Kaschuben

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Kaschubei
Flagge der Kaschuben

Die Kaschuben (auch Kassuben, polnisch Kaszubi, kaschubisch Kaszëbi) sind ein westslawisches Volk, das in Polen in der Woiwodschaft Pommern (Województwo pomorskie) im Landstrich Kaschubien, auch Kaschubei genannt, lebt. Darüber hinaus sind viele sich dieser Ethnie zugehörig Fühlende in die USA, nach Kanada und nach Deutschland ausgewandert oder vereinzelt im weiteren Polen beheimatet.

Name und Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umstritten ist der Ursprung des Namens. Eine gängige Erklärung ist, dass er sich von dem Kassub, einem Mantel, den die Kaschuben trugen, ableitet. Doch ist dies nicht gesichert. Eine Theorie besagt, dass die Bezeichnung Cassubia „mit Slavia identisch gewesen“ sei und ursprünglich „Westpommern im Gegensatz zu Ostpommern“ bezeichnet habe. Der Name sei anfangs nur im Osten für die westlicheren slawischen Länder in Gebrauch gewesen, sei dann aber von den „westlichen Pomoranen auch selber aufgenommen“ worden. Infolge der Germanisierung der slawischen Pommern und des mit ihr einhergehenden Aussterbens des Pomoranischen sei diese Bezeichnung dann nach Osten auf die letzten Reste der Ostpomoranen „gewandert“.[1] Die kaschubische Sprache, eine westslawische Sprache aus dem lechischen Zweig, die heute nach Schätzungen von etwa 300.000 Kaschuben verstanden[2] und von annähernd 108.000 Menschen aktiv als Umgangssprache gesprochen wird[3], enthält sowohl deutsche (ca. 5 %) als auch altpreußische Lehnwörter.

Zu den Kaschuben gehörte der nicht mehr existierende Volkszweig der Slowinzen, der westlich der heutigen Kaschuben siedelte. Berühmt ist die kaschubische Tracht, die zu den großen Feiertagen getragen wird.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kaschubische Festtagstracht
Zweisprachiges Ortsschild Polnisch/Kaschubisch

Im 13. Jahrhundert werden „Caszubitae“, also Kaschuben, in der Chronica Poloniae Maioris erwähnt. Cassubia (Kaschubei) wurde dabei nur das Land um Belgard an der Persante genannt, ein Gebiet in der späteren Provinz Pommern. Der Name ging erst im 16. Jahrhundert auch und später ausschließlich auf das Land (pomerelia, Pommerellen) und das Volk der heutigen Kaschuben über.[4]

Die deutsche Ostsiedlung setzte in Pommern zu Ende des 12. Jahrhunderts ein, als auch das das Kloster Kolbatz gegründet wurde. Langsam von West nach Ost verlaufend vergrößerte sich der Anteil der zugewanderten niederdeutschen Bevölkerung, die Kaschuben wurden zur Minderheit, doch ihre Orts- und Flurnamen sowie auch Bräuche und andere Überlieferungen wurden übernommen – ein Zeichen dafür, dass die Zuwanderer keine homogene Gruppe waren. Diese Entwicklung war in den pommerschen Herzogtümern (die seit dem 13. Jahrhundert zum Heiligen Römischen Reich gehörten) etwa im 16. Jahrhundert abgeschlossen: Der neudeutsche Stamm der Pommern war entstanden. Im östlichen Teil des kaschubischen Siedlungsgebietes kam der Zuzug dagegen zeitgleich zum Erliegen. Dieser von der Ostkolonisation schwächer erfasste Teil gehörte seit 1466 zu Polen, wo für die Fortentwicklung autarker kaschubischer Kultur bessere Bedingungen bestanden. Nachdem das Territorium in der Ersten Teilung Polens 1772 zu Preußen gekommen war, fand dort kein vergleichbarer Germanisierungs- und Vermischungsprozess mehr statt. Die katholisch gebliebenen Kaschuben im ehemaligen Preußen Königlichen Anteils vermischten sich nicht mit der mehrheitlich evangelischen deutschen Bevölkerung ihrer Region – dies im Gegensatz zu den evangelischen slowinzischsprachigen Lebakaschuben in Hinterpommern.[5][6] Während im Regierungsbezirk Köslin der Provinz Pommern im Jahr 1827 noch 4.080 Kaschuben „berechnet“ wurden, zählte man in Westpreußen um 1860 aber 89.180.[7] Im Jahr 1900 gaben in Pommern noch 310, 1910 aber 1.132 Einwohner Kaschubisch als Muttersprache an.[8] In der Provinz Westpreußen dagegen hatte sich ihre Zahl von 1890 bis 1910 auf rund 107.000 etwa verdoppelt.[9] Sowohl unter deutscher als auch unter polnischer Dominanz galten die Kaschuben als ländliche Minderheit. Ein „Zugang zur Welt“ mit ihren Aufstiegschancen eröffnete sich für Kaschuben nur durch die Beherrschung der jeweiligen Sprachen.

