Liechtensteinische Mundarten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Liechtensteinische Mundart (im Dialekt Liachtaschtanerisch u. ä.) ist eine Sammelbezeichnung für die im Fürstentum Liechtenstein gesprochenen alemannischen Dialekte. Ihre Zugehörigkeit zu den alemannischen Teilmundarten ist, vom höchstalemannischen Walserdeutsch auf dem Triesenberg abgesehen, nicht eindeutig. Aufgrund ihres Vokalismus sind das Unter- und das Oberländische jedoch am ehesten als mittelalemannisch-hochalemannische Übergangsmundart zu charakterisieren.[1]

Die Beispiele für Mundartwörter und -phoneme im Folgenden werden in der Dieth-Schreibung wiedergegeben.

Geschichtlicher Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gebiet des heutigen Fürstentum Liechtenstein wurde während der Römerzeit romanisiert. Das Romanische wurde im 13. Jahrhundert von Feldkirch her nach und nach von einem alemannischen Dialekt verdrängt. Es wird angenommen, dass die deutsch-romanische Sprachgrenze um 1300 südlich von Balzers lag. Zur selben Zeit ließen sich in Triesenberg Walser nieder, die ihren alten Walserdialekt bis heute behielten, wenn auch gewisse Annäherungen der Dialekte im Laufe der Zeit stattfanden. Das romanische Substrat ist noch im ganzen Gebiet besonders in Orts- und Flurnamen deutlich erkennbar.

Im späteren Mittelalter bildete sich im nördlichen Unterland die Herrschaft Schellenberg und im südlichen Oberland die Grafschaft Vaduz. Die Grenze der beiden historischen Territorien entspricht ungefähr der heutigen Dialektgrenze zwischen dem Unterländischen und dem Oberländischen.

Gliederung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mundarten des Fürstentums Liechtenstein können in drei Dialekte gegliedert werden, was schon im Landesnamen selbst deutlich zum Vorschein kommt:

Auffälligstes Merkmal zwischen Unter- und Oberländisch ist die Vertretung von Mittelhochdeutsch /ei/, das im Unterländischen als langes /oo/, im Oberländischen jedoch als langes /ää/ realisiert wird. Dazwischen liegt ein kleines Gebiet, wo, außer vor z. T. geschwundenem Nasal, /aa/ erscheint. Im Walserischen in Triesenberg ist der Diphthong als /ei/ erhalten.

Im Oberländischen sind die mittelhochdeutschen Diphthonge /ie, üö, uo/ als /ie, üe, ue/ durchgehend erhalten, während sie im Unterländischen vor Nasal monophthongisiert wurden zu langem /ee, öö, òò/ mit nasalem Klang. Im Gegensatz hierzu wurden kurzes /i, ü, u/ vor /r/ im Unterländischen zu /ier, üer, uer/ diphthongiert, im Oberländischen wurden sie zu /er, ör, or/ gesenkt; im Walserdeutschen sind sie als /ir, ür, ur/ erhalten geblieben. Während im Unterländischen offene Silben konsequent gedehnt werden, geschieht dies im Oberländischen nur teilweise.

Das Walserdeutsche von Triesenberg zeigt typische Walser Eigenheiten mit vielen konservativen Zügen. Zu den bereits genannten Konservatismen gesellen sich noch der Erhalt von mhd. /â/ als langes /aa/ (sonst /òò/) und mhd. /ou/ als /òu/ (sonst /oo/), die erhaltenen Hochzungenvokalen in Hiat und Auslaut wie in frii, buue, nüü «frei, bauen, neu» sowie viele Besonderheiten in der Flexion, besonders beim Adjektiv und beim Verb. Auffällig ist z. B. der zweiformige Verbplural /-en, -ed, -en/, während das Unter- und das Oberländische den einformigen Verplural benutzen /-en, -en, -en/. Neuerungen des Walserdeutschen, die auch in der Mundart von Triesenberg vorkommen, sind Palatalisierung von /s/ in Wörtern wie Iisch «Eis», schi «sie», böösch «böse» oder Müüsch «Mäuse» oder der Sprossvokal in auslautendem /re/ für/-rn/ und /-rm/.

