Lulu von Strauß und Torney

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Lulu von Strauß und Torney
Lulu von Strauß und Torney

Luise „Lulu“ Elisabeth von Strauß und Torney (* 20. September 1873 in Bückeburg; † 19. Juni 1956 in Jena) war eine deutsche Dichterin und Schriftstellerin.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luise Elisabeth von Strauß und Torney entstammte dem niedersächsischen Geschlecht Strauß und Torney, das im 19. Jahrhundert in den Adelsstand erhoben wurde und mit dem Pfarrer Georg Burchard Strauß (um 1584–1632) in Rethmar erstmals urkundlich genannt ist. Sie war die Tochter des königlich preußischen Generalmajors Lothar von Strauß und Torney (1835–1903) und der aus dem Amt Varel stammenden Gutsbesitzerstochter Kathinka Harms (1843–1917). Ihr Großvater war der fürstlich schaumburg-lippesche Minister, Religionshistoriker und Dichter Viktor von Strauß und Torney (1809–1899), ihr Onkel der Senatspräsident des Berliner Oberverwaltungsgerichts Hugo von Strauß und Torney (1837–1919) und ihre Tante die Schriftstellerin Hedwig von Schreibershofen (1840–1922).

Peter Matzen (Göttingen): Lulu von Strauß und Torney

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1898 veröffentlichte sie erste Gedichte. Ihre Themen fand sie im idyllischen Schaumburger Land, aber auch im Marschland und an der Nordsee. 1901 erschien ihre erste Novelle Bauernstolz. Sie fand Kontakt zum Göttinger Kreis um Börries von Münchhausen, der sie Agnes Miegel vorstellte, und zu Theodor Heuss. Mit ihnen verband sie eine lebenslange Freundschaft. Ihre wichtigsten Werke verfasste sie alle vor dem Ersten Weltkrieg. Am 18. April 1916 heiratete sie in Bückeburg den Verleger Eugen Diederichs (1867–1930) und zog nach Jena. Unter seinem Einfluss wandte sie sich religiösen Themen, Sagen und Märchen zu.

Am 26. Oktober 1933 unterzeichnete sie zusammen mit acht weiteren Frauen und 79 männlichen Autoren das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler. 1939 ließ sie sich mit einigen ihrer Gedichte in den „Gratulations-Prachtband zu Hitlers 50. Geburtstag“ eintragen. Ab 1941 beteiligte sie sich am damals gegründeten Eisenacher Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben an dessen Projekt zur „Entjudung“ des Neuen Testaments. Sie war im dortigen „Arbeitskreis Volkstestament“ für dessen „dichterische Wortfassung“ zuständig und erarbeitete die Übersetzung des NT zu einer „entjudeten“ Fassung mit. Diese machte Jesus von Nazaret zum Arier und Gegner des Judentums und seiner biblischen Überlieferungen. Diese nach rassistischen und antisemitischen Leitlinien erstellte Neufassung wurde unter dem Titel Die Botschaft Gottes veröffentlicht.[1] Strauß und Torneys Mitwirkung daran wurde ab 1994 historisch erforscht.[2]

Die Nationalsozialisten zählten die Werke von Lulu von Strauß und Torney zur Blut-und-Boden-Literatur. Sie gehörte in der Zeit des Nationalsozialismus zu den Dichtern, die von der Reichsschrifttumskammer besonders gewürdigt und benutzt wurden. So hieß es in einem Schulungsleitfaden für den Bund Deutscher Mädel: Die Erzählungen und Balladen der Dichterin seien „erdverbunden“ und Ausdruck für die „Heiligkeit von Blut und Boden“.[3] Strauß und Torney stand 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[4]

Für heutige Literaturwissenschaftler passen die Themen und Züge mancher ihrer Werke (etwa Reif steht die Saat) in die Kategorie der Blut-und-Boden-Literatur. Andere ihrer Werke wurden mit dem Wehrwolf-Roman von Hermann Löns verglichen.[5]

