Klaus Graf (Historiker)

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Klaus Graf (2019)

Klaus Martin Graf (* 21. Februar 1958 in Schwäbisch Gmünd) ist ein deutscher Mediävist und Archivar. Eine über Fachkreise hinausgehende Bekanntheit erwarb sich Graf durch eine kontroverse Position zum Urheberrecht bei der Nutzung von Kulturgütern und als Befürworter von Open Access.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Graf ist der Sohn der Schriftstellerin Herta Graf. Er studierte Geschichte an der Universität Tübingen, wo er 1987 mit einer von Hansmartin Decker-Hauff betreuten Dissertation über Thomas Lirer und die Gmünder Kaiserchronik promoviert wurde. Nach einer Tätigkeit am Sonderforschungsbereich für Vergleichende geschichtliche Städteforschung der Universität Münster und einer weiteren Ausbildung an der Archivschule Marburg (Assessor des Archivdienstes 1989) arbeitete er kurze Zeit als Archivar im Universitätsarchiv der Universität Heidelberg.[1] Später war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Bielefeld und Freiburg.

2004 wurde er Geschäftsführer am Hochschularchiv der RWTH Aachen. Er ist zugleich Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Universität Freiburg im Breisgau und am Lehr- und Forschungsgebiet Frühe Neuzeit der RWTH Aachen.

Forschungsschwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Forschungsschwerpunkte von Graf sind Fragen regionaler und territorialer Identitätsbildung („Regionalismus“), insbesondere Schwabens, sowie Adelsgeschichte, Erinnerungskultur und Historiographie. Daneben beschäftigt er sich mit Stadt- und Regionalgeschichte, mit besonderem Fokus auf Schwäbisch Gmünd und Ostwürttemberg.

Weitere Arbeitsgebiete sind die Sagenforschung und die Geschichte der Hexenverfolgung. Zu diesen Themen veröffentlichte er über 200 Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden (davon fast alle online verfügbar). Weiterhin arbeitete Graf als Autor an verschiedenen Fachlexika, wie dem Lexikon des Mittelalters, dem Verfasserlexikon, der Enzyklopädie des Märchens und der Enzyklopädie der Neuzeit, mit. Für die Kunstchronik schrieb er als Autor eine Vielzahl von Beiträgen.

2015 publizierte er im Frühneuzeit-Blog der RWTH Aachen den Fund einer zweiten Handschrift von Jakob Püterichs Ehrenbrief (1462).[2] Laut dem Mediävistik-Fachportal Mediaevum.de war dies „[v]ermutlich das erste Mal in der Geschichte der Geisteswissenschaften[, dass] eine so wichtige Entdeckung nicht in einer Fachzeitschrift, sondern in einem Blog wissenschaftlich dokumentiert [wurde]“.[3]

Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Engagement zum Schutz und zur Nutzung von Kulturgütern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben seiner historischen Forschungsarbeit ist Graf vor allem durch seine Beiträge zu Verwaltung, Nutzung und Schutz von Kulturgut bekannt. So zum Beispiel zu Bildrechten bei historischen Fotos, Nutzungsbedingungen von Handschriftenbibliotheken[4] oder zum Schutz historischer Buchbestände in Privatbesitz, vor allem in Adelsbibliotheken[5][6][7], sowie den damit zusammenhängenden Rechtsfragen insbesondere im Bereich des Archivrechts. Auch im Bereich öffentlicher Bibliotheken und Archive ist Graf um den Schutz des Bestandes bemüht, so protestierte er 2012 gegen den Verkauf von 6000 Bänden aus dem Bestand des Stadtarchivs Stralsund, die seit dem 16. Jahrhundert angesammelt worden waren.[8]

Urheber- und Nutzungsrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer breiteren Öffentlichkeit positionierte sich Graf als Verfechter von Open Access insbesondere für Kulturgüter und freiem Zugang zu Informationen in öffentlichen Verwaltungen, insbesondere im Kontext des Informationsfreiheitsgesetzes. In diesem Zusammenhang tritt er als Kritiker der geltenden Urheberrechtspraxis und von Missständen des deutschen Bibliothekswesens auf.[9] Graf ist ein Gegner der Reproduktionsgebühren öffentlicher Archive und der Bildquellenvermarktungspraxis vieler Archive und Museen.

