Kathedrale St. Michael und St. Gudula (Brüssel)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
St. Michael und St. Gudula
Büste von König Baudouin vor der Kathedrale

Die Kathedrale St. Michael und St. Gudula (frz. Cathédrale St. Michel et Gudule; ndl. Sint-Michiels en Sint-Goedelekathedraal), häufig verkürzt zu St. Gudule, ist die Hauptkirche der Stadt Brüssel und Sitz des Erzbischofs von Mecheln-Brüssel.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der Stelle der heutigen Kathedrale auf dem Treurenberg befand sich bereits in karolingischer Zeit (8. Jahrhundert) eine dem Erzengel Michael geweihte Taufkirche. Mit Überführung der Gebeine der heiligen Gudula hierher im Jahre 1047 wurde das Patrozinium entsprechend erweitert. Der heutige Bau wurde 1226 begonnen und Ende des 15. Jahrhunderts mit Fertigstellung der 69 Meter hohen Türme vollendet.

Während der Französischen Revolution erfolgten Plünderungen und Zerstörungen, auch bei anderen Geschichtsereignissen blieben Diebstähle nicht aus.

Am 16. Dezember 1960 fand in dieser Kirche die Hochzeit von König Baudouin und Königin Fabiola statt.[1] Dem König wurde zu dieser Gelegenheit im Park vor der Kirche ein Denkmal aufgestellt.

Mit der Erhebung zur Konkathedrale 1962 erhielt die Kirche offiziell den Titel einer Kathedrale. Als Nationalkirche des Königreichs Belgien finden in St. Gudula häufig königliche Hochzeiten, Staatsbegräbnisse und ähnliche Zeremonien statt.[1]

Am 12. April 2003 feierte die Brüsseler Gemeinde hier die kirchliche Trauung von Prinz Laurent von Belgien mit Claire Coombs.[1]

Architektur und Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptschiff

St. Gudula ist im Stil der Gotik erbaut. Ähnlich wie an viele französischen und englischen Kathedralen haben die Türme keine Spitzen. Wuchtige Treppentürme an ihren seitlichen Ecken geben der Westfassade einen Rahmen.

Eine breite Freitreppe führt zu den drei Westportalen. Diese sind jeweils mit Wimpergen geschmückt und haben spitze Überfangbögen, aber die Türen, im Mittelportal zwei, in den Turmportalen je eine, schließen in Korbbögen. Über dem Portal befindet sich ein großes Spitzbogenfenster mit spätgotischem Maßwerk. Auch das Schleierwerk or mehreren Nischen der Westfassade ist spätgotisch.

Die gesamte Innenarchitektur ist von drei unterschiedlichen Baustilen geprägt.[1] Die teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückgehenden 1200 Glasgemälde der 16 Chorfenster sorgen für ein helles, lichtdurchflutetes Inneres. 1910 schufen die Frankfurter Glasmaler Rudolf und Otto Linnemann Fenster für die Kirche.

An den Säulen des Hauptschiffs befinden sich zwölf überlebensgroße Apostelfiguren von Luc Fay d’Herbe und Jérôme Duquesnoy aus dem 17. Jahrhundert.

Der Altar besteht aus weißem und schwarzem Marmor und wurde im Jahr 1660 im Chor platziert.[1] Zusätzlich verfügt die Kathedrale über einen Hochaltar, der im Jahr 1888 gebaut wurde. Auffällig ist seine Ausstattung mit vergoldetem Kupfer.[2] In der Nähe des Hochaltares befindet sich das Grabdenkmal des Herzogs Johann II. von Brabant.

Barocke Kanzel

Die von Henri-Francois Verbruggen 1669 geschnitzte Barock-Kanzel zeigt lebensgroß vollplastisch die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies. Die Sakramentskapelle Chapelle du Saint-Sacrament und ihre Ausstattung ist im Zusammenhang mit dem Brüsseler Sakramentswunder von 1370 zu sehen, bei dem eine geschändete Hostie unvermittelt zu bluten begonnen haben soll.

