Li Keqiang

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Li Keqiang (2023)

Li Keqiang (IPA: [li kʰɤʨʰiaŋ]; chinesisch 李克強 / 李克强, Pinyin Lǐ Kèqiáng; * 3. Juli 1955 in Hefei, Anhui; † 27. Oktober 2023 in Shanghai) war ein chinesischer Politiker, der vom 15. März 2013 bis zum 11. März 2023 als Ministerpräsident der Volksrepublik China amtierte. Er war außerdem von 2007 bis 2022 ständiges Mitglied des 17., 18. und 19. Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Li wurde als Sohn eines örtlichen Beamten geboren und studierte ab 1978 an der Peking-Universität Wirtschaft und Jura. Sein Studium schloss er 1982 mit einem Doktorgrad in Wirtschaftswissenschaften ab.[1][2]

Politische Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 1976 trat Li der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bei und bekleidete während seiner Studienzeit verschiedene Ämter im Kommunistischen Jugendverband Chinas (KJVC). 1982 wurde Li Mitglied des Zentralkomitees (ZK) des KJVC sowie 1985 stellvertretender Vorsitzender des Allchinesischen Jugendbundes (KJVC). 1993 wurde er zum Ersten Sekretär des ZK des KJVC gewählt.[3]

1998 bis 2002 war er Gouverneur der Provinz Henan (1998 bis 1999 in geschäftsführender Funktion) und 1999–2002 stellvertretender Parteisekretär sowie 2002 bis 2004 Parteisekretär der KPCh in Henan. 2004 bis 2007 war er Parteisekretär der KPCh in der Provinz Liaoning.[4] Als Gouverneur von Henan versuchte er, einen AIDS-Skandal durch kontaminierte Blutprodukte zu vertuschen. Seine Behörden schikanierten Opfer und Bürgerrechtler.[5][6] Als er im Dezember 2004 das Amt des Parteisekretärs in Liaoning übernahm, formulierte er als eines der Ziele seiner Politik, die Häfen der Provinz, darunter Dalian und Dandong, besser zu verknüpfen sowie die Werbung ausländischer Investoren, insbesondere aus den Nachbarländern Südkorea und Japan, zu steigern. Das aus ausländischen Investitionen zugeflossene Geld nutzte er für die Verbesserung der großen Staatsbetriebe in der von der Schwerindustrie geprägten Provinz Liaoning.[7] In einem Gespräch im Jahr 2007 erklärte Parteisekretär Li dem damaligen US-Botschafter in China, dass die offiziellen BIP-Zahlen ein unzuverlässiger Messwert für das Wirtschaftswachstum seien. Stattdessen bevozuge er, Li, drei andere Indikatoren: das Frachttransportvolumen der Eisenbahn, den Verbrauch an elektrischer Energie und das Volumen vergebener Bankkredite. Das vertrauliche Gespräch wurde später über WikiLeaks der Öffentlichkeit bekannt und 2010 schuf der britische The Economist daraus den „Li-Keqiang-Index“, der in den folgenden Jahren vielfach als Maßzahl für das Wirtschaftswachstum Chinas diskutiert wurde.[8]

Auf dem 17. Parteitag der KPCh im Oktober 2007 wurde Li zum Mitglied des Ständigen Ausschuss des Politbüros des ZK der KPCh berufen und im März 2008 wurde er Vize-Premierminister und Mitglied des Staatsrates.[4][3] Neben Generalsekretär Xi Jinping galt Li als einer der einflussreichsten Politiker in der Ära nach Hu Jintao. Er wurde als Mitglied der fünften Führungsgeneration der Volksrepublik China angesehen.

Am 15. März 2013 wurde er vom Nationalen Volkskongress zum Ministerpräsidenten der VR China gewählt und damit zum Nachfolger von Wen Jiabao.[9] Der Ministerpräsident leitet den Staatsrat, das zentrale Verwaltungsorgan der VR China. Am 18. März 2018 wurde er für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt.[10] Formell war Li damit die nach Präsident Xi Jinping zweitmächtigste Person im Staat. In seinen letzten Amtsjahren war er die einzige Person in führender Leitungsfunktion, die nicht zur unmittelbaren Gefolgschaft Xis gezählt wurde.[11] Am 11. März 2022 kündigte Li seinen turnusmäßigen Rücktritt nach zwei Amtszeiten als Ministerpräsident für das Jahr 2023 an.[12]

Li galt als relativ populär in der Bevölkerung, da er sich mit konkreten sozialen Problemen, wie dem Ausgleich der Einkommensunterschiede und dem Wohnungsbau, befasste.[11] Außerdem galt er als ehrlich in seinen Äußerungen. Beispielsweise beschönigte er nicht die wirtschaftlichen Probleme Chinas, sondern sprach diese offen an, in der Absicht, dafür Lösungen zu finden. Er benannte auch deutlich den wirtschaftlichen Schaden, den die Null-Covid-Strategie, die wesentlich durch Staatspräsident Xi vertreten wurde, in China angerichtet hatte, ohne allerdings dabei Xi persönlich zu kritisieren.[13]

Auf dem 20. KPCh-Parteitag im Oktober 2022 segneten die rund 2300 Delegierten die rund 200 Mitglieder des neuen Zentralkomitees (ZK) der KPCh ab. Li Keqiang wurde nicht in das ZK gewählt. Dies implizierte, dass er keinen Posten im Politbüro und dessen Ständigem Ausschuss innehaben konnte. Er ging folglich in den Ruhestand. Xi zementierte auf demselben Parteitag seine Macht und ließ sich für eine dritte Amtszeit wählen.[14] Als Hu Jintao auf Weisung Xis vor laufenden Fernsehkameras von der Führungstribüne geführt wurde, tippte er Li freundlich auf die Schulter und Li erwiderte mit einem Kopfnicken. Die Nicht-Wahl Lis wurde in der westlichen Presse auch als Kaltstellung eines möglichen Rivalen Xis interpretiert.[11]

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Li Keqiang war seit 1983 mit Cheng Hong verheiratet, einer Professorin an der Hauptstadt-Universität für Wirtschaft und Handel. Sie haben gemeinsam eine Tochter, die ein Auslandsstudium in den Vereinigten Staaten absolvierte.[15]

Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am frühen Morgen des 27. Oktober 2023 verstarb Li unerwartet im Alter von 68 Jahren bei einem Urlaub in Shanghai. Staatsmedien gaben als Todesursache einen Herzinfarkt an.[1][11][2]

In den Tagen nach Li Keqiangs Tod entwickelten sich die Orte, an denen Li gelebt hatte (die Hongxing-Straße in Hefei und das Dorf Jiuzi, nahe Hefei, aus dem Lis Vorfahren stammten) zu regelrechten Wallfahrtsorten von Anhängern und Trauernden, die zum Teil von weither anreisten. Tausende von Blumenbouquets wurden niedergelegt. Trauernde äußerten im Gespräch mit westlichen Journalisten ihre Betroffenheit und ihren Respekt vor Li, der ein wirkliches Empfinden für die Anliegen der kleinen Leute gehabt habe. Die Trauernden wurden dabei von Sicherheitspersonal abgedrängt und zum Weitergehen aufgefordert.[16]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Li Keqiang – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Chinas früherer Ministerpräsident Li Keqiang gestorben. In: spiegel.de. 27. Oktober 2023, abgerufen am 14. Dezember 2023 (Geburtsdatum hier am 1. Juli 1955 ist inkorrekt; nach chinesischer Quelle (siehe Xinhua) wurde er am 3. Juli 1955 geboren).
  2. a b 李克强同志生平 ‚Genosse Li Keqiangs Leben‘. In: news.cn. Xinhua, 2. November 2023, abgerufen am 14. Dezember 2023 (chinesisch): „李克强同志,[…],1955年7月3日生于安徽合肥。 ‚Genosse Li Keqiang, […], geboren am 3. Juli 1955 in Hefei, Anhui.
  3. a b Li Keqiang passes away. In: Xinhua. 27. Oktober 2023, abgerufen am 28. Oktober 2023 (englisch).
  4. a b Li Keqiang -- Premier of China’s State Council. In: Xinhua. 19. März 2018, abgerufen am 28. Oktober 2023 (englisch).
  5. Fabian Kretschmer: Trauer um Li Keqiang. In: taz. 27. Oktober 2023, abgerufen am 27. Oktober 2023.
  6. Matthias Naß: Li Keqiang, liberal und trotzdem linientreu. In: Zeit Online. 25. Mai 2013, abgerufen am 28. Oktober 2023.
  7. Peter S. Wang, 28. Mai 2007: Li Keqiang: A Rising Star and Aide to China’s President Hu Jintao (Memento vom 17. Oktober 2007 im Internet Archive) (englisch)
  8. Keqiang ker-ching. In: The Economist. 9. Dezember 2010, abgerufen am 3. November 2023 (englisch).
  9. Machtwechsel in China: Volkskongress wählt Li zum Ministerpräsidenten (Memento vom 18. März 2013 im Internet Archive) bei tagesschau.de, 15. März 2013 (abgerufen am 15. März 2013).
  10. Chinas Regierungschef: Li darf weitere fünf Jahre regieren. In: tagesschau.de. 18. März 2018, archiviert vom Original am 26. Juli 2018; abgerufen am 27. Oktober 2023.
  11. a b c d Obituary: Li Keqiang. In: BBC News. 27. Oktober 2023, abgerufen am 27. Oktober 2023 (englisch).
  12. Chinas zweiter Mann im Staat: Li Keqiang kündigt Rücktritt an. In: Der Spiegel. 11. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 11. März 2022]).
  13. Stephen McDonell: Why Li Keqiang's death is dangerous for Xi Jinping. In: BC News. 27. Oktober 2023, abgerufen am 3. November 2023 (englisch).
  14. Benjamin Eyssel: Macht zementiert – und Eklat provoziert? In: tagesschau.de. 22. Oktober 2022, abgerufen am 27. Oktober 2023.
  15. Cheng Hong, wife of Li Keqiang, a low-profile scholar. South China Morning Post, 30. Oktober 2012; (englisch).
  16. Li Keqiang: Official nerves show as BBC hears praise for dead Chinese leader. In: BBC News. 2. November 2023, abgerufen am 3. November 2023 (englisch).
VorgängerAmtNachfolger
Wen JiabaoPremierminister der Volksrepublik China
2013–2023
Li Qiang