Karl August Varnhagen von Ense

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K. A. Varnhagen von Ense 1839 (Zeichnung von Samuel Friedrich Diez)
Signatur Varnhagens
Signatur Varnhagens

Karl August Varnhagen, ab 1826 auch offiziell Varnhagen von Ense[1] (* 21. Februar 1785 in Düsseldorf; † 10. Oktober 1858 in Berlin) war ein deutscher Chronist der Zeit der Romantik bis zur Revolution 1848 und des sich anschließenden Jahrzehnts der Reaktion, außerdem Erzähler, Biograph, Tagebuchschreiber und Diplomat.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Varnhagen von Ense 1822 (Zeichnung von Wilhelm Hensel)

Karl August Varnhagen von Ense wurde 1785 als Sohn des Arztes Johann Andreas Jacob Varnhagen (1756–1799) und dessen Ehefrau Anna Maria, geborene Kuntz (1755–1826) im damals bergischen Düsseldorf geboren. Als Kind geriet er aufgrund von Aufenthalten am Rhein, in Straßburg, in Brüssel und in Hamburg in den Umkreis der Französischen Revolution. Der Vater neigte der Politik zu. Der Sohn wuchs eine Zeitlang fern von Mutter und Schwester auf. Als 14-Jähriger erlebte Varnhagen von Ense in Hamburg den nach kurzem Siechtum eingetretenen Tod seines Vaters. Er studierte an der Pépinière, der medizinischen Akademie in Berlin, drei Jahre lang, sowie in Halle und Tübingen. Als Hauslehrer und Hofmeister sowie Erzieher bei Familien des jüdischen Bürgertums lernte er früh jüngere, aber teilweise schon prominente Zeitgenossen kennen, so Adelbert von Chamisso, Justinus Kerner, Friedrich de la Motte Fouqué, Ludwig Uhland und zahlreiche andere Dichter der Romantik. Mit einigen von ihnen gründete Varnhagen von Ense den Nordsternbund und beteiligte auch seine Schwester Rosa Maria an seinen Anthologien (Erzählungen und Spiele, 1807; Chamisso-Varnhagen-von-Ense’scher Musenalmanach, 1804–1806).

Seracher Dichterkreis, Varnhagen von Ense ganz rechts

Als Offizier in österreichischen, später in russischen Diensten nahm er an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil. Für seine Verdienste als kaiserlich-russischer Kapitän in den Befreiungskriegen wurde ihm vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. am 28. Dezember 1814 der Orden Pour le Mérite verliehen.[2] Später begleitete er Hardenberg zum Wiener Kongress und nach Paris. Er wurde 1815 zum preußischen Gesandten in Karlsruhe berufen, aber 1819, „demokratischer Neigungen“ verdächtig, abberufen und ließ sich darauf in Berlin nieder. 1813 wurde Varnhagen von Ense Mitglied im Bund der Freimaurer, seine Mutterloge war die Freimaurerloge Zur goldenen Kugel in Hamburg.

Am 27. September 1814 heirateten er und die 14 Jahre ältere Schriftstellerin Rahel Levin, die sich damals bereits seit Jahren Robert-Tornow nannte. Nach deren Tod 1833 gab der Witwer die Auswahlsammlung mit Briefen und Tagebuch-Auszügen Rahel: Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde heraus (1 Band 1833, 3 Bände 1834) und sammelte die von ihr überlieferten 6000 Briefe sowie weitere Briefe von und an 9000 Personen. Zusammen mit weiteren eigenen oder durch Schenkungen, Tausch oder Kauf erworbenen Autographen schuf er so die Sammlung Varnhagen. Seine Nichte Ludmilla Assing (1821–1880) wurde seine Universalerbin und gab die Tagebücher Varnhagen von Enses sowie zahlreiche weitere Bücher dieser Sammlung heraus. Testamentarisch vermachte sie die Handschriften, Bücher und Bilder der Königlichen Bibliothek zu Berlin, die sie im Frühjahr 1881 in ihren Bestand aufnahm. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bibliothek nach Schlesien ausgelagert, weshalb sich heute die Handschriften in der Biblioteka Jagiellońska,[3] der Bibliothek der Jagiellonen-Universität in Krakau, die Bücher und Bilder indes in der Staatsbibliothek zu Berlin[4] befinden.