Unter dem Hauptschiff ist die romanische Krypta erhalten und kann (gegen Entgelt) besichtigt werden. In anderen Räumen ist ein Schatzmuseum eingerichtet worden.[1]

Orgeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Kathedrale gibt es zwei Orgeln: Die Hauptorgel an der Nordwand des Mittelschiffs, und eine Chororgel.

Hauptorgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptorgel
Zentraler Gehäuse­körper

Die Hauptorgel wurde im Jahre 2000 durch die Orgelbaufirma Gerhard Grenzing (El Papiol, Spanien) erbaut. Sie hängt als Schwalbennestorgel auf Höhe der Triforien im Hauptschiff. Das Instrument hat 63 Register auf vier Manualwerken und Pedal, die in drei Orgelkörpern untergebracht sind: Der zentrale Gehäusekörper beherbergt die vier Manualwerke: zuoberst ist das Hauptwerk, mit dem Prinzipal 16′ im Prospekt; darunter befinden sich das schwellbare Solowerk sowie die spanischen Trompeten. Unter dem Solowerk befindet sich der Spieltisch. Auf dieser „Ebene“ gibt es genügend Raum dafür, dass auch Solisten unmittelbar mit dem Organisten zusammen musizieren können. Unterhalb der Spielanlagen-Ebene ist zum Kirchenraum hin das Positif untergebracht, dahinter ist das Recit expressif (Schwellwerk) untergebracht, das klanglich jeweils seitlich abstrahlt. Der zentrale Orgelkörper ragt nicht mehr als 1 Meter in das Hauptschiff hinein. Das Recit expressif ragt in das nördliche Seitenschiff hinein. Der zentrale Gehäusekörper wird flankiert von zwei wesentlich schlankeren und auch weniger tief in das Hauptschiff hineinreichenden Orgelkörpern, in denen die Pedalregister untergebracht sind, und zwar jeweils auf zwei Ebenen. Die Orgel wiegt insgesamt rund 30 Tonnen, die durch die Dreiteilung des Orgelwerks auf vier Säulen des Kirchenschiffes verteilt werden. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen sind elektrisch. Eine Besonderheit ist, dass auch die Spieltrakturen des Pedalwerks in den beiden flankierenden Seitentürmen, die in einem Abstand von jeweils 2 Metern zum Zentralgehäuse aufgehängt sind, mechanisch sind. Die Trakturen verlaufen waagerecht vom Zentralgehäuse zu den Pedaltürmen. Da sie aus Nylonseil gefertigt sind, sind sie kaum sichtbar. Der Wind wird durch sieben Bälge (davon sechs Keilbälge) erzeugt.[3]

Disposition
I Positif de Dos C–a3
1. Bourdon 16′
2. Montre 08′
3. Quintadène 08′
4. Prestant 04′
5. Flûte à cheminée 04′
6. Nazard 0223
7. Doublette 02′
8. Tierce 0135
9. Larigot 0113
10. Mixture V-VI
11. Trompette 08′
12. Cromorne 08′
Tremblant
II Hoofdwerk C–a3
13. Montre 16′
14. Montre 08′
15. Flûte harmonique 08′
16. Bourdon à cheminée 08′
17. Viole de gambe 08′
18. Prestant 04′
19. Flûte conique 04′
20. Quinte 0223
21. Doublette 02′
22. Mixture V
23. Cymbale III-IV
24. Trompette 16′
III Récit expressif C–a3
25. Cor de nuit 08′
26. Salicional 08′
27. Gambe 08′
28. Voix céleste 08′
29. Prestant 04′
30. Flûte octaviante 04′
31. Nazard 0223
32. Quarte 02′
33. Sifflet 01′
34. Plein-Jeu IV-V
35. Tiercelette III
36. Basson 16′
37. Trompette harmonique 08′
38. Hautbois 08′
Tremblant
IV Solo expressif C–a3
39. Bourdon 08′
40. Viola 08′
41. Voce umana 08′
42. Prestant 04′
43. Flageolet 02′
44. Larigot 0113
45. Cornet V 08′
46. Trompeta Batalla 0 08′
47. Voix humaine 08′
48. Douçaine 08′
Tremblant


