Kelze

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Kelze
Koordinaten: 51° 28′ N, 9° 22′ OKoordinaten: 51° 27′ 53″ N, 9° 22′ 17″ O
Höhe: 199 m ü. NHN
Fläche: 4,24 km²[1]
Einwohner: 291 (30. Jun. 2023)[1]
Bevölkerungsdichte: 69 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Februar 1971
Postleitzahl: 34369
Vorwahl: 05671
Kelze von Nordwesten (2020)
Kelze von Nordwesten (2020)

Kelze ist eine ehemals selbständige Gemeinde im nordhessischen Landkreis Kassel. Seit der hessischen Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre ist Kelze ein Stadtteil von Hofgeismar.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ortsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kelze war ein bereits im 9. Jahrhundert besiedelter Ort, der zu Teilen im Besitz des Klosters Corvey, und wurde seit dem 12. Jahrhundert meist in zwei Teile Oberkelze und Niederkelze unterschieden. Niederkelze befand sich dabei unmittelbar nördlich des obersten Kelzer Teiches, Oberkelze dort, wo um 1700 der Ort Kelze wieder neu besiedelt wurde.[2]

1146 bestätigt der Mainzer Erzbischof Heinrich I. eine Schenkung seines Vorgängers Adalbert I. über zwei Hufen Land in Oberkelze und eine in Niederkelze an die Nonnen des Klosters Lippoldsberg. Dem Kloster gelanges in der Folgezeit, seinen Besitz zu vermehren, der um 1380 sieben Hufen beträgt. 1244 befreit der Mainzer Erzbischof Siegfried die in seiner Diözese liegenden und von der Mainzer Kirche abhängigen Besitzungen und Güter (possessiones et bona) des Klosters Hardehausen, u. a. in Kelze, von allen Diensten und Abgaben. Nach den klösterlichen Einkünfteverzeichnissen von 1370 und 1376 besaß Hardehausen fünf Hufen und zwei Hofstätten in Kelze bzw. Oberkelze, die verpachtet waren.[2]

Kelze fiel im 14. Jahrhundert wüst. 1536 verpfänden die Lippoldsberger Nonnen ihre Einkünfte aus Niederkelze an den Bürgermeister von Hofgeismar. Mit der Auflösung des Klosters fallen die Güter an die Landgrafschaft Hessen. 1543 berichteten die von Kanstein, die Wölffe von Gudenberg, die von Pappenheim u. a. dass sie Güter in der Feldmark Niederkelze von verschiedenen Herren zu Lehen erhalten und vermeiert hatten. Doch noch 1583 werden Nieder- und Oberkelze mit anderen Orten als „Wüstung zum Schonberg“ gehörig bezeichnet.[2]

Ansiedlung von Hugenotten und Waldensern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Evangelische Kirche

Der Karneval am Aschermittwoch und das Mayence-Fest am ersten Maisonntag erinnern bis heute an die Volksbräuche der ursprünglich französischen Bewohner, die ab 1699 in Kelze eine neue Heimat fanden. Landgraf Carl von Hessen-Kassel siedelte gegen Ende des 17. Jahrhunderts auch in der Umgebung der Stadt Hofgeismar französische Glaubensflüchtlinge (Hugenotten) an, die nach dem Edikt von Fontainebleau und der Aufhebung der Religionsfreiheit in Frankreich im Jahre 1685 ihre Heimat verloren hatten. Ebenso fanden hier Hugenotten und Waldenser Flüchtlinge eine neue Heimat, die 1698 auf Befehl Ludwigs XIV. vertrieben worden waren. Nach 1698 bildeten sich nach der Vertreibung von Waldensern (in Kelze z. B. aus Orpierre) auch in anderen Gegenden Deutschlands waldensische Gemeinden.

Kelze entstand im Anschluss an diese zweite Ausweisung von Glaubensflüchtlingen aus Frankreich ab dem Jahre 1699 an der Stelle eines wüsten Dorfes, das unter der Bezeichnung Oberkelze im Jahre 1146 urkundlich erwähnt wurde.

Die evangelische Kirche des in Kreuzform angelegten Ortes Kelze wurde in Fachwerk errichtet und im Jahre 1709 eingeweiht.