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kaschuben, die heute im Staat Polen leben, fühlen eine geschichtliche und ethnische Verbundenheit mit dem Polentum, pflegen aber ihre eigene Sprache und Tradition. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es einerseits Kaschuben, welche die besondere Nähe der Kaschuben zu Polen und zum Polentum betonen und sich selbst eher als ethnische Gruppe bezeichnen, und andererseits (weitaus geringere) Strömungen, die im Gegensatz dazu die eigenständige kaschubische Nationalität in den Mittelpunkt rücken, was manchmal von Seiten einiger Polen als separatistische Tendenz angesehen wird. Als Beispiel für diese zwei Strömungen können zwei bedeutende kaschubische Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts genannt werden, die sich beide um die kaschubische Sprache und deren Entwicklung verdient gemacht haben: Während der kaschubische Schriftsteller Hieronim Derdowski (1852–1902) schrieb: „Nie ma Kaszëb bez Polonii, a bez Kaszëb Polśczi“ („Es gibt kein Kaschubien ohne Polonia, aber ohne Kaschubien Polen“), wandte sich Florian Ceynowa (1817–1881) sowohl gegen eine Germanisierung als auch gegen eine Polonisierung der Kaschuben und kritisierte die polnische Geistlichkeit und den polnischen Adel. Kaschubisch wird heute an verschiedenen Orten Kaschubiens in den Schulen gelehrt, eine eigenständige Literatur wird gefördert und vom polnischen Staat geschützt.[10] Es gibt auch eine kaschubische Wikipedia.[11]

Die Volkslieder und Tänze der Kaschuben werden in einem ruhigen 2/4- und 3/4-Takt aufgeführt. Frühere modale Melodieformen wurden zugunsten von Dur- und Moll-Tonleitern aufgegeben.[12] Zwei für die Kaschuben charakteristische Musikinstrumente sind die lange Holztrompete bazuna und die Reibtrommel burczybas.[13] Ein populärer Dichter und Sänger der 1970er Jahre war Jan Trepczyk.

Heutige Lokalisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verteilung der Kaschuben in der Woiwodschaft Pommern

Die Kaschuben bewohnen die Gebiete um Puck (kasch. Pùck; dt. Putzig), Wejherowo (kasch. Wejrowò; dt. Neustadt i. Westpr.), Kościerzyna (kasch. Kòscérzëna; dt. Berent), Chojnice (kasch. Chònice; dt. Konitz), Bytów (kasch. Bëtowò; dt. Bütow), Kartuzy (kasch. Kartuzë; dt. Karthaus) und Gdańsk (kasch. Gduńsk; dt. Danzig). Letzteres, Gduńsk, betrachten die Kaschuben als ihre Hauptstadt, wenngleich unter den größeren Städten prozentual am meisten Kaschuben in Gdynia (kasch. Gdiniô; dt. Gdingen) wohnen.