Forschung im digitalen Raum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Graf engagiert sich für die Nutzung der Möglichkeiten des Mediums Internet für die moderne Geschichts- und Archivwissenschaft und betreibt eigene Informationsangebote, vor allem seit 2003 das Weblog Archivalia[10] (ISSN 2197-7291), das zu den „ältesten und bekanntesten deutschen Wissenschaftsblogs“ gezählt wird.[11] Er ist der Mitgründer und Administrator der Mailingliste Hexenforschung.[12]

Publikationen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationsliste mit Online-Nachweisen

  • Gmünder Chroniken im 16. Jahrhundert: Texte und Untersuchungen zur Geschichtsschreibung der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd. Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 1984, ISBN 3-921703-53-0 (Digitalisat, weitere), Rezension von Robert Kretzschmar.
  • Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers „Schwäbische Chronik“ und die „Gmünder Kaiserchronik“ (= Forschungen zur Geschichte der Älteren Deutschen Literatur, Band 7). Fink Verlag, München 1987, ISBN 3-7705-2459-4 (Digitalisat).
  • Sagen rund um Stuttgart. Verlag Braun, Karlsruhe 1995, ISBN 3-7650-8145-0 (Digitalisat).
  • Sagen der Schwäbischen Alb. DRW Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2008, ISBN 978-3-87181-031-2 (Digitalisat).
  • Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten. Der Text des deutschen Urheberrechtsgesetzes, erklärt und kritisch kommentiert (PiratK-UrhG) (= Netzbürger, Band 2). Contumax Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86199-002-4 (Digitalisat).
  • Ein politischer Kopf aus Ostschwaben: Johann Gottfried Pahl 1768–1839. Pfarrer und Publizist (= Unterm Stein, Band 22). Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 2018. ISBN 978-3-95747-072-0 (Digitalisat).
  • Emil Bayer: Sagen der Heimat zwischen Albuch und Ries. 2. Auflage. Hrsg. von Klaus Graf. Mit einem biografischen Beitrag von Mechtild Theiss (= Unterm Stein. Lauterner Schriften. Sonderveröffentlichung. SV 6). Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 2019, ISBN 978-3-95747-094-2 (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Klaus Graf – Sammlung von Bildern und Videos

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://archivalia.hypotheses.org/146231.
  2. Klaus Graf: Fiktion und Geschichte: Die angebliche Chronik Wenzel Grubers, Greisenklage, Johann Hollands Turnierreime und eine Zweitüberlieferung von Jakob Püterichs Ehrenbrief in der Trenbach-Chronik (1590), in: Frühneuzeit-Blog der RWTH vom 10. Februar 2015.
  3. Neue Handschrift von Püterichs Ehrenbrief. Mediaevum.de, 10. Februar 2015.
  4. Jürgen Zander, Ralf Michael Thilo, Klaus Graf, Jürgen Christoph Gödan: Rechtsprobleme bei der Benutzung von Handschriftenbibliotheken. Weitergeführte Überlegungen zur rechtlichen Zulässigkeit besonderer Benutzungsbedingungen, in: Bibliotheksdienst 29 (1995), S. 296–321, hier: III, S. 304–313, Volltext.
  5. Vernichtung unersetzlicher Quellen. Der Schutz historischer Buchbestände in Privatbesitz muß dringend verbessert werden, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 42 (1995), H. 2, S. 44–48, Volltext (Memento vom 9. Juni 2007 im Internet Archive).
  6. Mitteldeutsches Kulturgut dezimiert. Glanz und Elend der Sammlung Apel (Aufsatz u. a.) (online).
  7. Fürstenhaus Ysenburg-Büdingen verscherbelt Kulturgut (Aufsatz u. a.) (online).
  8. Artikel zum Verkauf Stralsunder Archivbestände auf ndr.de vom 7. November 2012 (Memento vom 10. November 2012 im Internet Archive).
  9. Historiker Dr. Klaus Graf besucht Stadtarchiv Bozen. Pressemitteilung der Stadt Bozen vom 18. September 2013.
  10. Thomas Aigner: Web-Rezension zu: Archivalia. In: H-Soz-u-Kult, 30. Januar 2004.
  11. Laura Ulrich, Sandra Schultz: Tagungsbericht: Im Netz der sozialen Medien. Neue Publikations- und Kommunikationswege in den Geisteswissenschaften. In: H-Soz-Kult. 9. Juli 2011, abgerufen am 18. Februar 2023.
  12. Mailingliste Hexenforschung.