David Clément

Die seelsorgerische Betreuung der Gemeinde erfolgte in den Anfangsjahren durch Pfarrer David Clément bis zu seinem Tod am 29. Januar 1725. Bereits seit 1686 war Clément Pfarrer der französisch-reformierten Gemeinde an der Neustädter Kirche in Hofgeismar. An sein Wirken erinnern eine Gedenktafel an der Neustädter Kirche sowie eine unweit der Kirche errichtete Statue. Seine Eintragungen im Kirchenbuch der Gemeinde in den Jahren 1686 bis 1725 geben Auskunft über die Amtshandlungen in der französisch-reformierten Gemeinde in Hofgeismar, später aber auch in Carlsdorf, Kelze und Schöneberg.

Bei der Volkszählung im Jahre 1779 wurden in Kelze 131 Personen in 36 Haushalten erfasst, davon noch 22 rein französische Haushalte und weitere acht Haushalte, in denen ein Ehepartner französischer Abstammung war. Durch die damals hohe Kindersterblichkeit hatte sich die Zahl der Bevölkerung seit der Neugründung des Ortes kaum verändert. Die Dorfbevölkerung war 1779 in der Landwirtschaft tätig, bei einigen Bewohnern wurden Nebenberufe erfasst, darunter zwei Strumpfwirker, ein Schuhmacher und ein Weber.

Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits zur Reichstagswahl 1920 wählten die Kelzer Bürger konservative und extrem rechtsgerichtete Parteien.[3] Bei der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 erreichte eine nationalsozialistische Gruppierung 16,8 % der Wählerstimmen.[4][5] Bei den Reichstagswahlen 1930 erzielte die NSDAP in Kelze 45,6 % der Stimmen und wurde damit stärkste Partei. Die NSDAP löste damit im Ort die DNVP als dominierende Kraft ab, die bei den Reichstagswahlen 1920–1928 noch Ergebnisse von 60,2 % bis 83,3 % erreicht hatte. Bei den Reichstagswahlen 1932 steigerte die NSDAP ihr Ergebnis auf 93,2 % (1932, I), 82,7 % (1932, II). Bei der Stichwahl zum Reichspräsidenten 1932, bei der Hindenburg siegte, erreichte Adolf Hitler in Kelze 94,0 % der Stimmen (Landkreis Hofgeismar 51,1 %, Deutschland 36,7 %). Bei dem vom republikfeindlichen Stahlhelm initiierten Volksentscheid am 9. August 1931 stimmten 87,1 % von 148 Wahlberechtigten für die Auflösung des preußischen Landtages. Bereits im Jahre 1931 wurde aus Kelze von antidemokratischen und republikfeindlichen Gewalttaten gegen republiktreue Einwohner berichtet.[6] Als den Nationalsozialismus besonders unterstützend wurde in dieser Zeit die Kelzer Gastwirtsfamilie und Inhaber eines Geschäfts Jean Bonnet geschildert.[7] Für die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus wird Kelze allgemein als Hochburg des Nationalsozialismus eingeschätzt.[8]

Hessische Gebietsreform (1970–1977)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum 1. Februar 1971 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Kelze im Zuge der Gebietsreform in Hessen auf freiwilliger Basis in die Stadt Hofgeismar eingemeindet.[9][10] Für Kelze, wie für alle durch die Gebietsreform nach Hofgeismar eingegliederten Gemeinden, wurde ein Ortsbezirk eingerichtet.[11]

Verwaltungsgeschichte im Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten, denen Kelze angehört(e):[12][13]

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einwohnerstruktur 2011[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Kelze 258 Einwohner. Darunter waren 12 (4,7 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 42 Einwohner unter 18 Jahren, 117 zwischen 18 und 49, 57 zwischen 50 und 42 und 36 Einwohner waren älter.[16] Die Einwohner lebten in 108 Haushalten. Davon waren 30 Singlehaushalte, 27 Paare ohne Kinder und 30 Paare mit Kindern, sowie 15 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 15 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 75 Haushaltungen lebten keine Senioren.[16]

Einwohnerentwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kelze: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2020
Jahr  Einwohner
1834
  
231
1840
  
257
1846
  
237
1852
  
239
1858
  
236
1864
  
240
1871
  
242
1875
  
245
1885
  
252
1895
  
237
1905
  
226
1910
  
219
1925
  
221
1939
  
240
1946
  
434
1950
  
421
1956
  
329
1961
  
302
1967
  
290
1970
  
266
1980
  
?
1990
  
272
2000
  
304
2005
  
302
2010
  
288
2011
  
258
2015
  
262
2020
  
272
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: bis 1970:[12]; nach 1970: Stadt Hofgeismar[17][18]; Zensus 2011[16]