Personen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den bekanntesten Kaschuben der Neuzeit zählen:

Teilweise kaschubische Vorfahren haben:

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Max Broesike: Deutsche, Polen, Masuren und Kaschuben in der Provinz Westpreußen. Berlin 1910.
  • Alfred Cammann: Die Kaschuben. Aus ihrer Welt, von ihrem Schicksal in Geschichte und Geschichten. Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens Nr. 31. Nicolaus-Copernicus-Verlag, Münster 2007, ISBN 978-3-924238-37-7.
  • Florian Ceynowa: Die Germanisierung der Kaschuben. In: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft, 1843, S. 243–247. (Text im Netz)
  • Gerard Labuda: Historia Kaszubów w dziejach Pomorza Bd. 1 Czasy średniowieczne. Gdańsk 2006
  • Friedrich Lorentz: Geschichte der Kaschuben. Berlin 1926.
  • Aleksander Majkowski: Historia Kaszubów. Gdynia 1938 (Nachdruck: Gdańsk 1991) (pl.) (dt. Geschichte der Kaschuben, dienstl. Übers., Berlin-Dahlem, ca. 1940, [Maschinenschr. autogr.])
  • Arthur Noffke: Das Völkchen der Kaschuben. Itzehoe 1988.
  • Cezary Obracht-Prondzyński: Kaschuben heute : Kultur, Sprache, Identität [aus dem Poln. von Anna Wilczewska] Danzig : Instytut Kaszubski, 2007, ISBN 978-83-89079-78-7
  • Peter Rehder (Hrsg.): Einführung in die slavischen Sprachen. Darmstadt 1998, ISBN 978-3-534-13647-6
  • Ernst Seefried-Gulgowski: Von einem unbekannten Volke in Deutschland. Ein Beitrag zur Volks- und Landeskunde der Kaschubei. Berlin 1911.
  • Reinhold Trautmann: Die slavischen Völker und Sprachen. Göttingen 1947.

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Kaschuben in Polen. Dokumentarfilm, Deutschland, 2012, 43 Min., Buch und Regie: Adama Ulrich, Produktion: fernsehbüro, Saarländischer Rundfunk, arte, Reihe: Vergessene Völker, Erstsendung: 14. Februar 2013 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kaschuben – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christoph Obermüller: Die deutschen Stämme. Stammesgeschichte als Namensgeschichte und Reichsgeschichte, Bielefeld und Leipzig 1941, S. 510–511
  2. Kaschuben heute: Kultur-Sprache-Identität, Seiten 8–9 (auf Deutsch) (Memento des Originals vom 3. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/instytutkaszubski.republika.pl
  3. Kaschuben in Statistik (Teil III), Tabelle 3. Seite 7/10 (auf Polnisch)
  4. Noffke, A. (1988). Das Völkchen der Kaschuben – Ein Stück ostpommerscher Volksgeschichte. Oldenborstel: s.n., S. 4
  5. Ceynowa, 1843, S. 244.
  6. Die Kassuben. In: Berliner Revue, Band 20, 1860, S. 57–61.
  7. Siehe C. F. W. Dieterici: Handbuch der Statistik des preußischen Staates, Berlin 1861, S. 179. Der Autor beschreibt den Germanisierungsprozess folgendermaßen (S. 175): „[…] der Uebergang aus der fremden Nationalität in die deutsche geht allmälig voran, bei manchen Geschlechtern bleibt indessen der ursprüngliche Dialekt und die Nationalität unverändert“ (online).
  8. Ergebnisse der Volkszählung von 1900 in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 16. Band, Leipzig und Wien 1907, Stichwort Pommern, S. 134. und der Volkszählung von 1910 in: Statistisches Jahrbuch für den Preußischen Staat. Königlich Statistisches Landesamt, Berlin 1913, S. 21 f.
  9. Statistisches Jahrbuch für den Preußischen Staat. Königlich Statistisches Landesamt, Berlin 1913, S. 21.
  10. Ferdinand Neureiter: Kaschubische Anthologie. Versuch einer zusammenfassenden Darstellung (= Slavistische Beiträge. Bd. 61). Kaschubisch/deutsch. Otto Sagner Verlag, München 1973.
  11. Kaschubische Wikipedia
  12. Jan Stęszewski: Polen. II. Volksmusik. 4. Regionale Differenzierung. In: MGG Online, Oktober 2017
  13. Jan Stęszewski, Zbigniew J. Przerembski: Burczybas. In: Grove Music Online, 13. Januar 2015