Ehrengrab des Ehepaars Varnhagen von Ense in Berlin-Kreuzberg

Die gemeinsame Grabstätte des Ehepaars Varnhagen von Ense befindet sich auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I in Berlin-Kreuzberg. Obwohl sie 25 Jahre vor ihrem Gatten gestorben war, wurde Rahel Varnhagen erst neun Jahre nach ihm hier beigesetzt. Zuvor war ihr Sarg in einer Halle auf dem Friedhofsquartier vor dem Halleschen Tor aufbewahrt worden. Als Grabmarkierungen dienen zwei marmorne Kissensteine mit Inschriften, die auf dem efeubewachsenen Grabhügel liegen. Eine weitere Marmorplatte mit einem Zitat von Rahel Varnhagen ist stehend angebracht.[5] Die Grabstätte wurde im Herbst 2007 durch das Landesamt für Denkmalpflege und die Varnhagen Gesellschaft restauriert und mit einer Ruhebank versehen.

Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte des Ehepaars Varnhagen (Grablage DV2-2-38/39), zu Ehren von Rahel Varnhagen, seit 1956 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung wurde im Jahr 2016 um die inzwischen übliche Frist von zwanzig Jahren verlängert.[6]

Adelstitel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab Oktober 1811 zeichnete Varnhagen seine Veröffentlichungen mit K. A. Varnhagen v. Ense, indem er den Namen seiner ritterbürtigen Vorfahren annahm,[7] wozu ihm u. a. sein Vorgesetzter, Oberst Wilhelm von Bentheim-Steinfurt und der Freiherr vom Stein geraten hatten. Nach französischer Rechtsauffassung war der gebürtige Düsseldorfer Varnhagen ein Landeskind der Rheinbundstaaten und hätte sich als Bürgerlicher einer drohenden Konskription[8] für den Russlandfeldzug nicht entziehen können.[9] Zur Bestätigung benötigte er Taufscheine seiner Vorfahren, die er dem österreichischen Kaiser vorzulegen gedachte, die aber in den Wirren der napoleonischen Kriege und nachfolgenden Befreiungskriege nicht leicht zu erlangen waren.[10] Nachdem Varnhagen von Ense in preußische Dienste getreten war – inzwischen für seine Dienste im russischen Kosakenheer unter General Friedrich Karl von Tettenborn zum Ritter des schwedischen Schwertordens ernannt −, und mehrere seiner Werke Mitgliedern der preußischen Königsfamilie gewidmet hatte, wurde ihm in aller Diskretion nachträglich ein preußisches Adelspatent verliehen, das auch für seine Ehefrau galt. Dessen Ausstellung wurde auf Varnhagens Wunsch vom zuständigen Hausminister Wittgenstein nicht, wie in solchen Fällen üblich, in der Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung veröffentlicht.[11]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Oskar Franz WalzelVarnhagen von Ense, Karl August. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 39, Duncker & Humblot, Leipzig 1895, S. 769–780.
  • Nikolaus GatterVarnhagen von Ense, Karl August. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 716–718 (Digitalisat).
  • Konrad Feilchenfeldt: Varnhagen von Ense als Historiker. Verlag der Erasmus Buchhandlung, Amsterdam 1971.
  • Joachim Kühn: Zwei Briefe Varnhagens an Carlyle. In: Jahrbuch Der Bär von Berlin, hrsg. v. Verein für die Geschichte Berlins, 20. Jahrgang, Berlin 1971.
  • Terry H. Pickett: The Unseasonable Democrat: K. A. Varnhagen von Ense (1780–1858) (= Modern German Studies, Band 14). Bouvier Verlag Herbert Grundmann, Bonn 1985, ISBN 3-416-01883-4 (Digitalisat).
  • Werner Greiling: Varnhagen von Ense. Lebensweg eines Liberalen. Politisches Wirken zwischen Diplomatie und Revolution. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 1993, ISBN 3-412-05692-8.
  • Friedrich von Klocke: Karl August Varnhagen von Ense als Adelsursupator. In: Westfälisches Adelsblatt, 5 (1928), S. 242–248.
  • Ursula Wiedenmann: Karl August Varnhagen von Ense. Ein Unbequemer in der Biedermeierzeit. J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 1994, ISBN 3-476-00983-1 (Digitalisat).
  • Nikolaus Gatter: „Gift, geradezu Gift für das unwissende Publicum“. Der diaristische Nachlaß von Karl August Varnhagen von Ense und die Polemik gegen Ludmilla Assings Editionen (1860–1880). Aisthesis, Bielefeld 1996, ISBN 3-89528-149-2; dass., vom Verfasser durchgesehene 2. Auflage, Varnhagen Gesellschaft e. V., Köln 2020 (Digitalisat).
  • Nikolaus Gatter (Hrsg.): Wenn die Geschichte um eine Ecke geht (= Almanach der Varnhagen Gesellschaft, Bd. 1). Berlin Verlag Arno Spitz, Berlin 2000, ISBN 3-8305-0025-4.
