Mandan (Volk)

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Ehemaliges Stammesgebiet der Mandan und heutige Reservation in North Dakota

Die Mandan (zu Deutsch antiquiert auch: Mandanen[1]; Eigenbezeichnung: Numahkahke[2]) sind ein kleines, ursprünglich halbnomadisches Indianervolk Nordamerikas aus der Sioux-Sprachfamilie, das um das Jahr 1800 am Missouri und an seinen beiden Nebenflüssen Heart River und Knife River lebte. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die Mandan aus dem Tal des Ohio River kamen, bevor sie an die Ufer des Missouri zogen. 1838 fiel ein Großteil einer Pockenepidemie zum Opfer. Im Zuge des Indian Reorganization Act im Jahr 1934 verbanden sich die Mandan offiziell mit den Arikara und Hidatsa und bildeten die Three Affiliated Tribes („Drei verbundene Stämme“). Die Hälfte aller Nachkommen dieser drei Stämme lebt heute gemeinsam in der Fort Berthold Reservation in North Dakota, während der Rest in den USA und Kanada verstreut ist. Einige ältere Mandan sprechen noch die traditionelle Stammessprache.

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zu vielen anderen Prärie-Stämmen lebten die Mandan in festen Dörfern. Im 19. Jahrhundert wohnten die Mandan in kuppelförmigen, erdbedeckten Häusern in palisadenbewehrten Dörfern. Mandan-Dörfer bestanden aus zwölf bis 100 Häusern. Sie bauten Mais, Bohnen, Kürbis und Sonnenblumen an, jagten den Bison und fertigten Keramik und Körbe. Mandan-Künstler bemalten Büffel-Roben und stellten heroische Taten des Stammes und einzelner Krieger dar. Geflochtene Boote dienten dem Wassertransport. Die Mandan sind matrilinear und verwenden das Crowsystem, um Verwandtschaftgrade zu beschreiben[3]. In der sozialen Organisation bestanden Kriegergesellschaften mit Altersklassen, deren Mitgliedschaft durch Kauf erworben wurde. Es gab mehrere Häuptlinge in jeder Gruppe. Außerdem hatten die Mandan Sozial-, Schamanen- und Frauen-Gesellschaften.

Die Mandanen führten aufwändige Zeremonien durch, darunter den Sonnentanz und das Okipa (ö-kee-pa), ein vier Tage dauerndes Fest mit einer langen Vorbereitungszeit. Dabei fanden Tänze statt, mit denen die Wassergeister versöhnt werden sollten und solche zu Ehren des Bison. Das Fest endete mit Opferzeremonien, bei denen junge Männer in schweren Prüfungen und Folterritualen ihr eigenes Fleisch opferten. Zum Schluss wurden ihnen Riemen, an denen Bisonschädel hingen, aus den Beinen gerissen. Die jungen Männer, die die Schmerzen am besten ertragen konnten, wurden die zukünftigen Stammesführer.[4] Daneben gab es viele andere, von kleineren Gruppen veranstaltete Zeremonien. Die Bären-Zeremonie war zum Beispiel mit der Heilung von Krankheiten und der Stärkung der Kampfkraft verbunden.

Nachbau eines Erdhauses der Mandan
Das Hausinnere eines Mandan-Häuptlings (Karl Bodmer)
Mato Tope, Häuptling der Mandan
Mandan in Bullboats
Sha-kó-ka (Minze), eine Mandan-Frau

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mandanen werden dem Prairie Earth Lodge Complex zugeordnet. Zu diesem gehören auch die Chiwere, Dhegiha Sioux und die Träger der Caddo-Sprachen. Er war in den Tälern des Arkansas und Missouri verbreitet[5]. Linguistische Studien zeigen, dass die Sprache mit dem Idiom der Winnebago eng verwandt ist. Nach ihrer Ankunft am Heart River zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert, errichteten sie neun Dörfer, zwei östlich und sieben westlich des Flusses. Zur gleichen Zeit erreichten auch die damals nomadischen Hidatsa diese Region. Sie übernahmen die Lebensweise der Mandan mit festen Dörfern und Ackerbau und siedelten in der Folge nördlich von ihnen am Knife River.

