Kriegsakademie

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Generalstabslehrgang im Hörsaal, 1935

Kriegsakademie war in deutschsprachigen Ländern die Bezeichnung für die höchste militärische Lehreinrichtung oder militärische Hochschule (heutige Bezeichnung Generalstabsschule) zur Ausbildung von Offizieren für den Generalstab (Generalstabsoffiziere), die Adjutantur und höhere Truppenkommandeure sowie zur Fortbildung von Offizieren, anfangs in Preußen und in Bayern sowie später auch im kaiserlichen Deutschland und im Dritten Reich.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste Kriegsakademie gründete Karl V. zu Toledo und Wallenstein errichtete eine solche 1624 zu Gitschin, die aber 1634 wieder aufgelöst wurde.

Die in Deutschland bekannteste militärische Hochschule – die Preußische Kriegsakademie, auch Berliner Kriegsakademie – wurde 1756 durch Friedrich II. zunächst als Allgemeine Kriegsschule gegründet. Die Einrichtung wurde mehrmals umbenannt; so in Académie militaire, Académie des nobles und ab 1858 offiziell in Kriegsakademie, bei gleichlautendem Aufwuchs zur Hochschule. Im Jahre 1872 erfolgte deren Direktunterstellung dem Chef des Generalstabs. Der Generalstabskurs, auch Coetus genannt, hatte bis zu 100 Offiziershörer und war dreijährig. Der in aller Regel vorgelagerte neunmonatige Offizierslehrgang wurde mit bis zu 300 Offiziersanwärtern oder Schülern belegt.

Bayern hatte seit 1867 in München ebenfalls eine ähnlich organisierte Kriegsakademie mit adäquatem Curriculum. In Österreich wurden Generalstabsoffiziere an der k.u.k. Kriegsschule zu Wien in Zweijahreskursen ausgebildet. Ähnlichen Zwecken diente in Russland die Nikolaus-Generalstabs-Akademie zu Sankt Petersburg und in Frankreich die École supérieure de guerre.

Preußische Kriegsakademie
Bayerische Kriegsakademie
École supérieure de guerre, Frankreich

Entwicklung in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die beiden Kriegsakademien in Berlin und München sollten vor allem zur Umgestaltung des bis dato überwiegend feudalen Offizierskorps und zur Modernisierung der Streitkräfte in ihrer Gesamtheit beitragen. Generalmajor Gerhard von Scharnhorst (1755–1813) unterbreitete hierzu Pläne und Vorschläge, denen zufolge die Kriegsakademie als höchste militärische Bildungsstätte die Aufgabe haben sollte, einen neuen, hochgebildeten Offizier zu erziehen, der allen progressiven Gedanken in der Entwicklung des Militärwesens aufgeschlossen gegenüberstand und selbst aktiv zur Entwicklung der militärische Theorie und Praxis beitrug.

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Lehrprogramm der Kriegsakademien enthielt sowohl militärwissenschaftliche als auch allgemeinbildende Fächer und baute auf dem an den Kriegsschulen vermittelten Wissen auf. Ein Lehrgang der Kriegsakademie dauerte drei Jahre.

Von 1810 bis 1812 wurden, beispielsweise in Berlin, alle Offiziere aufgenommen, die die Aufnahmeprüfung bestanden. Anfangs war es möglich, die Vorlesungen nur ein bis zwei Jahre zur allgemeinen Weiterbildung zu besuchen. Artillerie- und Pionieroffiziere mussten jedoch den vollen Zyklus absolvieren, da bis 1815 keine spezifischen Lehreinrichtungen zu ihrer Qualifizierung bestanden. Zu den ersten Lehrern an der Berliner Kriegsakademie zählte der damalige Major Carl von Clausewitz (1780–1831), der unter anderem Vorträge über Generalstabsdienst und Taktik hielt.

Entwicklung bis zweite Hälfte 19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahre 1812 wurde die Berliner Kriegsakademie geschlossen. Nach der Wiedereröffnung im Jahre 1816 verflachte ihr Niveau unter dem Einfluss der restaurativen Entwicklung in Preußen. Die Ziele, mit denen die Hochschule gegründet worden war, traten immer mehr in den Hintergrund. Einerseits wurden zwar militärfachlich qualifizierte Offiziere ausgebildet, andererseits entwickelte sich die Kriegsakademie immer mehr zum Hort des Preußentums und des Militarismus. Diese Tendenz verstärkte sich besonders seit der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts, vor allem seitdem die Berliner Kriegsakademie mit der Vorherrschaft in Preußen in Deutschland zur zentralen akademischen Ausbildungsstätte für die deutsche Armee geworden war. Die Einseitigkeit der Ausbildung an der Berliner Kriegsakademie vertiefte sich auch dadurch, dass diese in wissenschaftlicher Hinsicht 1872 dem Chef des Generalstabs unterstellt wurde (bisher dem Generalinspekteur des Militärerziehungs- und -bildungswesens).

Die seit 1867 in München bestehende Bayerische Kriegsakademie – wesentlich kleiner als die preußische – bildete nur für die Bayerische Armee aus. Ihren wesentlichen Ausbildungsinhalten nach entsprach sie jedoch der Preußischen Kriegsakademie und war de facto gleichwertig.

Aufwuchs und Weiterentwicklung der Lehre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zahl der Hörer, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchschnittlich 100 bis 120 Offiziere betrug (30 bis 40 pro Lehrgang bzw. Lehrgruppe), stieg ab 1871 im Zusammenhang mit den laufenden Heeresverstärkungen und der Zunahme der Generalstabsstellen und -verwendungen ständig. 1897 waren es 400 (etwa 160 je Lehrgang). Die nunmehr von Generalstabsoffizieren geleiteten Lehrgruppen unterteilten sich weiter in Hörsäle (anfangs bis 50, später 25 bis 30 Offiziere). An ihrer Spitze stand ein Taktiklehrer. Die Aufnahme an der Kriegsakademie erfolgte seit 1816 nach einem strengen Ausleseverfahren, dessen Ergebnis nicht nur von der abzulegenden Prüfung, sondern auch von den Beurteilungen durch die Kommandeure (u. a. bisherige Führung, materielle Lage) abhing. Für die spätere Verwendung hatte die Einschätzung des Taktiklehrers, die er aufgrund der praktischen Übungen während der Lehrgänge und Übungen gab, besonderes Gewicht. Von den nicht im Generalstab verwendeten Absolventen arbeitete ein erheblicher Teil als Lehrer an anderen militärischen Lehreinrichtungen wie beispielsweise Kriegsschulen.

Der Unterricht an der Kriegsakademie unterteilte sich in obligatorische und fakultative Fächer. So wurden in drei Studienjahren Fächer wie Taktik, Kriegsgeschichte, Waffenlehre, Befestigungslehre, Verkehrsmittel, Militärrecht, Gesundheitspflege, Generalstabsdienst, Festungskrieg, Staatsverwaltung sowie neben Französisch und Russisch auch Chemie und Physik gelehrt.

Als Dozenten waren entweder Offiziere, besonders in den Hauptfächern, oder zivile Lehrer tätig. In den militärischen Fächern unterrichteten zum Teil vom Generalstab gestellte Offiziere. Die Unterrichtungen in den allgemeinbildenden Fächern – den sogenannten Formaldisziplinen – wurde vorwiegend von Professoren, beispielsweise der Berliner Universität, bestritten. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten die Fächer Taktik und Kriegsgeschichte immer mehr den Vorrang. Dabei verfolgte der Unterricht in Kriegsgeschichte vor allem die Zielstellung der Einführung anhand von Beispielen in die höhere Truppenführung und der Traditionspflege, aber auch Festigung des Kasten- und Elitedenkens des Generalstabs. Der Taktikunterricht beschränkte sich in erster Linie auf Probleme des Einsatzes der Division; wohingegen die Führung des Armeekorps nur im Überblick vermittelt wurde.

Das Studium von Gesellschaft und Wirtschaft, Innen- oder Außenpolitik fehlte jedoch im Lehrplan. Die Ausbildung unterschied sich dadurch von anderen Generalstabsschulen, wie dem britischen Imperial Defence College, dem amerikanischen United States Army War College oder dem französischen Centre des hautes études militaires.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden beide deutsche Kriegsakademien geschlossen und bis Kriegsende nicht wieder eröffnet, obwohl durch die Entwicklung des Kriegsverlaufs, die Neuaufstellung von Großverbänden bis hin zu Heeresgruppen der Bedarf an akademisch ausgebildeten Kommandeuren und Generalstabsoffizieren stieg. Die Oberste Heeresleitung (OHL) versuchte dem zu entsprechen, indem sie sogenannte Gefechtsübungskurse bzw. Lehrgänge an der Divisionskommandoschule (→ Generalstabslehrgang Sedan) in Solesmes (Frankreich) durchführte. Außerdem bildete sie Generalstabsoffiziere in vierwöchigen Lehrgängen in Sedan aus.

Reichswehr und Wehrmacht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Reichswehr umging das vom Versailler Vertrag festgelegte Verbot zum Unterhalt einer Kriegsakademie mit der Einrichtung einer sogenannten Führergehilfenausbildung dezentral in den Wehrkreisen. Die Absolventen wurden dementsprechend Führerstabsoffizier statt der bisherigen Bezeichnung Offizier i. G.

Mit Beginn der beschleunigten Kriegsvorbereitung eröffnete die Wehrmacht 1935 die Kriegsakademien wieder, zunächst mit einer zweijährigen Ausbildung und einer Hörerzahl von 100 bis 150 Offizieren. Ab 1937 erfolgte zusätzlich die Vorbereitung dienstälterer Hauptleute in einem einjährigen Kurs auf die Generalstabslaufbahn. Die Ausbildung reichte bis zur Führungsebene Armeekorps. Über die Einsatzgrundsätze der Armeekorps als zeitweiligen operativen Großverband vermittelt sie einen allgemeinen Überblick. Im Mittelpunkt stand die militärfachliche Ausbildung, ergänzt durch spezielle Vorträge und Unterrichtungen in NS-Politik und Ideologie.

1939 stellte mit der Mobilmachung die Kriegsakademie die Ausbildung ein, doch bereits ab Januar 1940 wurden Generalstabslehrgänge zunächst in Dresden, dann ab Oktober 1940 wieder in Berlin eingerichtet. Während des Zweiten Weltkriegs fanden insgesamt 17 Generalstabslehrgänge mit jeweils etwa 60 Hörsaalteilnehmern statt. Sie dauerten zu Beginn acht Wochen, wurden aber dann auf sechs Monate verlängert.

Im März 1943 erfolgte schließlich die Wiedereröffnung der Kriegsakademie, an die nahezu 200 Offiziere kommandiert wurden. Zeitgleich ging die Aufgabe der Generalstabslehrgänge einher. Schwerpunkt war die Ausbildung von Generalstabsoffizieren für die Ebene Division. Im August 1943 wurde die Kriegsakademie nach Bad Salzbrunn und dann nach Hirschberg verlegt. Am 28. Januar 1945 kam die Kriegsakademie nach Bad Kissingen und Anfang April 1945 nach Lenggries.

Die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg besiegelte auch das Ende der Kriegsakademie. Deren Aufgaben, aber nicht deren Tradition, wurde überwiegend von der Führungsakademie der Bundeswehr nach Gründung der Bundeswehr fortgesetzt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Deutsche Militärgeschichte 1648–1939. 6 Bände. Bernard & Graefe, München 1983, ISBN 3-88199-112-3.
  • Bernhard von Poten (Hrsg.): Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften. 9 Bände. Velhagen und Klasing, Leipzig 1877–1880.
  • Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Band 14: Die Landstreitkräfte. Namensverbände. Biblio-Verlag, Bissendorf 1980, ISBN 3-7648-1111-0, S. 271.
  • Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte. 1. Auflage, Seite 411–413. Lizenz-Nr. 5, P 189/84, Best.Nr.: 746 6350, Berlin 1985.