Luren

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Siedlungsgebiet der Luri

Die Luren oder Loren (auch Luri, in lurischer Sprache لۊر Lur) sind eine zu den iranischen Völkern gehörende Ethnie, die bis in das 20. Jahrhundert hinein überwiegend nomadisch lebte.[1][2][3][4] Ihr Hauptsiedlungsgebiet erstreckt sich von einem Zentrum um das Zāgros-Gebirge im westlichen Iran bis zu den Faili-Luren im Südosten des Irak.[5] Insgesamt leben in den Hauptsiedlungsgebieten sowie in den iranischen Großstädten geschätzt knapp fünf Millionen Luren.[6]

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Taschentuchtanz (dastmal bazi) während einer Hochzeitszeremonie, Mamasani, Iran.

Sowohl die Luren im Norden als auch die in Luristan lebenden Kurden teilen sich bezüglich der Bergkette Kabir Kuh[7] in die Gruppen Poscht-e Kuh („jenseits der Berge“) und Pisch-e Kuh („diesseits der Berge“). Unterhalb dieser Unterscheidung setzt sich das lurische Volk aus sechzig Stämmen zusammen, von denen die Boir Ahmadi, die Kuhgiluye und die Mamasani die bekanntesten sind. Die lurischen Stämme standen im Ruf, besonders furchtlose und harte nomadische Kämpfer von robuster Natur zu sein.[8]

Bis zur Herrschaft der Pahlavi-Dynastie lebte die Mehrheit der Luren als nomadische Hirten, mit einer kleinen städtischen Minderheit in der Provinzhauptstadt Chorramabad. Die Gesellschafts- und Herrschaftstraditionen der Luren ähnelten jenen der benachbarten Kurden. Îsmet Şerîf Wanlî rechnet die Luren deshalb den Kurden zu, der Orientalist Kamal Fuad hält diese Zuordnung hingegen für historisch und politisch, nicht aber ethnographisch und sprachwissenschaftlich begründet.[9] Weibliche Luren genossen, ebenso wie kurdische Frauen, seit jeher größere Freiheiten als dies bei benachbarten iranischen und arabischen Völkern der Fall war.[10] Die Selbstbestimmung der Luri-Stämme stand frühzeitig unter dem Druck zentralstaatlicher Interessen, jedoch behielten viele der Luri-Stämme bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine weitgehende Eigenständigkeit in inneren Belangen. Unter der Herrschaft des Nadir Schah im 18. Jahrhundert wurden lurische Stämme aus dem Zāgros-Gebirge nach Chorasan umgesiedelt, vor allem der Luri-Stamm der Zand zog jedoch nach dem Tode Nadir Schahs wieder zurück in sein traditionelles Stammesgebiet im Bereich Malayir.[11]

Während der Herrschaft des Reza Schah Pahlavis wurde das vormals nomadisch lebende Volk schließlich zur Sesshaftigkeit gezwungen und viele seiner Führer waren der Verfolgung ausgesetzt. Um 1986 waren die Luren fast vollständig sesshaft geworden. 60 % der Luren leben heute in Großstädten in und außerhalb des traditionellen Siedlungsgebietes.[12][13] Zum Ackerbau wechselten die Luren vergleichsweise spät im Zuge ihrer Sesshaftwerdung.[14]

Die traditionellen Behausungen der Nomaden waren schwarze Zelte (siah tschador), offene Unterstände mit Blätterdach (kula) im Sommer und Steinhäuser (zemga) mit aus Lesesteinen geschichteten Wänden im Winter. Wie auch das benachbarte Volk der Kaschgai, sind auch die Luren bekannt für ihre traditionelle Teppichknüpfkunst.[15]

Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lorestan, Berg Oshtoran

Die lurische Sprache (Lorī) ist eine iranische Sprache, sie erinnert an eine archaische Form des Persischen.[16] Lori wird in zwei Hauptdialekte geteilt. Lor-e bozorg („größeres Lur“) wird im Süden von den Bachtiaren gesprochen. Lor-e kuček („kleineres Lur“) ist im Norden im Siedlungsgebiet der Luren verbreitet. Sprecher des Nord- und Südlurischen können sich untereinander nicht verständigen, es gibt aber fließende Übergänge zwischen Sprechern kurdischer, lurischer und persischer Dialekte.[17] Luren sprechen mehrere Hauptdialekte:

Genetische Besonderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch ihre Jahrtausende währende abgeschottete Lebensweise in schwer zugänglichem Gebirge weisen Luri und ihre Nachfahren auch heute noch bestimmte, besondere genetische Merkmale auf, unter anderem ein vermehrtes Vorkommen der Y-DNA Haplogruppe R1b, insbesondere in Form der Untergruppe R1b1a2a-L23.[27][28]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Colin MacKinnon: Lurische Dialekte. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 7. Januar 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 18. Juni 2012] mit Literaturangaben).
  • Inge Demant Mortensen: Nomads of Luristan. History, Material Culture, and Pastoralism in Western Iran (= The Carlsberg Foundation's Nomad Research Project.). Thames and Hudson, London u. a. 1993, ISBN 0-500-01572-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Luren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. David J. Phillips: Peoples on the Move: Introducing the Nomads of the World. Pasadena 2001, S. 273ff.
  2. Richard Tapper: Tribe and State in Iran and Afghanistan. New York 1983.
  3. April Fast: Iran.The Land. New York 2005. S. 19ff.
  4. René Peyrous: Retour d'Ulysse de Troie vers Ithaque. S. 116ff.
  5. John Limbert: The origins and appearance of the Kurds in pre‐Islamic Iran. In: Iranian Studies. Bd. 1, Heft 2, 1968, S. 41–51, hier S. 47, doi:10.1080/00210866808701350.
  6. Iran. (Memento des Originals vom 3. Februar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov The CIA World Factbook, 22. Juni 2014 (6 % von 80.840.713 Einwohnern)
  7. Erika Bleibtreu: Iran von prähistorischer Zeit bis zu den Medern. Kurzer Einblick in sechs Jahrtausende iranischer Kulturgeschichte. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8, S. 40–53, hier: S. 44.
  8. Usa Ipb: Iran. Country Study Guide. Int'l Business Publications, 2005. S. 150ff.
  9. Kamal Fuad: Kurdische Handschriften. Wiesbaden 1970, Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland Nr.30, in: Günter Max Behrendt, Nationalismus in Kurdistan: Vorgeschichte, Entstehung und erste Manifestationen, Hamburg 1993, ISBN 3-89173-029-2, S. 34, online
  10. Ariana Wolff (Hrsg.): Bands, Tribes, and First Peoples and Nations. Encyclopaedia Britannica, 2014
  11. Kaveh Farrokh: Iran at war. 1500-1988. Osprey Publishing, 2011
  12. Glenn E. Curtis, Eric Hooglund: Iran: A Country Study. A Country Study. Area Handbook Series. 5th Edition, Washington 2008.
  13. Lurs and Bakhtiaris. In: A Country Study: Iran. Library of Congress Country Studies, 2008
  14. Ariana Wolff (Hrsg.): Bands, Tribes, and First Peoples and Nations. Encyclopaedia Britannica, 2014
  15. Brian Murphy: The Root of Wild Madder: Chasing the History, Mystery, and Lore of the Persian Carpet. New York 2005.
  16. C. S. Coon: Iran: Demography and Ethnography. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band 4, S. 9
  17. a b c d Colin MacKinnon and Erik J. Anonby, “LORI LANGUAGE”, in: Encyclopaedia Iranica Online, doi:10.1163/2330-4804_EIRO_COM_11195
  18. Najm S. Mehdi, al-Fayli, Stockholm 2001.
  19. Faylee Archive - الارشيف الفيلي.
  20. J. Black-Michaud: An Ethnographic and Ecological Survey of Luristan, Western Persia. Modernization in a Nomadic Pastoral Society. In: Middle Eastern Studies. Band 10, 1974, Nr.2, S. 210–228. (Digitalisat).
  21. J. A. Shoup: Ethnic Groups of Africa and the Middle East. An Encyclopedia. ABC-CLIO, 2011 S. 177.
  22. Bakhtiâri.
  23. A. A. Kerimova, “Lurskie i Bakhtiyarskie Dialekty,” inOsnovy III, 1982, pp. 287-315.
  24. William J. Frawley: International Encyclopedia of Linguistics. 4 Bände, hier: Band 1. Oxford University Press, 2003, ISBN 978-0-19-513977-8, S. 310.
  25. Albrecht Klose: Sprachen der Welt. De Gruyter, 2001, ISBN 978-3-598-11404-5, s. 227.
  26. B. Grimes (Hrsg.): Luri. In: Ethnologue. 13. Auflage. Dallas 1996, S. 677; M. Ruhlen: A Guide to the World’s Languages. Stanford 1991, S. 327.
  27. V. Grugni, V. Battaglia, B. Hooshiar Kashani, S. Parolo, N. Al-Zahery, A. Achilli, A. Olivieri, F. Gandini, M. Houshmand, M. H. Sanati, A. Torroni, O. Semino: Ancient migratory events in the Middle East: new clues from the Y-chromosome variation of modern Iranians. In: PloS one. Band 7, Nummer 7, 2012, ISSN 1932-6203, S. e41252, doi:10.1371/journal.pone.0041252. PMID 22815981, PMC 3399854 (freier Volltext).
  28. Semino, Ornella; Magri, Chiara; Benuzzi, Giorgia; Lin, Alice A.; Al-Zahery, Nadia; Battaglia, Vincenza; MacCioni, Liliana; Triantaphyllidis, Costas et al. (2004). "Origin, Diffusion, and Differentiation of Y-Chromosome Haplogroups E and J: Inferences on the Neolithization of Europe and Later Migratory Events in the Mediterranean Area". The American Journal of Human Genetics 74 (5): 1023–34. doi:10.1086/386295. PMC 1181965 (freier Volltext). PMID 15069642.