Die erste Begegnung mit Europäern erfolgte im Jahr 1738, als Louis-Joseph Gaultier de La Vérendrye mit 25 Begleitern die Mandan besuchte. Er schätzte die Mandan-Bevölkerung auf etwa 15.000 Menschen, die in neun Dörfern am Heart River lebten. Zwei Mitglieder der Expedition blieben neun Monate bei den Mandanen, um ihre Sprache zu erlernen. Vier Jahre später (1742) besuchten die Söhne La Verendrys die Mandanen auf dem Rückweg nach Osten noch einmal[6]. In der Mitte des 18. Jahrhunderts erwarben die Mandan ihre ersten Pferde, die sie für Transporte und die Jagd benutzten. Nach der Begegnung mit den Franzosen vermittelten die Mandanen den Tausch von Fellen, Getreide und Büffelfleisch gegen Gewehre und Pferde. Cree und Assiniboine berichteten dem französischen Reisenden Louis-Joseph Gaultier de La Vérendrye in den 1720er Jahren, dass die Mandanen Europäern ähnelten. Als er sie persönlich kennenlernte, fand er sie jedoch durchaus den Assiniboin ähnlich, außer, dass sie bis auf einen Lendenschurz aus Büffelhaut nackt waren[7]. John Evans (1796) und George Rogers Clark besuchten dem Stamm. William MacKintosh suchte ihn 1773 auf. Ab 1765 lebte der Franzose Menard ca. 30 Jahre bei dem Stamm und heiratete dort ein[7]. Im Jahr 1793 wurde Fort Mandan errichtet, um den Pelzhandel zu befördern[8]. Lewis und Clark verbrachten den Winter 1804/1805 bei den Mandanen und besuchten sie erneut auf der Rückreise ein Jahr später. Lewis überredete den Häuptling des unteren Dorfes, Schahaka, dazu, sie nach Washington zu begleiten[9].

Im Jahr 1750 gab es neun große Mandan-Dörfer, doch mehrere Pocken- und Cholera-Epidemien reduzierten sie um das Jahr 1800 auf zwei. Eine erneute Pockenepidemie 1837 überlebten nur 100 bis 150 Mandan. Einige davon gingen 1845 zu den Hidatsa nach Fort Berthold in North Dakota, und die meisten anderen folgten später. Die „Fort Berthold Reservation of the Mandan Hidatsa and Arikara Nation“, auch als die „Three Affiliated Tribes“ bekannt, wurde der Wohnsitz der meisten Mandanen. Durch den Garrison Damm in der Reservation 1952 wurden viele Mandanen erneut aus ihren Heimen vertrieben. Die Fläche der Reservation verringerte sich seit 1851 von 10.120 km2 auf 1.850 km2[10]. Die Volkszählung von 2000 ergab 369 Stammesangehörige für die Mandan. Die Sprache ist vom Aussterben bedroht. Dies hat auch Auswirkungen auf ihr Sozialsystem[11].

Mandan-Dörfer im 18. und 19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 18. Jahrhundert gab es zehn Mandan-Dörfer.[12][13] Sie hießen:

  • Square Butte Creek (am Westufer des Missouri)[13]
  • Otter Creek (am Westufer des Missouri)[13]
  • Boley (am Westufer des Missouri)[13]
  • Scattered[13], „Die Verstreuten“ (am Nordufer des Ną́tka Pasą́h, Heart River); hießen so, weil sie sich von einem anderen Dorf abgespalten hatten[14]
  • Motsiff (am Südufer des Heart River)[13]
  • On-A-Slant (am Westufer des Missouri)
  • Larson (am Ostufer des Missouri)[13]
  • Double Ditch, „Doppelter Graben“ (am Ostufer des Missouri)[13]
  • Sperry (am Ostufer des Missouri)[13]
  • Ward, „Abteilung“ oder „Bezirk“ (am Ostufer des Missouri)[13]

Nach einer Pockenepidemie in den Jahren 1789 und 1790 gab es nur noch zwei Dörfer[12]:

  • Mitutanka (auch Matootonah oder Mih-Tutta-Hang-Kush, „Das erste Dorf“ oder „Das südliche Dorf“[14]; am Westufer des Missouri); 1822 von Súk Shí (Good Boy), Mató-Tópes Vater gegründet[15]
  • Ruptare, „Die sich Umwendenden“ (am Ostufer des Missouri)[14]

„Blonde Mandanen“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da einige Angehörige der Mandan helle Haare und blaue Augen hatten, entstanden im 18. und 19. Jahrhundert Theorien einer europäischen Abstammung. Der amerikanische Maler George Catlin besuchte die Mandan im Sommer 1832 und lebte einige Wochen[16] bei ihnen, um Zeichnungen und Skizzen anzufertigen[17], die zum Teil blonde bzw. grauhaarige Personen zeigen. Catlin war überzeugt, dass die Mandan nicht dieselbe Abstammung hatten wie andere Indianerstämme[18]. Er nahm an, dass sie von angeblichen walisischen Siedlern um den Prinzen Madoc des 12. Jahrhunderts abstammten. Als Belege führt er an: 1. helle Hautfarbe, 2. Haarfarbe, 3. kleiner als die Nachbarstämme – wie die Waliser, 4. ein Dutzend walisischer Wörter in ihrer Sprache[19]. Er sprach kein Mandan, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Catlin walisisch beherrschte. Auch die eigentümlichen Boote (coracles), die sich in ihrer Bauweise von denen anderer Indianerstämme grundlegend unterscheiden, werden manchmal als Beleg für eine walisische Herkunft angesehen.