Bombarden
49. Trompeta magna 16′
50. Trompeta magna 08′
51. Bajoncillo 04′
Pedal C–g1
52. Principal 16′
53. Soubasse 16′
54. Große Quinte 1023
55. Flûte 08′
56. Basse 08′
57. Gros Nazard 0513
58. Prestant 04′
59. Fourniture V
60. Contre-Posaune 32′
61. Posaune 16′
62. Trompette 08′
63. Clairon 04′
  • Koppeln: I/II, III/II, IV/II, III/I, I/P, II/P, III/P, IV/P

Chororgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chororgel

Die zweimanualige Chororgel entstand 1977 in der Werkstatt des Orgelbauers Patrick Collon.[4]

Disposition
I Hauptwerk C–a3
01. Bordun 16
02. Principal 08′
03. Gedackt 08′
04. Octave 04′
05. Spitzflöte 04′
06. Quinte 0223
07. Superoctave 02′
08. Terz 0135
09. Mixtur IV
10. Cimbel III
11. Trompete 08′
II Unterwerk C–a3
12. Gedackt 08′
13. Quintadena 08′
14. Principal 04′
15. Rohrflöte 04′
16. Nasat 0223
17. Octave 02′
18. Terz 0135
19. Quint 0113
20. Sifflöte 01′
21. Mixtur III
22. Vox Humana 08′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
23. Subbas 16
24. Principal Bass 08′
25. Octav Bass 04′
26. Posaunenbass 16
27. Trompetenbass 08′
28. Clarinbass 04′
  • Koppeln: II/I, I/P

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Türmen der Kathedrale hängen insgesamt 50 Glocken. Davon gehören 49 Glocken zu einem Carillon im Südturm. Im Nordturm hängt die Salvator-Glocke, die größte Glocke (Bourdon). Sie wurde 1638 von dem Glockengießer Peter van den Gheyn gegossen und wird nur zu besonderen Anlässen schwingend geläutet.

Bereits 1762 erhielt die Kathedrale ein erstes Carillon, welches während der Französischen Revolution zerstört wurde. Die Glocken des heutigen Carillons wurden von den Glockengießereien Horacantus (Lokeren) und Royal Eijsbouts (Asten, NL) gegossen. Sieben Glocken sind schwingend läutbar an gekröpften Jochen aufgehängt, und teilweise nach (ehemaligen) Mitgliedern der Königsfamilie benannt.[5]

Läuteglocke und sieben Glocken des Carillons
Nr. Name Gussjahr Gießer Gewicht (kg) Schlagton
1 Salvator 1638 Peter van den Gheyn
Peter de Clerck, Mechelen
6645 g0
2 Fabiola 1966 Horacantus, Lokeren 3164 b0
3 Maria 2298 c1
4 Michaël 1628 d1
5 Gudula 1332 e1
6 Philippe 1966 Royal Eijsbouts, Asten, NL 975 f1
7 Astrid 690 g1
8 Laurent 485 a1

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Raymond van Schoubroeck, Hans-Günther Schneider: Kathedrale St. Michael und St. Gudula, Brüssel. Kunstführer Nr. 2463, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2003, ISBN 3-7954-6342-4

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Kathedrale St. Michael und St. Gudula in Brüssel, abgerufen am 18. April 2020.
  2. St. Gudule auf www.bruessel.citysam.de; abgerufen am 18. April 2020.
  3. Informationen zur Orgel auf der Website der Orgelbaufirma.
  4. Zur Chororgel
  5. Informationen zu den Glocken; Videoaufnahme des Geläuts bei YouTube.

Koordinaten: 50° 50′ 52″ N, 4° 21′ 37″ O

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]