Ländlicher Raum

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Ländlicher Raum

Der ländliche Raum ist eine Raumkategorie, die nach dem deutschen Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) in ländliche Kreise höherer Bevölkerungsdichte und ländliche Kreise geringerer Dichte unterteilt wird und den verstädterten Räumen sowie den Agglomerationsräumen gegenübersteht.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jüngere Arbeiten der Kulturgeographie ermitteln den ländlichen Raum funktional-genetisch[1] und können so den ländlichen Raum als endogene Raumkategorie ohne Abstützung auf andere Raumtypen identifizieren. Dieser Definitionsansatz ist deutlich trennschärfer als die Einteilung des BBR.

Ländlicher Raum in Schleswig-Holstein nach qualitativen Kriterien 2010

Bei der funktional-genetischen Definition werden typische ländliche Strukturelemente bestimmt, wie z. B. ein das Erscheinungsbild bestimmender Agrarsektor oder eine ökologische Ausgleichsfunktion, die der Einteilung als ländliche Region zugrunde liegen. Durch die Betrachtung von Entwicklungspfaden lassen sich ländliche Regionen nicht nur in ihrer qualitativen Entwicklung betrachten. Es entsteht so auch die Möglichkeit, ländliche Regionen mit charakteristischen Raumstrukturen näher zu beschreiben, z. B. Militärfolgelandschaft oder Kulturverlustlandschaften. Des Weiteren bietet die kulturgeographische Aufnahme des ländlichen Raums durch einen Strukturdiamant eine Grundlage für raumgestaltendes Eingreifen, z. B. durch regionale Raumplanungsvorhaben.

Die Siedlungen des ländlichen Raums sind mit ihrem Umfeld funktional eng verknüpft. Sie müssen nicht in Physiognomie und Grundriss zwingend vom Wirtschaftssektor geprägt sein. Als Siedlung wird jeglicher menschliche Wohn- und Arbeitsplatz mitsamt all seinen Gebäuden, Infrastruktureinheiten (Straßen, Wege, Plätze), Gärten und Höfen, Erholungsflächen und Freizeitzonen, sowie Sonderwirtschaftsflächen verstanden.

International[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) kennzeichnete im letzten Österreichischen Raumentwicklungskonzept (ÖREK 2001)[2] den ländlichen Raum folgendermaßen:

  • Vielfältig strukturiert und relativ eigenständig
  • Längst nicht mehr mit dem landwirtschaftlich genutzten Raum gleichzusetzen
  • Kein residualer Ergänzungsraum, sondern Grundlage für die Lebensqualität des Gemeinwesens
  • Aufgespannt zwischen Stadtumland und Peripherie
  • Flächenverantwortung für die Kulturlandschaften Österreichs – Ressourcentank für die Bevölkerung
  • Verbindende Elemente wie die geringere Bevölkerungsdichte, spezifische sozioökonomische Strukturen und soziale Lebensweisen, die sich generell von jenen der städtischen Regionen unterscheiden

Großbritannien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Großbritannien wird ein ländlicher Raum von dem Department for Environment, Food and Rural Affairs festgelegt.[3] Dabei werden Informationen von der letzten Volkszählung genutzt. Eine allgemeine Festlegung eines ländlichen Raum gibt es dabei nicht, allerdings ist der Höchstpunkt dabei ein Raum, in dem weniger als 26 Prozent der Einwohner in Minderstädten wohnen.

Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Frankreich werden als ländlicher Raum (französisch Espace rural, espaces ruraux) Gebiete oder Flächen bezeichnet, die zur Lebensmittelerzeugung dienen.[4]

2014 wurde der Begriff des hyper-ländlichen Raums[5] aufgebracht. Dieser Begriff beschreibt Gebiete, die sehr weit von der nächsten größeren Stadt entfernt sind (geografische Abgeschiedenheit), wo finanzielle Mittel fehlen, Dienstleistungen und Infrastrukturen sich zurückziehen und Orte durch Landflucht sterben (geringe Bevölkerungsdichte).[6][7] In dem Artikel werden 250 Gebiete als hyper-ländlicher Raum in einer Karte gezeigt, die 26 % der Landfläche Frankreichs betreffen.[5]

Vereinigte Staaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Vereinigten Staaten werden als ländlicher Raum (englisch rural area) Flächen bezeichnet, die sich nicht in Städten befinden.[8]

84 Prozent der Einwohner der USA leben in städtischem Gebiet (Urbanisierung), welches aber nur eine Fläche von zehn Prozent des Landes beansprucht.[9][10] Das United States Census Bureau, das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten und das Office of Management and Budget (OMB) sind zusammengekommen, um ländliche Räume genau zu definieren. Das United States Census Bureau definierte einen ländlichen Raum dabei im Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte, während das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten einen ländlichen Raum als einen nicht städtischen Raum bezeichnete.[11]

Kanada[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut der OECD leben mehr als 50 Prozent der kanadischen Bevölkerung in „ländlichen Gemeinschaften“ (englisch rural communities), welche eine Bevölkerungsdichte unter 150 Einwohner pro km² aufweisen. Diese Definition hat sich in Kanada über die Zeit geändert und wird heute als Räume außerhalb von Siedlungen mit 1.000 oder mehr Einwohnern pro km² definiert.

Indien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die National Sample Survey Organisation (NSSO) definiert einen ländlichen Raum in Indien wie folgt:

  • Einen Raum mit bis zu 400 Einwohner pro km²;
  • mindestens 75 % der männlichen Einwohner arbeiten in der Landwirtschaft[12]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • LEADER, ein EU-Förderprogramm

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pierre Antoine Barthelemy, Claude Vidal, EUROSTAT: Der ländliche Raum der Europäischen Union. Report online, ec.europa.eu
  • Bernd Belina, Andreas Kallert, Michael Mießner, Matthias Naumann (Hrsg.): Ungleiche ländliche Räume. Widersprüche, Konzepte und Perspektiven. transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-6013-5 Open Access.
  • Gerhard Henkel: Der Ländliche Raum. Gegenwart und Wandlungsprozesse seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland. 5., aktualisierte, ergänzte und neu bearbeitete Auflage. Gebr. Borntraeger, Stuttgart 2020 (Standardwerk zum Ländlichen Raum).

Periodika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Timon Hoppe: Der ländliche Raum im 21. Jahrhundert – Neubewertung einer unterschätzten Raumkategorie. Verlag BOD, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-8391-4522-7.
  2. ÖROK, 2002, Österreichisches Raumentwicklungskonzept 2001, S. 130 ff.
  3. Wörterbuch. (englisch)
  4. Espace rural, espaces ruraux — Géoconfluences. Abgerufen am 14. Januar 2021 (französisch).
  5. a b Hyper ruralite un pacte national en 6 mesures et 4 recommandations | Vie publique.fr. Abgerufen am 14. Januar 2021.
  6. Rural isolé, hyper-rural, rural « profond » — Géoconfluences. Abgerufen am 14. Januar 2021 (französisch).
  7. Un rapport sénatorial formule dix propositions pour « l'hyper-ruralité » | Maire-Info, quotidien d'information destiné aux élus locaux. Abgerufen am 14. Januar 2021.
  8. Wörterbuch. In: WordNet, abgerufen am 18. November 2012 (englisch)
  9. abcnews. In: abcnews, abgerufen am 18. November 2012 (englisch)
  10. William Howarth: The Value of Rural Life in American Culture. In: Rural Development Perspectives. Band 12, Nr. 1, 1996 (archive.org [PDF]).
  11. Was ist ein ländlicher Raum. (Memento vom 19. November 2012 im Internet Archive) In: USDA, abgerufen am 18. November 2012 (englisch)
  12. InFocus. (Memento vom 23. Dezember 2011 im Internet Archive) In: Googledocs, abgerufen am 18. November 2012 (englisch).