Karl Otto Conrady

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Karl Otto Conrady (* 21. Februar 1926 in Hamm/Westfalen; † 1. Juli 2020 in Köln[1]) war ein deutscher Literaturhistoriker, Schriftsteller, Herausgeber und Kulturpolitiker.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Otto Conrady verbrachte Kindheit und Jugend in Hamm. Er beantragte am 22. Januar 1944 die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 20. April desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 9.799.266).[2][3] Er wurde im Juli 1944, nach Erhalt des Reifevermerks am humanistischen Gymnasium Hammonense in Hamm, zum Kriegsdienst verpflichtet.[4] Im Juli 1945 wurde Conrady als 19-Jähriger aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, in die er im April 1945 als Gefreiter der Infanterie der Wehrmacht geraten war. Von August 1945 bis Mai 1947 war er als Clerk bei einer britischen Militäreinheit tätig.[5]

1947 wurde Conrady zum Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zugelassen, das er 1952 mit dem Staatsexamen abschloss. 1953 folgte die Promotion bei Benno von Wiese, 1957 habilitierte er sich mit einer Arbeit über Lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik des 17. Jahrhunderts. Von 1958 bis 1961 war Conrady als Diätendozent an der Universität Göttingen tätig, 1961 als Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken und von 1962 bis 1969 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Von 1969 bis 1991, dem Jahr der Emeritierung, lehrte Karl Otto Conrady an der Universität zu Köln.[6]

Von 1967 bis 1969 war Conrady als SPD-Abgeordneter und Vorsitzender des Kultusausschusses Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Seit 1977 gehörte er keiner Partei mehr an. Er blieb jedoch weiterhin kulturpolitisch engagiert.

1976 bis 1979 war Karl Otto Conrady Vorsitzender des Deutschen Germanistenverbandes. Er war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, dessen Präsident er von November 1996 bis Oktober 1998 war.

Karl Otto Conrady wurde insbesondere als Herausgeber gewichtiger Anthologien deutschsprachiger Lyrik bekannt. Der Große Conrady. Das Buch deutscher Gedichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart gilt als die Lyrik-Sammlung im deutschen Sprachraum schlechthin.[7] Das Buch erschien erstmals 1977 und wurde 1991, 2000 und 2008 aktualisiert und erweitert. Darüber hinaus galt er als einer der führenden Experten für Leben und Werk Johann Wolfgang von Goethes, über den er u. a. eine umfangreiche Biographie schrieb.

Karl Otto Conrady wohnte während seiner Tätigkeit als Kölner Hochschullehrer in Rösrath und lebte seit 2009 in Köln. Er starb am 1. Juli 2020 im Alter von 94 Jahren. Er wurde in der Familiengrabstätte auf dem Ostenfriedhof in Hamm beigesetzt.[8]

Einzeltitel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literaturwissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik des 17. Jahrhunderts. Bouvier Verlag, Bonn 1962.
  • Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1966.
  • Mit Eberhard Lämmert u. a.: Germanistik – eine deutsche Wissenschaft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1967.
  • Literatur und Germanistik als Herausforderung. Skizzen und Stellungnahmen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974.
  • Völkisch-nationale Germanistik in Köln. Eine unfestliche Erinnerung. Süddeutscher Hochschulverlag, Schernfeld 1990.

Die Goethe-Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Goethe. Leben und Werk. 2 Bände Athenäum Verlag, Königstein 1982/1984; Neuausgabe: Artemis & Winkler, Zürich, 1994, ISBN 3-538-06638-8.
  • Goethe und die Französische Revolution. Insel-Jahrbuch auf das Jahr 1989. Herausgabe. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1988.
  • Goethe was here. Parodistischer Scherz und Ernst. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1994.
  • Goethe 250. Gesprächsblätter nicht nur zu seinem Jubiläum. Landpresse, Weilerswist 1999.
  • Goethe. Leben und Werk. Neuausgabe in einem Band. Verlag Artemis & Winkler, München 1994; Verlag Artemis & Winkler in der Patmos Verlagsgruppe, Düsseldorf 2006.

Lyrik und essayistische Prosa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Zwischenrufe. Kommentare zum Zeitgeschehen. Eine Auswahl zum 75. Geburtstag. Landpresse, Weilerswist 2001.
  • Wörtertreiben. Gedichte. Landpresse, Weilerswist 2002.
  • Klärungsversuche. Essays zu Literatur und Zeitgeschehen. Allitera, München 2005.

Aufsätze (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wie, warum und zu welchem Ende wurde ich Literaturhistoriker. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972.
  • Miterlebte Germanistik. In: Diskussion Deutsch. 19. Ausgabe, Diesterweg Verlag, Frankfurt am Main 1988.
  • Als Gymnasiast in Pimpfenkluft. In: J. Wittkowski (Hrsg.): Schulgeschichten aus dem Ruhrgebiet. Verlag Henselowsky Boschmann, Bottrop 2007.
  • Ein Junge, der 1944 achtzehn wurde. In: Alfred Neven DuMont: Jahrgang 1926/1927. DuMont Buchverlag, Köln 2007.
  • Germanistik in der Diskussion: Über einige Prinzipien der Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit. In: Die Zeit 5/65, 29. Januar 1965, Hamburg 1965[9]

Herausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Große Conrady / Das große deutsche Gedichtbuch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das große deutsche Gedichtbuch. Athenäum Verlag, Königstein 1977.
  • Das große deutsche Gedichtbuch. Von 1500 bis zur Gegenwart. Neu herausgegeben und aktualisiert. Verlag Artemis & Winkler, München 1991.
  • Der Neue Conrady. Das große deutsche Gedichtbuch von den Anfängen bis zur Gegenwart. Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf und Zürich 2000.
  • Lauter Lyrik. Der Hör-Conrady. (Kassette mit 21 CDs + zwei MP3-CDs). Patmos Verlag, Düsseldorf 2008. Dazu als Booklet: Lauter Lyrik. Der Kleine Conrady. Eine Sammlung deutscher Gedichte. Ebda. 2008.
  • Der Große Conrady. Das Buch deutscher Gedichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Erweiterte Neuausgabe. Verlag Artemis & Winkler in der Patmos Verlagsgruppe, Düsseldorf 2008.

Andere Lyrik-Sammelbände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • In höchsten Höhen. Eine Gedicht-Revue. Aufbau-Verlag, Berlin 2005.
  • Gedichte der deutschen Romantik. Athenäum Verlag, Königstein 1979; Neuausgabe: Verlag Artemis & Winkler, München 1994.
  • Von einem Land und vom andern. Gedichte zur deutschen Wende 1989/1990. Mit dem Essay Deutsche Wendezeit. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993.
  • Das Buch der Gedichte. Deutsche Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine Sammlung für die Schule. Cornelsen Verlag, Berlin 1987.
  • Jahrbuch für Lyrik 1. Athenäum Verlag, Königstein 1979.
  • Jahrbuch für Lyrik 2. Mit Beate Pinkerneil. Athenäum Verlag, Königstein 1980.

Klassik-Anthologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Deutsche Literatur zur Zeit der Klassik, Reclam-Verlag, Stuttgart 1977.

Reihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Literatur und Wirklichkeit. 26 Bände. Bouvier Verlag, Bonn 1967–1991.
  • Texte deutscher Literatur 1500–1800. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1968–1972.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 2020: Nachruf. Klarheit im Wörtertreiben, von Willi Winkler, abgerufen am 14. Juli 2020.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/5531161
  3. Tilman Jens: Vaters Vergessen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 4. März 2008.
  4. In dem von Alfred Neven DuMont 2007 herausgegebenen Sammelband Jahrgang 1926/27. Erinnerungen an die Jahre unter dem Hakenkreuz schildert Conrady, wie er 1944 als „Jungstammführer“ in Uniform „Morgenfeiern“ inszenierte, in denen er u. a. die von Baldur von Schirach herausgegebene über hundertseitige Broschüre Goethe an uns. Ewige Gedanken des großen Deutschen verwendete. Der Band war ein Versuch der Reichsjugendführung gewesen, Goethe zu vereinnahmen und zu vermitteln. Conrady schreibt: „Da war nicht wenig (vermeintlich oder wirklich) Passendes zu finden.“ und zitiert Goethe aus Zahme Xenien (Wer ist ein unbrauchbarer Mann?/Der nicht befehlen und auch nicht gehorchen kann.) und den Wahlverwandtschaften: Männer sollten von Jugend auf Uniformen tragen, weil sie sich gewöhnen müssen, zusammen zu handeln, sich unter ihresgleichen zu verlieren, in Masse zu gehorchen und ins Ganze zu arbeiten. Auch befördert jede Art von Uniform einen militärischen Sinn sowie ein knapperes, strackeres Betragen, und alle Knaben sind ja ohnehin geborne Soldaten; man sehe nur ihre Kampf- und Streitspiele, ihr Erstürmen und Erklettern. (dekretiert von „der Gehülfe“, II 7). Conrady resümiert: „So vermochten wir Literaturfreunde in der Pimpfenkluft uns sogar in den marschierenden Jugendkolonnen und bei den Geländespielen goethenah vorzukommen, wenigstens nicht als dümmliche Störenfriede.“ Nachzulesen in Karl Otto Conrady: Ein Junge, der 1944 achtzehn wurde, in: Alfred Neven DuMont (Hrsg.): Jahrgang 1926/27. Erinnerungen an die Jahre unter dem Hakenkreuz. Sammelband, DuMont Buchverlag, ISBN 978-3-8321-8059-1, S. 209–210.
  5. Siehe das Kapitel Biographie der Website von Karl Otto Conrady (nicht frei zugänglich)
  6. Neben seiner Tätigkeit an der Hochschule gehörte er – eingedenk seiner eigenen Vergangenheit – seit den 1960er Jahren zu jenen Hochschullehrern, die sich um eine Aufklärung der Vergangenheit der deutschen Germanistik bemühten, was zum bedeutsamen Münchner Germanistentag von 1966 führte. Zitiert nach: Autoreninformation zu Karl Otto Conrady auf der Website des Patmos Verlags
  7. So nennt Arno Widmann das Buch Mutter aller Lyrik-Anthologien. Siehe auch den Hinweis auf Perlentaucher.de, gesehen 11. Februar 2011.
  8. Traueranzeigen von Karl Otto Conrady | WirTrauern. Abgerufen am 18. Juli 2020 (deutsch).
  9. Text online auf zeit.de, gesehen 11. Februar 2011, Hinweis: „Archivtexte wurden automatisch digitalisiert und können Fehler enthalten.“
  10. Jahrespreis 2009 auf der Website der deutschen Schallplattenkritik, gesehen 12. Februar 2011.