  • Berndt Tilp (Hrsg.): Karl August Varnhagen von Ense / Heinrich Düntzer: Briefwechsel 1842–1858 (= Forschungen zum Junghegelianismus, Bd. 7). 2 Bde. Peter Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2002, ISBN 3-631-39894-8.
  • Nikolaus Gatter (Hrsg.): Makkaroni und Geistesspeise (= Almanach der Varnhagen Gesellschaft, Bd. 2). Berliner Wissenschafts Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8305-0296-6.
  • Hazel Rosenstrauch: Varnhagen und die Kunst des geselligen Lebens. Eine Jugend um 1800. Biographischer Essay. Das Arsenal, Berlin 2003, ISBN 3-931109-50-X.
  • Konrad Feilchenfeldt, Bernhard Fischer, Dietmar Pravida (Hrsg.): Varnhagen von Ense und Cotta. Briefwechsel 1810–1848 (= Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft Bd. 51.1–51.2). 2 Bde. J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachf., Stuttgart 2006, ISBN 3-7681-9700-X.
  • Nikolaus Gatter: „Lebensbilder, die Zukunft zu bevölkern.“ Von Rahel Levins Salon zur ‚Sammlung Varnhagen‘. Varnhagen Gesellschaft e. V., Köln 2006, ISBN 3-00-019894-6.
  • Nikolaus Gatter: Nachwort. In Karl August Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten des eignen Lebens. Bd. 1, Golkonda-Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-944720-07-4, S. 401–472 (Digitalisat).
  • Nikolaus Gatter: „...gleichsam die andere Hälfte des Werks!“ Was in der Varnhagensammlung fehlt – ein Werkstattbericht. In: Internationales Jahrbuch der Bettina-von-Arnim-Gesellschaft. Forum für die Erforschung von Romantik und Vormärz, 28/29 (206/2017), S. 139–160 (Digitalisat)
  • Nikolaus Gatter (Hrsg.), unter Mitarbeit von Inge Brose-Müller und Sigrun Hopfensperger: Der Sopha schön, und doch zum Lottern (= Almanach der Varnhagen Gesellschaft, Bd. 3). Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-8305-0579-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Karl August Varnhagen von Ense – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Maximilian Gritzner: Chronologische Matrikel der Brandenburgisch-Preußischen Standeserhöhungen und Gnadenacte von 1600–1873. Berlin 1874, S. 91 (Digitalisat).
  2. Gustav Lehmann: Die Ritter des Ordens pour le merite. Band II. Berlin 1913, S. 337 (Nr. 2260).
  3. Biblioteka Jagiellońska
  4. Bibliothek Varnhagen in der Staatsbibliothek zu Berlin; abgerufen am 23. August 2019.
  5. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 228. Rahel Varnhagen von Ense. Kurzbiografie von Rahel Varnhagen und Beschreibung des Grabmals auf der Website der „Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg“; abgerufen am 6. April 2019.
  6. Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: November 2018). (PDF, 413 kB) Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, S. 89; abgerufen am 6. April 2019. Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstätten als Ehrengrabstätten des Landes Berlin. (PDF, 205 kB). Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 17/3105 vom 13. Juli 2016, S. 1 und Anlage 2, S. 16; abgerufen am 6. April 2019.
  7. Vgl. Anton Fahne: Geschichte der kölnischen, jülichschen und bergischen Geschlechter in Stammtafeln, Wappen, Siegeln und Urkunden. Bd. 2, Heberle, Köln 1853, S. 169 f. (Web-Ressource).
  8. Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel. Hrsg. v. Ludmilla Assing. Bd. 2, Leipzig, F. A. Brockhaus 1874, S. 243 (Web-Ressource); vgl. Nikolaus Gatter: Nachwort. In Karl August Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten des eignen Lebens. Bd. 1, Golkonda-Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-944720-07-4, S. 417 (Web-Ressource).
  9. Karl August Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten des eignen Lebens.In ders.: Ausgewählte Schriften. Hrsg. v. Ludmilla Assing, Bd. 3, F. A. Brockhaus, Leipzig 1871, S. 337 f. (Web-Ressource); aus dem gleichen Grund wurde der Geburtsort seines späteren Vorgesetzten, General Friedrich Karl von Tettenborn, in den Urkunden verändert, vgl. ebd., S. 351 (Web-Ressource).
  10. Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel. Hrsg. v. Ludmilla Assing. Bd. 2, Leipzig, F. A. Brockhaus 1874, S. 224 (Web-Ressource).
  11. Carl Misch: Varnhagen und sein Adelsprädikat. In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 38 (1926) S. 101–116.
  12. Der main-belt asteroid Nr. 2100029.