Mhd. Unterland Oberland Triesenberg Deutsch
ei Schtòò/? Schtaa/? Schtèi/? Stein
ei Òòcha, Aacha/? Aacha/? Èicha/? Eiche
ou Loob/? Loob/? Lòub/? Laub
ie Reema/? Riama/? Riema/? Riemen
uo Blòòma/? Bluama/? Bluema/? Blume
iu tüüff/? tüüff/? töuff/? tief
â Òòbet/? Òòbet/? Aabat/? Abend
i Weesa/? Wesa/? Wisa/? Wiese
ir Biera/? Bera/? Bira/? Birne
ur Tuerm/? Torm/? Tura/? Turm
or Kharn/? Khòrn/? Choora/? Korn
rn Hòrn/? Hòrn/? Hoora/? Horn
k- Khääs/? Khèès/? Chääs/? Käse
s Iis/? Iis/? Iisch/? Eis
nd Hunn/? Hund/? Hund/? Hund
Umpòòssa/? Umbäässa/? Aamässa/? Ameise
Wèschpl Wèschkì Wäschgi Wespe

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Roman Banzer: Die Mundart des Fürstentums Liechtenstein. Sprachformengebrauch, Lautwandel und Lautvariation. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 95, 1998, S. 142–247. Zugleich Dissertation Universität Freiburg/Schweiz, 1994 (Digitalisat).
  • Roman Banzer: Pragmatik und Interferenzen der Mundarten des Fürstentums Liechtenstein, des St. Galler Rheintals und Vorarlbergs. In: Ludger Kremer, Hermann Niebaum (Hrsg.): Grenzdialekte (= Germanistische Linguistik. 101–103). Olms, Hildesheim 1990, ISBN 978-3-487-09474-8, S. 341–359.
  • Roman Banzer: Wia ma bi üüs red: Eine Tonsammlung der liechtensteinischen Ortsmundarten. Eigenverlag, Triesen 1998.
  • Alexander Frick: Die Mundarten von Liechtenstein. Bearbeitet von Eugen Gabriel. Liechtensteiner Mundartstiftung, Vaduz 1990.
  • Arthur Gassner, Annie Hilbe: Der Walserdialekt in Triesenberg. Schaan 2009 [erweiterte Ausgabe von Arthur Gassner: Der Walserdialekt in Triesenberg. o. O. 1980].
  • Gesellschaft Schweiz-Liechtenstein (Hrsg.): Die Sprachlandschaft Rheintal. Zollikofer, St. Gallen 1981 (Schriftenreihe Nr. 4). Darin:
    • Hans Stricker: Zur Sprachgeschichte des Rheintals, vor allem Werdenbergs und Liechtensteins (S. 7–58).
    • Eugen Gabriel: Die liechtensteinische Mundart im Rahmen ihrer Nachbarmundarten (S. 59–95).
  • Philipp Albert Schaedler: Einiges über die Mundart der Talgemeinden Liechtensteins. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 15, 1915, S. 5–74.

Wörterbücher

  • Leo Jutz: Die Mundart von Südvorarlberg und Liechtenstein. Heidelberg 1925 (Germanische Bibliothek. Sammlung 1. Reihe 1. Bd. 15).
  • Leo Jutz: Vorarlbergisches Wörterbuch mit Einschluß des Fürstentums Liechtenstein. 2 Bände. Wien 1955–65 (Band 2 aus dem Nachlass, redigiert von E. Gabriel und E. Kranzmayer).
  • Hans Stricker, Herbert Hilbe: Der Komponist als Lexikograph. Joseph Rheinbergers unveröffentlichtes «Wörterbuch des liechtensteinischen Dialekts» von 1896. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 88, 1990, S. 136–169.

Ortsnamen

  • Hans Stricker et al.: Liechtensteiner Namenbuch. Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Band 5: Lexikon. Vaduz 1999. ISBN 3-906393-25-9.
  • Hans Stricker et al.: Liechtensteiner Namenbuch. Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Band 6: Einführung, Quellen, Register. Vaduz 1999 (besonders Seiten 65–86). ISBN 3-906393-25-9.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Werner Besch u. a. (Hrsg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, Berlin 1983, bes. S. 832–836 sowie Karten 47.4 und 47.5