Marcel Broodthaers

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Marcel Broodthaers (* 28. Januar 1924 in Saint-Gilles/Sint-Gillis, Brüssel; † 28. Januar 1976 in Köln) war ein belgischer Künstler.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Broodthaers lernte nach eigener Aussage als junger Autor und Poet Ende des Zweiten Weltkriegs René Magritte kennen und fand Anschluss an die Gruppe der belgischen Surrealisten (Groupe Surréaliste révolutionaire). 1945 trat Broodthaers mit ersten Gedichten an die Öffentlichkeit, die in der Tradition von Symbolismus und Surrealismus standen. 1947 unterzeichnete er das von Surrealisten verfasste Manifest „Pas de quartiers dans la révolution“; 1949–51 beteiligt er sich an dem Kunstprojekt Vendredi: une correspondance surréaliste. 1957 erschien ein Gedichtband. Im selben Jahr entstand sein erster Film, „La Clef de l’Horloge – Un poème cinématographique en l’honneur de Kurt Schwitters“. Broodthaers arbeitete bis in die frühen 1960er Jahre als Autor von Gedichten und Essays u. a. in Paris, die von den ästhetischen Positionen Rimbauds und Mallarmés kommend diese aktualisieren und weiterdenken. Parallel findet er Kontakt zu Vertretern des „Nouveau Réalisme“, geht allerdings auch diesen gegenüber eigene Wege.

1964 entschied er sich, Künstler zu sein und machte seine erste Ausstellung mit Objekten aus Muscheln und Eierschalen. Berühmt ist seine Geste, Bände seines Gedichtbandes „Pense Bête“ 1964 in eine Skulptur zu verwandeln, indem er sie mit Gips umhüllte und derart unlesbar machte. Für Marcel Broodthaers waren unter anderem auch der Museumsbetrieb, der Kunstmarkt und zeitgenössische Kunsttheorien Gegenstand seiner künstlerischen Arbeit. Gleichzeitig hinterfragte er in Weiterentwicklung der Arbeit seines Landsmannes René Magritte die Widersprüche zwischen Wort und Bild, überschritt aber früh die Grenzen der Malerei, indem er Installationen, Skulpturen, Künstlerbücher, Fotografien und Filme schuf. In Ausarbeitung seiner Infragestellung der gesellschaftlichen Rolle des Museums gründete er 1968 in seiner Brüsseler Wohnung ein „Museum für Moderne Kunst“ und widmete diesem in Form verschiedener Museumssektionen eine Reihe großer Installationen. Derart schuf er vielfältige sowohl kritisch reflektierte als auch poetisch komplexe Werke. So findet zum Beispiel Magrittes berühmtes Bild „Dies ist keine Pfeife“ („Ceci n’est pas une pipe“) eine institutionskritische Umkehrung in dem humorvollen Diktum „Dies ist kein Kunstwerk“ (1972), das in einer seiner Installationen jedes einzelne Objekt bezeichnet. Broodthaers’ Werk gilt in vieler Hinsicht als wegweisend für die Entwicklung der Bildenden Kunst in den 1980er und 1990er Jahren. Er hat Maßstäbe gesetzt für eine Kunst, die ihre institutionellen und ökonomischen Bezüge reflektiert und den Anspruch souveräner Eigenständigkeit von Kunst hinterfragt und immer wieder neu definiert. Marcel Broodthaers: „Il resterait alors à savoir si l’art existe ailleurs que sur un plan négatif.“ („Es bleibt noch zu wissen, ob Kunst anders als negativ existiert.“)

Marcel Broodthaers ließ sich 1970 in Düsseldorf nieder, zog nach London und nach einem DAAD-Aufenthalt in Berlin schließlich nach Köln, wo er 1976 verstarb.

