Methylendiphenylisocyanate

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Methylendi(phenylisocyanat)e (MDI) sind chemische Verbindungen aus der Gruppe der aromatischen Isocyanate. Im Normalfall stellen Methylendi(phenylisocyanat)e ein Gemisch mehrerer Konstitutionsisomere dar, die sich in der Position der Isocyanatgruppen unterscheiden. Es liegt in Form eines farblosen bis gelblichen, brennbaren Pulvers oder Flocken mit stechendem Geruch vor.

Vertreter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diphenylmethandiisocyanate
Name Diphenylmethan-
2,2′-diisocyanat
Diphenylmethan-
2,4′-diisocyanat
Diphenylmethan-
4,4′-diisocyanat
Andere Namen 2,2′-Diphenylmethan-
diisocyanat
2,2′-MDI
 
 
2,4′-Diphenylmethan-
diisocyanat
2,4′-MDI
 
 
4,4′-Diphenylmethan-
diisocyanat
p,p′-Diphenylmethan-
diisocyanat
4,4′-MDI

Methylendiphenylisocyanat
Bis(isocyanatophenyl)methan
Methylenbis(phenylisocyanat)
Diisocyanatodiphenylmethan

Strukturformel
CAS-Nummer 2536-05-2 5873-54-1 101-68-8
26447-40-5 (Isomerengemisch)[1]
9016-87-9 (technisch)
PubChem 62450 62593 7570
Summenformel C15H10N2O2
Molare Masse 250,26 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Kurzbeschreibung farbloses bis gelbliches, brennbares Pulver oder Flocken mit aminartigem, stechendem Geruch
Schmelzpunkt 40 °C[2] 37 °C[3] 40 °C[4]
Siedepunkt 300 °C[2][3][4]
Dichte 1,18 g·cm−3[2][3][4]
Löslichkeit Zersetzung in Wasser, löslich in organischen Lösungsmitteln,
wie z. B. Aceton, Ethylacetat, N-Methylpyrrolidon und Halogenkohlenwasserstoffen[5]
GHS-
Kennzeichnung
aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[6] ggf. erweitert
Gefahrensymbol Gefahrensymbol
Gefahr[1]
H-Sätze 351​‐​332​‐​373​‐​319​‐​335​‐​315​‐​334​‐​317[2][3][4]
EUH-Sätze keine EUH-Sätze[2] 204[3] keine EUH-Sätze[4]
P-Sätze ? 260​‐​280​‐​285​‐​302+352​‐​304+340-
305+351+338​‐​309+311[3]
261​‐​280​‐​284​‐​304+340​‐​312-
305+351+338​‐​342+311[4]

Gewinnung und Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Herstellung von MDI erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst wird Anilin mit Formaldehyd zum Diaminodiphenylmethan umgesetzt:

Diaminodiphenylmethan
Diaminodiphenylmethan

Das Diaminodiphenylmethan wird dann mit Phosgen zu Diisocyanat umgesetzt.[7]

MDI
MDI

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Abhängigkeit von der Position der Isocyanatgruppen unterscheiden sich die Isomere in ihrer Reaktivität. So sind die Isocyanatgruppen in der 4-Position wesentlich reaktiver als die in der 2-Position.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Methylendi(phenylisocyanat) ist ein wesentlicher Rohstoff für Polyurethan, Polyamidimid bzw. Weichschaum-, Isolierschaum- und Klebstoffe. Es gehört deshalb neben TDI zu den weltweit am meisten hergestellten Isocyanaten. In seltenen Fällen wird technisches Diphenylmethandiisocyanat auch zur Beleimung von MDF-Platten eingesetzt.

Sicherheitshinweise / Risikobewertung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Methylendi(phenylisocyanat) ist durch Wärme leicht zur Polymerisation zu bringen, die heftig verlaufen kann. Weiterhin ist der Stoff als krebserregend nach EG-Kategorie 2 (Stoffe, die wegen möglicher krebserzeugender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben) eingestuft.

4,4’-Methylendiphenyldiisocyanat wurde 2012 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von 4,4’-Methylendiphenyldiisocyanat waren die Besorgnisse bezüglich der Einstufung als CMR-Stoff, Verbraucherverwendung und weit verbreiteter Verwendung sowie der Gefahren ausgehend von einer möglichen Zuordnung zur Gruppe der PBT/vPvB-Stoffe und der vermuteten Gefahren durch sensibilisierende Eigenschaften. Die Neubewertung fand ab 2013 statt und wurde von Estland durchgeführt. Anschließend wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht.[8][9]

Exposition und Messung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wegen der hohen Reaktivität der Isocyanat-Gruppe stellt die messtechnische Überwachung von MDI in der Luft am Arbeitsplatz hohe Anforderungen an Messplanung, Probenahme und Analytik. Probenahmesysteme, die nach dem Prinzip der Chemisorption arbeiten, sind meist gut geeignet, um die Expositionssituation zum Zeitpunkt der Probenahme exakt festzuhalten. Die Bestimmung der Konzentrationen monomerer Diisocyanate sowie des Gesamt-NCO-Gehalts (Totalkonzentration reaktiver Isocyanat-Gruppen, TRIG) erfolgt qualitativ und quantitativ mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) und paralleler Detektion mittels Fluoreszenzdetektor (FLD) und Diodenarraydektektor (DAD). Das Verfahren ist für Messungen entsprechend der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 402 geeignet (Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition). Die Ergebnisse von Arbeitsplatzmessungen von MDI finden sich im Messsystem Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (MGU). Die ermittelten Messwerte sowie Betriebs- und Expositionsdaten sind in der Expositionsdatenbank MEGA dokumentiert und lassen sich mit einer speziellen Software nach unterschiedlichen Kriterien selektieren und auswerten.[10]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Eintrag zu Diphenylmethandiisocyanat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 11. August 2016. (JavaScript erforderlich)
  2. a b c d e Eintrag zu Diphenylmethan-2,2′-diisocyanat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 11. August 2016. (JavaScript erforderlich)
  3. a b c d e f Eintrag zu Diphenylmethan-2,4′-diisocyanat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 11. August 2016. (JavaScript erforderlich)
  4. a b c d e f Eintrag zu Diphenylmethan-4,4′-diisocyanat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 11. August 2016. (JavaScript erforderlich)
  5. Datenblatt 4,4′-MDI (PDF; 207 kB) bei GisChem, abgerufen am 7. Mai 2018.
  6. Eintrag zu Methylenediphenyl diisocyanate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 11. August 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  7. David Randall, Steve Lee: The Polyurethanes Book. Wiley, New York 2002, ISBN 0-470-85041-8.
  8. Europäische Chemikalienagentur (ECHA): Substance Evaluation Conclusion and Evaluation Report.
  9. Community rolling action plan (CoRAP) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA): 4,4’-methylenediphenyl diisocyanate, abgerufen am 20. Mai 2019.
  10. Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA): MEGA-Auswertungen zur Exposition gegenüber den Diisocyanaten HDI, IPDI, MDI und TDI sowie dem Gesamt-NCO-Gehalt (TRIG) an deutschen Arbeitsplätzen. (PDF) Abgerufen am 9. August 2022.