Eine andere These bringt sie mit einer angeblichen Fahrt des Norwegers Paul Knudson um 1360 nach Nordamerika in Verbindung.

In ihren Mythen beschreiben die Mandan einen „weißen Mann“ als Urvater.[20]

Wissenschaftliche Belege für diese Thesen gibt es nicht. Eine anthropometrische Untersuchung von Mandanen und Assiniboin wurde 1893 auf der Worlds Columbian Exposition in Chicago durchgeführt, Franz Boas betrachtete die Ergebnisse aber als unzuverlässig[21].

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mandan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. John Tanner: "Des Kentuckier's John Tanner Denkwürdigkeiten über seinen dreißigjährigen Aufenthalt unter den Indianern Nord-Amerika's", Leipzig (Verlag von Wilhelm Engelmann), 1840, S. 147
  2. Birgit P. Linnertz: "Risaru: die politische Organisation der Prärie-Indianer", Verlag für Amerikanistik, 2006, S. 34
  3. Edward M. Bruner, Two Processes of Change in Mandan-Hidatsa Kinship Terminology. American Anthropologist NS 57/4, 1955, 840-850. JSTOR:665324
  4. George Catlin/Benjamin Capps: Die Indianer. Time-Life, S. 146.
  5. Edward M. Bruner, Two Processes of Change in Mandan-Hidatsa Kinship Terminology. American Anthropologist NS 57/4, 1955, 840. JSTOR:665324
  6. Marshall T. Newman, The Blond Mandan: A critical Review of an old Problem. Southwestern Journal of Anthropology 6/2, 1950, 258. JSTOR:3628461
  7. a b Marshall T. Newman, The Blond Mandan: A Critical Review of an Old Problem. Southwestern Journal of Anthropology 6/2, 1950, 256. JSTOR:3628461
  8. Marshall T. Newman, The blond Mandan: A critical Review of an old Problem. Southwestern Journal of Anthropology 6/2, 1950, 255
  9. William E. Foley Charles David Rice, The Return of the Mandan Chief. Montana, The Magazine of Western History 29/3, 1979, 2-15. JSTOR:4518396
  10. Jennifer Shannon, My Cry Gets Up to My Throat. Dysplacement, Indigenous Storywork, and Visual Sovereignty in the Mandan Hidatsa Arikara Nation. Collaborative Anthropologies 14/1, 2021, 50
  11. Edward M. Bruner, Two Processes of Change in Mandan-Hidatsa Kinship Terminology. American Anthropologist NS 57/4, 1955, 840-850. JSTOR:665324
  12. a b Mandan | History, Traditions, & Facts | Britannica. In: Britannica. Abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  13. a b c d e f g h i j Mystic Warriors: Men's role in Mandan society. In: Youtube. Abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  14. a b c George Catlin: Die Indianer Nordamerikas und die während eines achtjährigen Aufenthaltes unter den wildesten Stämmen erlebten Abenteuer und Schicksale, Band 1. Kiepenheuer, Leipzig / Weimar 1979.
  15. Orin G. Libby: Bad Gun (Rushing-After-The-Eagle). In: Collections of the State Historical Society of North Dakota. Vol. 2, 1908, S. 465–470.
  16. "almost a month", William H. Truettner, Plains Geometry: Surveying the Path from Savagery to Civilization. Winterthur Portfolio 38/4, 2003, 202. https://doi.org/10.1086/426757
  17. Kathryn S. Hight, "Doomed to Perish": George Catlin's Depictions of the Mandan. Art Journal 49/2 (Depictions of the Dispossessed), 1990, 120. JSTOR:777191
  18. I am fully convinced that they have sprung from some other origin than that of the other North American Tribes, or that they are an amalgamation of natives with some civilised race. (zitiert nach John Koster), Catlin was not the First but perhaps the last to believe the Mandans were Welsh Indians. Wild West 24/5, 2012, 22
  19. John Koster, Catlin was not the first but perhaps the last to believe the Mandans were Welsh Indians. Wild West 24/5, 2012, 22
  20. Manfred Reitz: Kleine Kulturgeschichte der Haut – Weiße Indianer in Nordamerika (Memento des Originals vom 1. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thieme-connect.de. In: Aktuelle Dermatologie 32, 2006, S. 334–338 (pdf; 847 kB).
  21. Marshall T. Newman, The Blond Mandan: A critical Review of an old Problem. Southwestern Journal of Anthropology 6/2, 1950, 255. JSTOR:3628461
  22. Kash, Steve, Regina Schanandore keeps alive the Mandan heritage [On-A-Slant Village, Fort Lincoln, North Dakota], Guide to Indian country: a special aboriginal tourism supplement, Aboriginal Multi-Media Society of Alberta 2017