Lexikografie

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Die Lexikografie oder Lexikographie (altgriechisch λεξικὸν βιβλίον lexikòn biblíon „Wörterbuch“ und γράφω „schreibe“, vgl. -graphie) beschäftigt sich mit dem Erstellen von Wörterbüchern. Das Erstellen eines Wörterbuches ist ein komplexer und meist langwieriger Prozess. Bei allen größeren Projekten wird die Arbeit von mehreren Personen ausgeführt. Sie führt zu einem gedruckten Wörterbuch, einem elektronischen Wörterbuch oder zu einer lexikalischen Datenbank, die Grundlage für beides sein kann.

Phasen der Erstellung eines Wörterbuches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • In der Planungsphase wird der Wörterbuchgegenstand (z. B. die Sprache Goethes) und die Wörterbuchbasis (z. B. ein Korpus der von Goethe verfassten Texte) festgelegt. Das notwendige Arbeitsmaterial – Korpus, weitere Literatur, Computer, Software etc. – wird bereitgestellt. In der Planungsphase werden außerdem Musterartikel erstellt und ein Leitfaden, an dessen Festlegungen sich alle beteiligten Lexikografen zu halten haben. Das Manual legt vor allem das Informationsprogramm fest, das für jeden Typ von Beschreibungseinheit zu erstellen ist.
  • In der nächsten Phase werden die Einheiten ausgewählt, die als Lemmata bearbeitet werden sollen (z. B. die 100.000 häufigsten Wörter der deutschen Gegenwartssprache).
  • In der Hauptphase werden Artikel für das Wörterbuch erstellt. Beschreibungsgegenstand sind dabei die zuvor ausgewählten Lemmata. Die Bearbeiter stützen sich dabei auf die Materialien der Wörterbuchbasis, also Belege, und auf ihr eigenes Wissen. Zum Teil werden auch externe Sachverständige herangezogen.
  • Die fertigen Artikel werden in meist mehreren Zyklen überarbeitet und korrigiert, bis jeder Artikel von der Projektleitung abgesegnet ist.
  • Der letzte Schritt ist die Aufbereitung des Materials für den Druck oder für den Zugriff über die Schnittstelle eines elektronischen Wörterbuchs. Immer mehr Wörterbücher erscheinen sowohl in gedruckter als auch in elektronischer Form, wobei die beiden Versionen bisweilen funktional und inhaltlich voneinander abweichen.
  • Nach ihrem Erscheinen auf dem Markt werden viele Wörterbücher immer wieder überarbeitet, aktualisiert und neu aufgelegt. So ist das Rechtschreibwörterbuch von Duden im Jahr 2009 bereits in der 25. Auflage erschienen und enthält ca. 5000 neue Einträge.

Nicht jedes Projekt umfasst alle Phasen und in dieser Reihenfolge. Viele Phasen überschneiden sich in einem konkreten Projekt zeitlich. Insbesondere eine vorgängige Auswahl der Einheiten ist gerade bei Langzeitprojekten oft nicht gegeben.

Die Lexikografie hat in ihrer im 16. Jahrhundert[1] einsetzenden Geschichte eine eigene Werkstattsprache entwickelt, die für Laien nicht unbedingt verständlich ist.

Der lexikografische Prozess, seine Produkte, die Wörterbücher, ihre Geschichte, Struktur und Benutzung sind Gegenstände der Metalexikografie (Wörterbuchforschung). Gelegentlich wird aber auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit Wörterbüchern als Lexikografie bezeichnet.

Verwandte Disziplinen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lexikografie ist eng verwandt, aber nicht identisch mit der sprachwissenschaftlichen Disziplin der Lexikologie. Die Lexikologie untersucht systematisch Teile des Wortschatzes einer Sprache, ohne diesen aber vollständig kodieren zu wollen.

