Leinsamen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Brauner Leinsamen mit Münze als Größenvergleich
Gelber Leinsamen

Als Leinsamen (von mittelhochdeutsch līnsāme), häufig auch Leinsaat (von mittelhochdeutsch līnsat) genannt, werden die Samen des Flachses (Gemeiner Lein, Linum usitatissimum) bezeichnet.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leinsamen haben je nach Sorte eine braune oder gelbe Schale, schmecken leicht nussig und enthalten etwa 40 % Fett (Leinöl). An diesem hat die mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure einen Anteil von etwa 50 %. Leinöl hat damit eine der höchsten Konzentrationen von Omega-3-Fettsäuren aller bekannten Pflanzenöle. Weitere wichtige Inhaltsstoffe sind Schleimstoffe, Linamarin, Eiweiß, Lecithin; ferner Sterine, Plastochromanol, die Vitamine B1, B2, B6 und E sowie Nicotin-, Fol- und Pantothensäure.[1]

Wirtschaftliche Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2021 wurden laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO weltweit etwa 3,3 Mio. t Leinsamen geerntet. Hauptproduzenten waren Russland, Kasachstan und Kanada.[2]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heilmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leinsamen werden als ein natürliches und nicht apothekenpflichtiges Abführmittel bei einer Verstopfung verwendet. Die abführende – genauer: stuhlregulierende – Wirkung beruht darauf, dass in der Schale des Leinsamens Schleime enthalten sind, die durch Wasseraufnahme quellen (Muzilaginosum). Die Kotmasse wird auch erweicht. Die mit der Quellung einhergehende Volumenzunahme reizt die in der Darmwand befindlichen Dehnungsrezeptoren, so dass es zum Entleerungsreflex kommt. Leinsamenschleim kann zum Schutz der Magenschleimhaut bei Gastritis als morgendliche Rollkur oder auf den Tag verteilt eingenommen werden. Es gibt Hinweise darauf, dass Leinsamenschleim auch Prostatakrebs vorbeugen kann.[3]

Ganze Leinsamen wirken weniger intensiv als geschrotete, denn sie passieren oft in unveränderter Form den Magen-Darm-Trakt. Werden die Samenschalen dagegen durch Zerkleinern aufgebrochen, gelangen die Schleimstoffe, ebenso wie das Leinöl, nach außen und entfalten ihre positiven Effekte. Außerdem kann Leinsamen die Verdauung nur anregen, wenn genügend Flüssigkeit aufgenommen wird. Zu wenig Flüssigkeitszufuhr kann die Schleimstoffe im Darminneren verkleben. Im schlimmsten Fall kann sich ein Darmverschluss entwickeln. Geschrotete Samen wirken stärker, halten sich jedoch nur für kurze Zeit im Kühlschrank, denn beim Zerkleinern werden Fettsäuren freigesetzt, die sich rasch zersetzen. Im Falle eines erlittenen Darmverschlusses, bei Verengung der Speiseröhre, des Magens oder des Darms oder einer akuten Entzündung im Magen-Darm-Bereich sollte Leinsamen nicht angewendet werden.[4]

Gepulverter Leinsamen und so genannter Leinkuchen (der Presskuchen ist Nebenprodukt der Leinölproduktion) werden für erweichende und schmerzlindernde breiige Umschläge bzw. als heiße Packung bei Gallenblasenkolik und anderen Erkrankungen der Leber und Galle verwendet. Die im Leinkuchen enthaltenen, wasserlöslichen Lignane besitzen antioxidative Wirkungen und werden in der Medizin zur Brustkrebsbehandlung miteingesetzt.[5]

Gefahren und empfohlene Dosis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leinsamen enthalten cyanogene Glycoside (Linustatin und Neolinustatin). Diese Blausäure-Vorstufen entsprechen nach ihrer Umwandlung einer Menge von rund 50 mg Blausäure auf 100 g Leinsamen. Blausäure ist hochgiftig, denn schon 1–2 mg Blausäure pro kg Körpermasse wirken tödlich.[6] Der geringe Wassergehalt der Samen, der zu saure pH-Wert im Magen und der Abbau durch Rhodanasen soll Vergiftungen bei Aufnahme normaler Mengen verhindern. Jede vorherige Erhitzung durch Backen, Kochen oder Braten soll darüber hinaus die Glykoside zerstören.[7][8]

