. Heinz Bothien, Frauenfeld 2007, S. 9–31.
  • Hanspeter Ruprecht et al.: Erneuerungen im Gebiet Promenade, Frauenfeld: Obergericht, Botanischer Garten, Kantonsbibliothek, Frauenfeld 2005.
  • Emanuel Weissen: Die Geschichte der Thurgauischen Kantonsbibliothek, in: Untersuchungen und Konzept zur Einführung einer Aufstellungssystematik für die zukünftige Freihandabteilung der Thurgauischen Kantonsbibliothek: Diplomarbeit 2002: NDS Information und Dokumentation, Chur 2002, S. 7–19.
  • Marianne Luginbühl und Heinz Bothien: Auch Bücher haben ihr Schicksal. Die Geschichte der thurgauischen Klosterbibliotheken seit dem 19. Jahrhundert, Frauenfeld, 1999.
  • Beat Gnädinger, Gregor Spuhler: Frauenfeld: Die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, Frauenfeld 1996, ISBN 3-7193-1115-5.
  • Walter Schmid: Die thurgauische Kantonsbibliothek, ihre Geschichte und ihre Aufgaben in thurgauischen Diensten, in: Thurgauer Jahresmappe 1986, S. 11–23.
  • Rudolf Werner (Hrsg.): Die Pflege der Musik in St.Katharinental im 18. und 19. Jahrhundert, Frauenfeld 1979.
  • Egon Isler: Kurze Geschichte der Thurgauischen Kantonsbibliothek, Separatdruck aus: Nachrichten der Vereinigung schweizerischer Bibliothekare, 1970, Nr. 1.
  • Johannes Meyer: Vorbericht (Die Entwicklung der Kantonsbibliothek), in: Thurgauische Kantonsbibliothek (Frauenfeld). Katalog der Thurgauischen Kantonsbibliothek 1886, Frauenfeld 1887, S. I-XXXVII.
  • Manfred Spalinger: Die Kantonsbibliothek Thurgau, in: Rothenbühler, Verena; Salathé, André (Hrsg.): Clio küsst den Thurgau. Der Historische Verein und die Geschichtsforschung im Thurgau 1859–2009 (Thurgauer Beiträge zur Geschichte 145/2008, ISBN 978-3-9522896-5-5), Frauenfeld 2009, S. 151–174.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kantonsbibliothek Thurgau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Luginbühl / Bothien, Bücher, S. 15–20; Meyer: Vorbericht, S. XII-XIII.
  2. Luginbühl / Bothien, Bücher, S. 20.
  3. Meyer, Thurgauische Kantonsbibliothek.
  4. Thurgauer Jahrbuch: Egon Isler. Abgerufen am 7. April 2020.

Koordinaten: 47° 33′ 22,3″ N, 8° 53′ 57,9″ O; CH1903: 709945 / 268300