Die Enzyklopädik bzw. Enzyklopädistik beschäftigt sich mit dem Erstellen von enzyklopädischen Nachschlagewerken.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Robert A. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann: Ein idealisiertes Graphemsystem des Frühneuhochdeutschen als Grundlage für die Lemmatisierung frühneuhochdeutscher Wörter. In: Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie I (= Germanistische Linguistik. Band 3–4/79). Hildesheim/ New York 1981, S. 53–122.
  • Henning Bergenholtz, Sven Tarp: Die moderne lexikographische Funktionslehre. Diskussionsbeitrag zu neuen und alten Paradigmen, die Wörterbücher als Gebrauchsgegenstände verstehen. In: Lexicographica. International Annual for Lexicography. Vol. 18, 2002, ISSN 0175-6206, S. 253–263.
  • Andreas Deutsch: Anforderungen an eine Bedeutungserklärung im Fachwörterbuch zu Zeiten von Google und Wikipedia – dargestellt am Beispiel des Deutschen Rechtswörterbuchs. In: Gerhard Diehl, Volker Harm (Hrsg.): Historische Lexikographie des Deutschen. Perspektiven eines Forschungsfeldes im digitalen Zeitalter. Berlin/Boston 2022, S. 37–56.
  • Gerhard Diehl, Volker Harm (Hrsg.): Historische Lexikographie des Deutschen. Perspektiven eines Forschungsfeldes im digitalen Zeitalter (Lexicographica: Series Maior 161). Berlin/Boston 2022.
  • Philip Durkin (Hrsg.), The Oxford Handbook of Lexicography. Oxford 2016.
  • Stefan Engelberg, Lothar Lemnitzer: Lexikographie und Wörterbuchbenutzung (= Stauffenburg Einführungen. Bd. 14). Stauffenburg, Tübingen 2001, ISBN 3-86057-285-7.
  • Teja Erb: Geschichte, Konzepte und Perspektiven der mittellateinischen Lexikographie im deutschen Sprachraum. In: Das Altertum. Band 47, 2002, S. 13–35.
  • Csaba Földes: Was gilt als Großwörterbuch? Zur Problematik der Größenklassen von Sprachlexika. In: Jarmo Korhonen (Hrsg.): Von der mono- zur bilingualen Lexikografie für das Deutsche (= Finnische Beiträge zur Germanistik. Bd. 6). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2001, ISBN 3-631-38361-4, S. 31–42 (Siehe: http://www.vein.hu/german/grosswoerterbuch.html).
  • Colin Good: Lexicography and Linguistic Theory with Special Reference to German. In: New German Studies. 15, 1988, S. 81–110.
  • Rufus H. Gouws, Ulrich Heid, Wolfgang Schweickard, Herbert Ernst Wiegand (edd.): Dictionaries. An International Encyclopedia of Lexicography. Supplementary Volume: Recent Developments with Focus on Electronic and Computational Lexicography. Boston/Berlin 2013.
  • Ulrike Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher – Brennpunkt von Sprach- und Kulturgeschichte. de Gruyter, Berlin/New York NY 2001, ISBN 3-11-014885-4.
  • Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (edd.): Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Band 3, Berlin/New York 1989–1991.
  • Helmut Henne (Hrsg.): Praxis der Lexikographie: Berichte aus der Werkstatt (= Germanistische Linguistik. Band 22). Tübingen 1979.
  • Thomas Herbst, Michael Klotz: Lexikografie (= UTB 8263). Schöningh, Paderborn u. a. 2003, ISBN 3-8252-8263-5.
  • Sidney I. Landau: Dictionaries. The Art and Craft of Lexicography. Scribners, New York 1984; 2. Auflage: Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2001, ISBN 0-521-78040-3.
  • Anja Lobenstein-Reichmann, Peter O. Müller (Hrsg.): Historische Lexikographie zwischen Tradition und Innovation. Berlin/Boston 2016.
  • Sandro Nielsen: The Effect of Lexicographical Information Costs on Dictionary Making and Use. In: Lexikos. Vol. 18, 2008, ISSN 1684-4904, S. 170–189 (online).
  • Oskar Reichmann: Historische Lexikographie. Ideen, Verwirklichungen, Reflexionen an Beispielen des Deutschen, Niederländischen und Englischen (= Studia Linguistica Germanica 111). de Gruyter, Berlin/Boston 2012, ISBN 978-3-11-028255-9.
  • Michael Schlaefer: Lexikologie und Lexikographie. Eine Einführung am Beispiel deutscher Wörterbücher (= Grundlagen der Germanistik. Bd. 40). 2., durchgesehene Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-503-09863-7.
  • Herbert Ernst Wiegand: Wörterbuchforschung. Untersuchungen zur Wörterbuchbenutzung, zur Theorie, Geschichte, Kritik und Automatisierung der Lexikographie. Teilband 1. de Gruyter, Berlin/New York NY 1998, ISBN 3-11-013584-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Lexikografie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Klaus-Peter Wegera (Hrsg.): Studien zur frühneuhochdeutschen Lexikologie und zur Lexikographie des 16. Jahrhunderts (= Studien zum Frühneuhochdeutschen 8). Zum Teil aus dem Nachlass Arno Schirokauers herausgegeben. Heidelberg 1987.