Studien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer Veröffentlichung kommt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA – European Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit)), welche sich mit einer Vielzahl von Studienergebnissen auseinandersetzte, zu dem Schluss, dass aufgrund der geringen Datenlage der bisherigen Studien eine Vorgabe chronisch gesundheitsbasierter Orientierungswerte von cyanogenen Glycosiden bezogen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren, nicht bereitgestellt werden könne. Ein Wert von 20 μg/kg-Körpergewicht für Cyanide sei in einigen Studien bei cyanogenen Glycosiden um bis zu einem 2,5-fachen überschritten worden. Es sei unwahrscheinlich, dass diese Überschreitung nachhaltigen Einfluss auf die Gesundheit der untersuchten Kinder und jungen Erwachsenen habe.[9]

Verzehrempfehlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält den Verzehr von unbehandeltem Leinsamen für unbedenklich, wenn der Verzehr eines gehäuften Esslöffels (15 Gramm) pro Mahlzeit eingehalten wird.[10] Allerdings können Leinsamen die Aufnahme von wichtigen Arzneimitteln über den Darm behindern, weswegen der Verzehr zeitversetzt zu Medikamenteneinnahmen empfohlen wird.[11]

Laut neueren Angaben des schwedischen Livsmedelsverket (der staatlichen Lebensmittelbehörde Schwedens) wird vom Verzehr von hohen Dosen geschrotetem oder gemahlenem Leinsamen abgeraten, da es keine ausreichenden Belege dafür gebe, inwieweit giftige Stoffe durch Erhitzen zerstört werden.[12]

Aufgrund der hohen Menge an enthaltenen Cadmium wird empfohlen, täglich nicht mehr als 20 g Leinsamen zu verzehren.[13]

Weitere Verwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leinsamen wird in größeren Mengen als Zutat für Lebensmittel verwendet, hauptsächlich in Backwaren und Müsli. Große Mengen werden zu Leinöl gepresst, das als hochwertiges Speiseöl, als Therapeutikum sowie vor allem auch in technischen Anwendungen genutzt wird. Leinkuchen wird an Nutztiere verfüttert oder als Düngemittel ausgebracht.[1]

Leinöl ist ein aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr wertvolles Speiseöl, da es mehr als 90 % ungesättigte Fettsäuren enthält, was auch die Jodzahl 170–190 anzeigt. Es polymerisiert schnell und eignet sich damit hervorragend zur Herstellung von Ölfarben. Die Aufbewahrung aller Leinsamenprodukte sollte daher in dunklen, luftdicht schließenden Gefäßen erfolgen.

Gentechnisch verändertes Saatgut[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1996 bis 2001 war in Kanada die gentechnisch veränderte, gegen bestimmte Herbizide resistente Flachssorte Triffid zugelassen.[14][15] Trotz des folgenden weltweiten Anbau- und Verkaufsverbots (bzw. der fehlenden Genehmigungen) wurde bei ersten Kontrollen im Jahr 2009 in Deutschland genmanipulierter Leinsamen in Lebensmitteln nachgewiesen, Nachweise in weiteren europäischen Ländern folgten.[15][16] Große deutsche Handelsketten entfernten daraufhin Produkte, die möglicherweise genmanipulierten Leinsamen enthielten, aus ihren Regalen.[17]

