Kunstschutz

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Als Kunstschutz wird im Kriegsfall der Schutz der Kulturgüter, der historischen und Baudenkmäler sowie der Kunstwerke bezeichnet, der erstmals in der Haager Landkriegsordnung (Artikel 46 und 56) zu den Pflichten der Militärverwaltung in besetzten Ländern gezählt wurde. Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 präzisierte diesen Schutz. Vorgesehen sind darin die Sicherung von Kulturgütern vor Zerstörung, Raub und Beschlagnahme, die Schaffung von Voraussetzungen für die Restaurierung von beschädigten Werken, und die Aufrechterhaltung des Kunstlebens.

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff auch für entsprechende Dienststellen in den besetzten Gebieten verwendet. Diese waren im Zweiten Weltkrieg mitunter jedoch direkt an der Akquise von Beutekunst beteiligt.

Deutscher Kunstschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erster Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Ersten Weltkrieg hatte der Kunsthistoriker Paul Clemen den deutschen Kunstschutz in Frankreich gegründet, um historisch bedeutsame Bauwerke und Kulturgüter vor der Zerstörung zu schützen.[1]

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 1940 wurde erneut ein Kunstschutz beim Oberkommando des Heeres-Generalquartiermeister mit Sitz in Paris gegründet.[2] Organisatorischer Leiter wurde der Kunsthistoriker Franz Graf Wolff-Metternich, zuvor Provinzialkonservator der Rheinlande.[3] Die wissenschaftliche Leitung hatte der Bonner Kunsthistoriker Alfred Stange, zu seinem Arbeitsstab gehörten die Kunsthistoriker Hans Ulrich Wirth, Karl Heinz Esser, Heinrich Jerchel, Gottfried Schlag und Kurt Reißmann.[4] Eine der ersten Amtshandlungen in Frankreich war die Auflistung von über 500 Schlössern und Denkmälern. Nach der Ablösung von Metternich wurde Bernhard von Tieschowitz im Juli 1942 neuer Leiter.

Weitere Dienststellen in allen eroberten und besetzten Gebieten folgten, darunter Belgien, Serbien, Italien und Griechenland (beide ab 1943),[5] die Protektorate Böhmen und Mähren, die Reichskommissariate Niederlande, Ostland, Ukraine und Norwegen, der Reichsgau Wartheland, das Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete und die annektierten Gebiete Sudetenland, Luxemburg, Lothringen und Elsass.[6]

Zu den nominellen Aufgaben des Kunstschutzes gehörte es zwar, Schlösser und Denkmäler vor der Beschädigungen durch die Wehrmacht zu schützen. Doch selbst offizielle Dokumente zur ersten Dienststelle nennen bereits die „Überwachung der Bergungsdepots der franz. Museen, Sicherstellung und Überwachung des ausländischen Kunstbesitzes, Vorbereitung der Rückführung des Deutschland geraubten Kunstgutes, Kontrolle und Steuerung des deutschen Kunsthandels in Frankreich.“[7]

Die Forschung sieht in der dem Auswärtigen Amt unterstellten Behörde eine ‚Propagandaabteilung‘,[8] die zwar weniger offensiv vorgegangen sei als der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. Insbesondere in Norditalien sei es jedoch immer auch um die Ausfuhr und die Verfügbarmachung von Kulturgütern für deutsche Zwecke gegangen.[9]

US-Kunstschutz während und nach dem Zweiten Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe: Monuments, Fine Arts, and Archives Section, Marburg Central Collecting Point, Munich Central Collecting Point

Nach dem Zweiten Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Klassischen Archäologen und ehemaligen Soldaten Ernst Kirsten und Wilhelm Kraiker verfassten ihre „Griechenlandkunde“ von 1955 auf der Grundlage von Führungsblättern des deutschen Kunstschutzes in Griechenland. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bestandsaufnahmen dieser Länder wurden in den Jahren nach dem Krieg Bestandteil des wissenschaftlichen Forschungsstandes über die Kulturgeschichte dieser Länder.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu Kunstraub durch alliierte Kräfte und Besatzungstruppen in Deutschland.