Ein Teilnachlass von Strauß und Torney befindet sich in der Handschriftenabteilung der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, ein anderer Teil im Staatsarchiv Bückeburg.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke (in Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bauernstolz. Novelle. 1901.
  • Eines Lebens Sühne. Novelle. 1904.
  • Die Dorfgeschichte in der modernen Literatur. 1906.
  • Hof am Brink. 1906.
  • Lucifer. Roman. 1907.[6]
  • Das Leben des heiligen Franz von Assisi. 1909.
  • Sieger und Besiegte. Novellen. 1909.
  • Judas. Roman. 1911 (später unter dem Titel Der Judashof. Ein niederdeutscher Erbhofroman. 1937.)
  • Reif steht die Saat. Neue Balladen. 1919.
  • Der Jüngste Tag. Roman. 1922.
  • Das Leben der Heiligen Elisabeth. 1926.
  • Deutsches Frauenleben in der Zeit der Sachsenkaiser und Hohenstaufen. 1927.
  • Vom Biedermeier zur Bismarckzeit. Aus dem Leben eines Neunzigjährigen. Biografie. 1932 (über Viktor von Strauß und Torney)
  • Auge um Auge. Erzählung. 1933.
  • Erde der Väter. Ausgewählte Gedichte. 1936.
  • Das goldene Angesicht. Gedichte. 1943.
  • Das verborgene Angesicht. Erinnerungen. 1943.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Edda Ziegler: Helene Voigt-Diderichs und Lulu von Strauß und Torney. Frauen im Eugen Diederichs Verlag. In: dies.: Buchfrauen. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1523-5, S. 95–104
  • Wolfgang Delseit: Lulu von Strauß und Torney. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 520 f. (Digitalisat).
  • Ulf Diederichs: Agnes Miegel, Lulu von Strauß und Torney und das Haus Diederichs. Die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft. Agnes-Miegel-Gesellschaft, Bad Nenndorf 2005, ISBN 3-928375-27-X.
  • Nicolaus Heutger: Lulu von Strauß und Torney. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 11, Bautz, Herzberg 1996, ISBN 3-88309-064-6, Sp. 37–39.
  • Gisela Horn: Die NS-Universität Jena ehrt die Frauen: Lisa Sauckel und Lulu von Strauß und Torney-Diederichs. In: Cornelia Amlacher, Dietmar Ebert, Gisela Horn (Hrsg.): Anpassung Verfolgung Widerstand. Frauen in Jena 1933–1945. Jena 2007, S. 91–96.
  • Gisela Horn: Lulu von Strauß und Torney-Diederichs – ein Beispiel weiblicher Anpassung. In: Gisela Horn (Hrsg.): Entwurf und Wirklichkeit. Frauen in Jena 1900 bis 1933. Rudolstadt 2005, S. 311–324.
  • Birgit Jerke: Wie wurde das Neue Testament zu einem sogenannten Volkstestament „entjudet“? Aus der Arbeit des Eisenacher „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsch kirchliche Leben“. In: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hrsg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen. Frankfurt am Main 1994, S. 201–234.
  • Hans Prolingheuer: Das kirchliche „Entjudungsinstitut“ 1939 bis 1945 in der Lutherstadt Eisenach. S. 16, Fußnote 35 (PDF 1,6 MB; abgerufen am 11. August 2011).
  • Liselotte Zander: Die Balladen der Lulu von Strauß und Torney. Eine Würdigung nach Gehalt und Gestalt. Univ. Diss., Greifswald 1951.
  • Deutsches Geschlechterbuch: Strauß aus Rethmar bei Lehrte in Hannover (Einzeldruck aus dem 9. Niedersachsenband, DGB 141). C.A. Starke Verlag (72 Seiten).
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B, Band VI, Band 32 der Gesamtreihe. C.A. Starke, Limburg (Lahn) 1964, ISSN 0435-2408, S. 366.
  • Robert Volz: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 1: A–K. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, DNB 453960286.
  • Strauß und Torney, Lulu. In: Kurt Böttcher (Gesamtredaktion): Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1975; Band 2, S. 352/353

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Elisabeth Lorenz: Ein Jesusbild im Horizont des Nationalsozialismus: Studien zum Neuen Testament des „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben“. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN 3-16-154569-9, S. 18–20 und Fn. 68, 70
  2. Hans Sarkowicz, Alfred Mentzer: Schriftsteller im Nationalsozialismus. Ein Lexikon. Insel, Berlin 2011, ISBN 978-3-458-17504-9, S. 578.
  3. Sabine Hering-Calfin, Kurt Schilde: Das BDM-Werk „Glaube und Schönheit“: Die Organisation junger Frauen im Nationalsozialismus. Springer VS, Wiesbaden 2004, ISBN 978-3-663-09536-1, S. 113
  4. Strauss und Torney, Lulu von. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten: Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Arndt, Kiel 2020, ISBN 978-3-88741-290-6, S. 93.
  5. Karl-Heinz Schoeps: Literatur Im Dritten Reich. Herbert Lang, 1992, ISBN 3-261-04589-2, S. 145
  6. Abdruck Luzifer als Fortsetzungen in: Vossische Zeitung, ab 10. August 1905.