Infolge der Vermengung der aus Kanada importierten Leinsamen mit genmanipuliertem Saatgut verwendeten viele Lebensmittelproduzenten keine Leinsamen aus Kanada mehr: Die Preise brachen ein und die kanadische Leinsamen-Industrie bangte um ihre Existenz. Die kanadische Leinsamen-Vereinigung vereinbarte mit der EU als wichtigstem Abnehmer (70 % der kanadischen Exporte) obligatorische Tests für ihre Produkte, um wenigstens einen Teil der Ernten noch absetzen zu können. Die Vereinigung bemüht sich seither, das Problem durch kontrollierten Anbau, regelmäßige Tests und Appelle an die Landwirte in den Griff zu bekommen.[18]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Michael Carus u. a.: Studie zur Markt- und Konkurrenzsituation bei Naturfasern und Naturfaser-Werkstoffen (Deutschland und EU). Gülzower Fachgespräche 26, hrsg. von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., Gülzow 2008, S. 234f (online).
  2. Crops, primary > Linseed. In: Offizielle Produktionsstatistik der FAO für 2021. fao.org, abgerufen am 28. Januar 2023 (englisch).
  3. pharmazeutische-zeitung.de: Leinsamen.
  4. Heilpflanzen-Lexikon: Leinsamen, von Dr. Martina Melzer, aktualisiert am 24. September 2012
  5. Pflanzeninhaltsstoff senkt Brustkrebs-Sterblichkeit. Pressemitteilung. DKFZ, 12. September 2009, abgerufen am 1. Juli 2018.
  6. Cyanwasserstoff. In: gestis.dguv.de. Abgerufen am 8. Mai 2022.
  7. Kailash Prasad: Flaxseed in the prevention of cardiovascular diseases In: Alister D. Muir, Neil D. Westcott: Flax: The genus Linum. CRC Press, Boca Raton 2003, ISBN 0-415-30807-0, S. 205.
  8. Petra Heim: Die Hydroxynitril-Lyasen aus Linum usitatissimun (Lein) und Sorghum bicolor (Hirse): Untersuchungen zur rekombinanten Expression und phylogenetischen Verwandtschaft. Düsseldorf 2002, DNB 965282287, S. 4; 11, urn:nbn:de:hbz:061-20020513-000180-4 (Dissertation, Universität Düsseldorf).
  9. EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM), Dieter Schrenk, Margherita Bignami, Laurent Bodin, James Kevin Chipman, Jesús del Mazo, Bettina Grasl‐Kraupp, Christer Hogstrand, Laurentius (Ron) Hoogenboom, Jean‐Charles Leblanc, Carlo Stefano Nebbia, Elsa Nielsen, Evangelia Ntzani, Annette Petersen, Salomon Sand, Christiane Vleminckx, Heather Wallace, Diane Benford, Leon Brimer, Francesca Romana Mancini, Manfred Metzler, Barbara Viviani, Andrea Altieri, Davide Arcella, Hans Steinkellner, Tanja Schwerdtle: Evaluation of the health risks related to the presence of cyanogenic glycosides in foods other than raw apricot kernels. In: EFSA Journal. Band 17, Nr. 4, April 2019, doi:10.2903/j.efsa.2019.5662, PMID 32626287, PMC 7009189 (freier Volltext) – (europa.eu [abgerufen am 21. März 2023]).
  10. DR. MARTINA MELZER: HEILPFLANZEN-LEXIKON: Leinsamen. In: apotheken-umschau.de. 19. Mai 2017, abgerufen am 8. Mai 2022.
  11. Kleine Samen, große Wirkung: Leinsamen. In: landeszentrum-bw.de. Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg, 1. Februar 2020, abgerufen am 8. Mai 2022.
  12. Cyanogena glykosider och vätecyanid – linfrö. In: www.livsmedelsverket.se. Abgerufen am 7. November 2016.
  13. Schwermetalle in Nahrungsmitteln. In: quarks.de. 24. Dezember 2018, abgerufen am 23. April 2021 (deutsch).
  14. Canadian Food Inspection Agency: DD1998-24: Determination of the Safety of the Crop Development Centre's 'CDC Triffid', a Flax (Linum usitatissimum L.) Variety Tolerant to Soil Residues of Triasulfuron and Metsulfuron-methyl
  15. a b Genmanipulierter Leinsamen in Europa verkauft. In: Spiegel Online.
  16. Greenpeace Factsheet: Gen-Leinsamen (Memento vom 11. Februar 2016 im Internet Archive; PDF; 167 kB)
  17. sueddeutsche.de: Genmanipulierter Leinsamen – Spurensuche im Labor.
  18. GMO Flax Update #1. (PDF; 39 kB) Flax Council of Canada, 28. September 2009, abgerufen am 29. August 2017 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Leinsamen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Leinsamen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen