Marianne Schroeder

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Marianne Schroeder

Marianne Schroeder (* 6. April 1945 in Reiden) ist eine Schweizer Pianistin und Komponistin. Sie ist eine der führenden Interpretinnen Neuer Musik.[1] Die Pianistin gilt als Scelsi-Spezialistin.[2][3] Sie ist Mitglied der Komponistengruppe Groupe Lacroix und hat über 30 Tonträger veröffentlicht.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marianne Schroeder wuchs mit ihren zwei Brüdern auf dem elterlichen Bauernhof in der Gemeinde Reiden auf.[4][5] Sie erhielt mit sieben Jahren ihren ersten Klavierunterricht.[4] Schroeder brach ihre Schulausbildung ab, um Klavier bei Klaus Linder an der Basler Musikakademie und später bei Eliza Hansen an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Hamburg zu studieren.[6][4] Ausserdem erhielt sie Kompositionsunterricht bei Hans Wüthrich.[7] Darüber hinaus besuchte sie Meisterkurse in Komposition bei Mauricio Kagel und Klaus Huber[7] sowie bei Earl Brown, Dieter Schnebel und Vinko Globokar.[1] Nach ihrem Klavierdiplom nahm sie zusätzlich ein Studium bei Giacinto Scelsi in Rom auf.[8] Mit John Cage verband sie eine lange Zusammenarbeit, u. a. während diverser Cage-Festspiele in Europa.[8]

Als Solistin und Kammermusikerin trat sie u. a. bei pro musica nova in Bremen, beim Lucerne Festival,[5] bei den Weltmusiktagen der IGNM in Athen, bei den Donaueschinger Musiktagen,[8] bei den Berliner Festspielen, bei Wien Modern, beim Musiksommer Zagreb und bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik auf.[6] Sie spielte unter Dirigenten wie Paul Sacher, Francis Travis, Erich Schmid und Luciano Berio.[6] Ur- und Erstaufführungen von Pauline Oliveros, Walter Zimmermann, Morton Feldman, John Cage, Dieter Schnebel, William Duckworth, Karlheinz Stockhausen, Erhard Grosskopf und Maurizio Pisati[9] führten sie durch Europa (u. a. Théâtre des Champs-Élysées in Paris), in die Sowjetunion und in die Vereinigten Staaten (u. a. Carnegie Hall und Roulette in New York[4][10] und Arnold Schoenberg Institute in Los Angeles).[6][1][11] Weiterhin arbeitete sie u. a. mit den Musikern Chris Newman, Anthony Braxton, Frances-Marie Uitti, Rohan de Saram,[12] Robyn Schulkowsky, Abbie Conant und Paul Zukofsky zusammen.[11][1][13] Mehr als 30 Tonträger,[7] u. a. mit Ersteinspielungen von Stockhausen, Braxton, Feldman und Scelsi, entstanden.[6][1] Die Klaviersonaten von Galina Ustvolskaya wurden von ihr bei HatHut Records gesamteingespielt.[14]

In den Jahren 1986 und 1988 war sie Dozentin bei den Darmstädter Ferienkursen.[6] Ausserdem lehrte sie 1987 und 1989 Klavier bei der Frühjahrstagung für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt und war 1988 Artist in Residence an der Brunel University in Lewisburg, Pennsylvania.[11] In Basel unterrichtete sie an der Musikakademie.[1] Seit 1994 ist sie Mitglied der Komponistengruppe Groupe Lacroix.[15] Ihre Werke wurden u. a. in Russland, Europa und Kuba aufgeführt.[13] Derzeit arbeitet sie als Improvisationskünstlerin und ist Gründerin und Leiterin der Probebühne für Hören und Sehen in Basel.[8] Schroeder war seit 2001 mit dem Schriftsteller Jürg Laederach († 2018) verheiratet, mit dem sie in Basel und Soglio GR[8] wohnte.[16][17]