Broodthaers Grab auf dem Friedhof Ixelles, Brüssel

Das Fridericianum widmete ihm zum 60. Geburtstag der documenta im Jahre 2015 eine Retrospektive.[1]

Fondation Marcel Broodthaers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2015 wurde in Elsene unter der Leitung seiner Witwe Maria Gilissen-Broodthaers die Fondation Marcel Broodthaers eröffnet.[2]

1975 legte Broodthaers testamentarisch fest:

« Ma femme, née Maria Gilissen, est seule habilitée pour s’occuper des séquelles de mon activité artistique – voire à en refaire un tout avec l’aide d’amateurs éclairés. Elle est seule habilitée pour déclarer que telle œuvre est vraie ou fausse. En pleine conscience de mes moyens, Berlin le 22 janvier 1975. Marcel Broodthaers »

„Meine Frau, geborene Maria Gilissen, ist die einzige, die sich um die Hinterlassenschaften meiner künstlerischen Tätigkeit kümmern kann - oder sogar mit Hilfe von aufgeklärten Amateuren ein neues Werk schaffen kann. Sie allein ist befugt, zu erklären, dass ein bestimmtes Werk echt oder falsch ist. Bei vollem Bewusstsein meiner Mittel, Berlin, 22. Januar 1975. Marcel Broodthaers“[3]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1957: La Clef de l’Horloge – Un poème cinématographique en l'honneur de Kurt Schwitters, Film
  • 1968 bis 1972: Musée d’Art Moderne, Département des Aigles

Publikationen/Künstlerbücher (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1957 Mon Livre d’Orgre
  • 1961 La bête noire
  • 1960 Minuit: poème
  • 1964 Pense-Bête
  • 1966 Moules oeufs frites pots charbon perroquets
  • 1967 Le Courbeau et le Renard.
  • 1967–1973 Amuser ou Le plus beau tableau du monde.[4]
  • 1969 Vingt ans après
  • 1969 Un coup de dés jamais n’abolira le hasard
  • 1972 Plan vert. La porte est ouverte
  • 1972 MTL 18/5/72 – 17/6/72 (Tractatus logico-catalogicus ou l’art de vendre)
  • 1973 Jeter du Poisson sur le Marché de Cologne
  • 1973 Charles Baudelaire. Je hais le mouvement qui déplace les lignes
  • 1974 C'était comme une semaine de bonté
  • 1974 Magie: art et politique
  • 1974 A Voyage on the North Sea
  • 1975 En lisant la Lorelei
  • 1975 La conquête de l’espace. Atlas à l’usages des artistes et des militaires

Ausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausstellungen postum (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Benjamin Buchloh (Hrsg.): Marcel Broodthaers. Writings, Interviews, Photographs. Cambridge, Massachusetts, London 1988.
  • Rainer Borgemeister: Marcel Broodthaers traversant. Versuch einer Werkmonographie. Bochum 1996.
  • Wilfried Dickhoff (Hrsg.): Marcel Broodthaers. Interviews & Dialoge 1946–1976. Köln 1994.
  • Wilfried Dickhoff (Hrsg.): Marcel Broodthaers. In: Tinaia Box. Nr. 9, Köln 1994.
  • Sabine Folie, Gabriele Mackert (Hrsg.): Marcel Broodthaers. Po(li)etique. Kunsthalle Wien (Kat.) 2003.
  • Anna Hakkens (Hrsg.): Marcel Broodthaers par lui-même. Gent 1999.
  • Rosalind Krauss: A Voyage on the North Sea. diaphanes, Zürich / Berlin 2008, ISBN 978-3-03734-003-5.
  • Susanne König: Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne. Département des Aigles, Berlin 2012.
  • Gloria Moure (Hrsg.): Marcel Broodthaers. Collected Writings. Ediciones Poligrafa, Barcelona 2012.
  • Dorothea Zwirner: Marcel Broodthaers. Köln 1997.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Belege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marcel Broodthaers: Die verborgene Kluft zwischen Kunst und Bedeutung, Rezension im Deutschlandradio Kultur vom 17. Juli 2015 zur Ausstellung vom 17. Juli bis 11. Oktober 2015 im Fridericianum
  2. Fondation Marcel Broodthaers. In: b2bhint.com. Abgerufen am 18. Juli 2022.
  3. Missions de la Fondation. In: Fondation de Marcel Broodthaers
  4. So hässlich wie möglich. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 30. August 2016, S. 12.