Das Internationale Komitee vom Blauen Schild wurde 1996 zur Verbesserung des Schutzes von Kulturgut vor den Auswirkungen von Kriegen und bewaffneten Konflikten sowie von Katastrophen gegründet. Der Barbarastollen dient seit 1975 als Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland zur Lagerung von fotografisch archivierten Dokumenten mit hoher national- oder kulturhistorischer Bedeutung.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

allgemein
  • Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.): Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. 7. Auflage. Bundesamt für Zivilschutz, Bonn 2007 (PDF).
  • Frank Fechner, Thomas Oppermann, Lyndel V. Prott (Hrsg.): Prinzipien des Kulturgüterschutzes. Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht. (= Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Band 37.) Duncker & Humblot, Berlin 1996, ISBN 3-428-08538-8.
Erster Weltkrieg
  • Paul Clemen: Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Maßnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung. 2 Bände. E. A. Seemann, Leipzig 1919 ( Digitalisat Band 1, Band 2).
  • Christina Kott: Die deutsche Kunst- und Museumspolitik im besetzten Nordfrankreich im Ersten Weltkrieg. Zwischen Kunstraub, Kunstschutz, Propaganda und Wissenschaft. In: Kritische Berichte. Band 25, Nr. 2, 1997, ISSN 0340-7403, S. 5–24 (Digitalisat).
  • Robert Born, Beate Störtkuhl (Hrsg.): Apologeten der Vernichtung oder »Kunstschützer«? Kunsthistoriker der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg. Böhlau, Köln u. a. 2017, ISBN 978-3-412-50716-9.
Zweiter Weltkrieg
  • Cay Friemuth: Die geraubte Kunst. Der dramatische Wettlauf um die Rettung der Kulturschätze nach dem Zweiten Weltkrieg. (Entführung, Bergung und Restitution europäischen Kulturgutes 1939–1948). Westermann, Braunschweig 1989, ISBN 3-07-500060-4.
  • Günther Haase: Kunstraub und Kunstschutz. Eine Dokumentation. Olms, Hildesheim 1991, ISBN 3-487-09539-4.
  • Lutz Klinkhammer: Die Abteilung „Kunstschutz“ der deutschen Militärverwaltung in Italien 1943–1945. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. Band 72. Gruyter, Berlin 1992, ISSN 0079-9068, S. 483–549.
  • Ernst Kubin: Raub oder Schutz? Der deutsche militärische Kunstschutz in Italien. Stocker, Graz u. a. 2001, ISBN 3-7020-0694-X.
  • Nikola Doll: Die „Rhineland-Gang“. Ein Netzwerk kunsthistorischer Forschung im Kontext des Kunst- und Kulturgutraubes in Westeuropa. In: Ulf Häder: Museen im Zwielicht. Ankaufspolitik 1933–1945. (= Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Band 2). Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Magdeburg 2002, ISBN 3-00-010235-3, S. 53–78.
  • Christian Fuhrmeister, Johannes Griebel, Stephan Klingen, Ralf Peters (Hrsg.): Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943–1945 (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München. Band 29). Böhlau, Köln u. a. 2012, ISBN 978-3-412-20804-2.
  • Esther Rahel Heyer, Florence de Peyronnet-Dryden, Hans-Werner Langbrandtner (Hrsg.): „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg. Böhlau, Köln u. a. 2022, ISBN 3-412-51997-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Paul Clemen: Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Maßnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung. 2 Bände. Leipzig 1919 (Band 1 und 2)
  2. Kunstschutz bei mur.at.
  3. Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg – Archivübergreifendes Findmittel zur Kontextforschung Kulturgutschutz. In: kunstschutz-wolff-metternich.de. Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e.V., abgerufen am 21. Dezember 2022.
  4. Christina Kott: "Den Schaden in Grenzen halten ..." Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten Frankreich, 1940–1944. In: Ruth Heftrig, Olaf Peters, Barbara Schellewald (Hrsg.): Kunstgeschichte im "Dritten Reich". Theorien, Methoden, Praktiken. Akademie Verlag, Berlin 2008. S. 362–393, hier S. 372.
  5. Christian Fuhrmeister, Johannes Griebel, Stephan Klingen, Ralf Peters (Hrsg.): Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943–1945 (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29). Böhlau, Köln, Weimar, Wien 2012.
  6. Schroeder, Prof. Dr. Hans Friedrich. Lubeck, St. Anne Museum; Lubeck, Schwartauer Allee 7. „Reported Director of the Kunstschutz organisation for Russia.“ In: The AAM guide to provenance research. ISBN 978-0-931201-73-8, S. 270.
  7. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 61087a.
  8. Mirl Redmann: Das Flüstern der Fußnoten. Zu den NS-Biografien der documenta Gründer*innen*. In: documenta (Hrsg.): documenta studien. Nr. 9. Kassel Juni 2020, S. 8 (documenta-studien.de [PDF; abgerufen am 20. September 2021]).
  9. Christian Fuhrmeister: 'Deutscher militärischer Kunstschutz' in Italien -- Fragen, Probleme, Desiderate. In: Christian Fuhrmeister, Johannes Griebel, Stephan Klingen, Ralf Peters (Hrsg.): Kunsthistoriker im Krieg: Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943-1945. Köln 2012, S. 15–28.