Musikstil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marianne Schroeder erhielt zunächst eine klassische Klavierausbildung. Über das Repertoire Anton Weberns fand sie Zugang zur zeitgenössischen Musik. 1983 gab sie das letzte Mal ein Beethoven-Konzert. Zu ihren musikalischen Ziehvätern wurden John Cage, Giacinto Scelsi und Morton Feldman.[4] Sie begann auf ihrem Konzertflügel frei zu improvisieren und adaptierte die von Cage eingeführte Technik Präpariertes Klavier. Der Musikwissenschaftler Peter Niklas Wilson formulierte: „Unverkennbar ist ihr Faible für die amerikanische Avantgarde [...] unüberhörbar ihre Empathie für eine Neue Musik, die nicht Brillanz und Hyperkomplexität fetischisiert, sondern den Klängen Zeit gibt.“[1]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diskografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie besteht aus über 30 Alben, darunter Ersteinspielungen der Klavierwerke von Karlheinz Stockhausen, Anthony Braxton, Morton Feldman und Giacinto Scelsi.[18][19] Außerdem spielte sie die gesamten Klaviersonaten von Galina Ustvolskaya ein.[20] Sie veröffentlichte mehrheitlich bei HatHut Records und Creative Works Records.

Alben

  • 19??: Hommages (Werke von Ravel, Malipiero, Enescu, Vogel, Ciurlionis, Wehrli u. a.) (VDE-Gallo)
  • 1984: Anthony Braxton/Karlheinz Stockhausen: Braxton & Stockhausen (hat ART) mit Garrett List und Anthony Braxton (nur auf Braxtons Composition No. 107; die Klavierstücke VI bis VIII von Stockhausen sind Solointerpretationen)
  • 1988: Giacinto Scelsi: Suiten No. 9 und 10 für Klavier (hat ART)
  • 1989: Anthony Braxton: Compositions 99, 101, 107 & 139 (hat ART) mit Anthony Braxton
  • 1990: Morton Feldman: Piano (Klavierwerke aus den Jahren 1952 bis 1986) (hat ART)
  • 1990: Morton Feldman: For John Cage (CP2 records) mit Paul Zukofsky
  • 1990: Giacinto Scelsi: Ka & Ttai (hat ART)
  • 1990: Pauline Oliveros [u. a.] Wittener Tage für Neue Kammermusik (Kommunalverband Ruhrgebiet) mit Robyn Schulkowsky
  • 1991: John Cage: Music for Five (hat ART) mit Eberhard Blum, Frances-Marie Uitti, Robyn Schulkowsky und Nils Vigeland
  • 1992: Lasciando (Jecklin)
  • 1992: Giacinto Scelsi: Bot-Ba (hat ART)
  • 1992: John Cage: The Barton Workshop Plays John Cage (Etcetera Records) mit Krijn Van Arnhem, John Anderson, Jos Tieman, Anne La Berge, Jos Zwaanenburg, Tim Dowling und Robyn Schulkowsky
  • 1993: Galina Ustvolskaya: 2 (hat ART) mit Rohan de Saram, Felix Renggli und David LeClair
  • 1995: Galina Ustvolskaya: Piano Sonatas 1–6 (hat ART)
  • 1995: Morton Feldman: Works for Piano (HatHut Records)
  • 1995: Morton Feldman: Patterns in a Chromatic Field (HatHut Records) mit Rohan de Saram
  • 1996: Ernstalbrecht Stiebler: Three in One (hat ART) mit Frances-Marie Uitti und Robyn Schulkowsky (nur bei Trio ’89)
  • 1997: Groupe Lacroix: The Composer Group (Creative Works Records) mit dem Moscow Rachmaninov Trio
  • 1998: John Wolf Brennan: The Well-Prepared Clavier / Das Wohl-Präparierte Klavier (Creative Works Records) mit John Wolf Brennan
  • 1998: Dieter Schnebel [u. a.]: 25 Years Experimental Studio Freiburg (Collegno)
  • 1998: Ernstalbrecht Stiebler: ...im Klang... (hat[now]ART) nur bei Klavierstück '87; die beiden anderen Kompositionen werden von Teodoro Anzellotti bzw. Huub Ten Hacken interpretiert.
  • 2000: Erhard Grosskopf: Sound Pool – Adagio (Academy) mit Insel Musik Ensemble und Peter Ablinger
  • 2002: Friedhelm Döhl: Musik für offenen Flügel (DreyerGaido) mit Janos Döhl
  • 2003: Groupe Lacroix: 8 Pieces on Paul Klee (Creative Works Records) mit dem Ensemble Sortisatio
  • 2004: Dieter Schnebel [u. a.]: Musik in Deutschland 1950–2000 (BMG)
  • 2010: Superterz: Insomnia (Unit Records)
  • 2012: Ernstalbrecht Stiebler: Ernstalbrecht Stiebler (Minimal) mit Frances-Marie Uitti und Robyn Schulkowsky, nur bei Trio ’89
  • 2021: Maryanne Amacher: Petra (BlankForm Editions) mit Stefan Tcherepnin

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nach oben. In: MusikTexte 26 (1988), S. 27–28.
  • Ein deutscher Cage? In: Werner Grünzweig (Hrsg.): Schnebel 60. Wolke, Hofheim 1990, ISBN 3-923997-36-1, S. 65–67.
  • Sterndeuter. In: MusikTexte 46/47 (1992), S. 117.
  • Die Etudes Australes von John Cage. In: Positionen 17/1993, 13–15.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Niklas Wilson: Feldman vor dem Frühstück, Scelsi zur Nacht. Die Basler Avantgarde-Pianistin Marianne Schroeder. In: Neue Zeitschrift für Musik 12/1990, S. 24–26.
  • Hanno Ehrler: Mystische Erfahrungen. Portrait der Pianistin Marianne Schroeder. Deutschlandfunk, 15. November 1995. (Digitalisiert; PDF; 36 kB)
  • Hanno Ehrler: Da geschah es... Die Schweizer Pianistin und Komponistin Marianne Schroeder. Bayern 2, 16. August 1996. (Digitalisiert; PDF; 44 kB)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g NZfM 12/1990, S. 24.
  2. Neben dem Pianisten Jürg Wyttenbach.
  3. Titel: Klavier-Innereien. In: Basler Zeitung, 22. März 2003.
  4. a b c d e Mark Wyss: Von einer Pianistin und einer klugen Putzfrau. Reiden Marianne Schroeder ist eine der gefragtesten Interpretinnen „neuer“ Klavier- und Kammermusik. In: Zofinger Tagblatt, 7. März 2012.
  5. a b Zur Person: Marianne Schroeder. In: Zofinger Tagblatt, 7. März 2012.
  6. a b c d e f g h Marianne Schroeder, in: Internationale Ferienkurse für Neue Musik, hrsg. vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt, Darmstadt 1982.
  7. a b c Stephen W. Ellis: Booklet-Text, CD 8 Pieces on Paul Klee, 2003, CW 1035, S. 31.
  8. a b c d e Marianne Schroeder (Memento vom 19. Februar 2013 im Webarchiv archive.today). Website des Vereins les muséiques Basel. Abgerufen am 8. Januar 2013.
  9. Interview mit Hanno Ehrler, 1995.
  10. Allan Kozinn: Recital: Marianne Schroeder, Pianist. In: The New York Times. 1. März 1988.
  11. a b c Marianne Schroeder. In: Ulrich Bischoff (Hrsg.): John Cage. Kunst als Grenzbeschreitung, John Cage und die Moderne. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München 1991, S. 255.
  12. Von Strauss bis Stockhausen. Rohan de Saram und Marianne Schroeder im Duo. In: Basler Zeitung, 13. November 2008, S. 17.
  13. a b Booklet-Text, CD The Composer Group, 1997, CW 1030, S. 20.
  14. Gesamteinspielung von Galina Ustwolskajas Klaviersonaten bei Hat Hut Records. Website von Sikorski, 9. Januar 2013.
  15. Groupe Lacroix im Music Information Center Austria
  16. Peter Bum: Einer von uns ist ein Idiot – alles klar? Zu Besuch beim bekannten Basler Schriftsteller Jürg Laederach. In: Basler Zeitung, 11. Oktober 2011, S. 2.
  17. Titel: Traderaklatsch – allerlei Geburtstage, Ferienanfang und Gartenfeste. In: Basler Zeitung, 3. Juli 2001.
  18. Marianne Schroeder, in: Internationale Ferienkurse für Neue Musik, hrsg. vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt, Darmstadt 1982.
  19. Peter Niklas Wilson: Feldman vor dem Frühstück, Scelsi zur Nacht. Die Basler Avantgarde-Pianistin Marianne Schroeder. In: Neue Zeitschrift für Musik 12 (1990), S. 24.
  20. Gesamteinspielung von Galina Ustwolskajas Klaviersonaten bei HatHut Records. Website von Sikorski, 9. Januar 2013.