Historische Religionszugehörigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

• 1885: 252 evangelische (= 100 %) Einwohner[12]
• 1961: 251 evangelische (= 83,11 %), 34 katholische (= 11,26 %) Einwohner[12]

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ortsbeirat

Für den Stadtteil Kelze besteht ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung. Er umfasst das Gebiet der ehemaligen Gemeinde Kelze.[11] Der Ortsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern. Bei den Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 63,51 %. Alle Kandidaten gehörten der „Wählergemeinschaft Kelze“ an.[19] Der Ortsbeirat wählte Franziska Stallknecht zur Ortsvorsteherin.[20]

Partnerschaft

  • FrankreichFrankreich Seit 1984 besteht eine Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Maringues.

Kulturdenkmäler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den unter Denkmalschutz stehenden Kulturdenkmälern des Ortes steht die Gesamtanlage Kelze. Weiteres siehe: Liste der Kulturdenkmäler in Kelze.

Ehrenbürger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Auguste Homburg: Die französische Kolonie Kelze. Hofdruckerei Paul Schulz, Hofgeismar 1941.
  • Friedrich Bleibaum (Schriftleitung): Kreis Hofgeismar (= Handbuch des Heimatbundes für Kurhessen, Waldeck und Oberhessen, Bd. 3). Oberhessische Presse, Marburg/Lahn 1966, S. 158 ff.
  • Jochen Desel: Französische Dörfer: 300 Jahre Kelze und Schöneberg, Band II: Deutsche Zuwanderer 1669–1779. Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde Kassel 1834, Zweigverein Hofgeismar, Hofgeismar 1999.
  • Literatur über Kelze nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kelze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen

  1. Trennung von Justiz (Justizamt Hofgeismar) und Verwaltung.
  2. Am 31. Dezember 1970 als Ortsbezirk zur Stadt Hofgeismar.

Einzelnachweise

  1. a b Stadt Hofgeismar – Zahlen und Fakten. Abgerufen am 3. Januar 2024 (deutsch).
  2. a b c Kelze, Landkreis Kassel. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 7. November 2022). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 5. Februar 2024.
  3. Th. Klein: „Die Hessen als Reichstagswähler: Tabellenwerk zur politischen Landesgeschichte 1867–1933“, Zweiter Band, Erster Teilband, Marburg 1992 (Veröffentlichung der Historischen Kommission für Hessen, 51), S. 529–565
  4. Handschriftliche Zusammenstellung der Ergebnisse der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 (StAM, Bestand 180 LA Hofgeismar Nr. 3520)
  5. Hofgeismarer Zeitung, 58. Jg., Nr. 288, 8. Dezember 1924.
  6. Bericht des Kreisschulrats Vecherer an den Regierungspräsidenten vom 18. Juni 1931 (StAM, Bestand 165 Nr. 7010)
  7. Abschrift des Berichtes des Oberlandjägers Trochim an den Oberstaatsanwalt vom 15. Juni 1931 (StAM, Bestand 165 Nr. 7010).
  8. Michael Schmitt: „Ein Republikaner auf Vorposten: Eine politische Auseinandersetzung im Landkreis Hofgeismar am Ende der Weimarer Republik. Dargestellt an einem Vorfall in der Gemeinde Kelze.“, in Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Band 100, Kassel 1995
  9. Gemeindegebietsreform: Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 20. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 6, S. 248, Abs. 11 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,2 MB]).
  10. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 398.
  11. a b Hauptsatzung. (PDF; 22 kB) § 4. In: Webauftritt. Stadt Hofgeismar, abgerufen im März 2020.
  12. a b c d Kelze, Landkreis Kassel. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 30. September 2021). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  13. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  14. Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 28 f. (online bei Google Books ).
  15. Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August, S. 223–224. (kurhess GS 1821)
  16. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 26 und 82, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  17. Haushalt 2020. Vorbericht Teil II. (PDF) In: Webauftritt. Stadt Hofgeismar, S. E6, abgerufen im September 2020.
  18. Zahlen und Fakten. Haupt- und Nebenwohnsitze. In: Webauftritt. Stadt Hofgeismar, archiviert vom Original; abgerufen im Januar 2021.
  19. Ergebnis der Ortsbeiratswahlen 2021 in Kelze. In: Votemanager. Stadt Hofgeismar, abgerufen im September 2023.
  20. Ortsbeirat Kelze. In: Ratsinformationsinformationssystem. Stadt Hofgeismar, abgerufen im September 2023.