Michel Piccoli

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Michel Piccoli, 1993

Jacques Daniel Michel Piccoli (* 27. Dezember 1925 in Paris; † 12. Mai 2020 in Saint-Philbert-sur-Risle) war ein französischer Theater- und Filmschauspieler. Daneben war er auch als Drehbuchautor, Regisseur und Filmproduzent tätig. Piccolis Schauspielkarriere erstreckte sich über 70 Jahre; er galt als einer der bedeutendsten Charakterdarsteller Frankreichs.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jugend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Michel Piccoli, 1945

Michel Piccoli war der Sohn einer Musikerfamilie italienischer Herkunft, die bereits seit mehreren Generationen in Paris lebt. Sein Vater Henri Piccoli war Violinist, seine Mutter Marcelle Expert-Bezançon Pianistin.[1] Piccoli besuchte das Collège d’Annel, die École Alsacienne und das Collège Sainte-Barbe in Paris und nahm danach Schauspielunterricht bei René Simon. Als Schüler hatte er zuvor an verschiedenen Laien-Aufführungen teilgenommen.[1] Nach seiner Schauspielausbildung trat er an verschiedenen Pariser Bühnen auf; so spielte er beispielsweise 1954 in der Uraufführung des Stücks La Soirée des proverbes von Georges Schehadé unter der Regie von Jean-Louis Barrault am Petit Théâtre Marigny. Zeitweilig war er Direktor des Théâtre de Babylone.

Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1944 hatte Piccoli sein Filmdebüt. Er spielte unter namhaften Regisseuren, zunächst oft nur in kleineren Rollen, unter anderem als Hauptmann Valorgeuil in Jean Renoirs French Can Can (1954), als Maurice Rouger in Kurt Maetzigs Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse und als James Putnam in Die Hexen von Salem (1956). Seine Verkörperung der Religion in Gestalt des Priesters Lizzardi neben Georges Marchal und Michèle Girardon in Luis Buñuels Pesthauch des Dschungels (La mort en ce jardin, 1956) war seine erste große Rolle.

Seine erste Hauptrolle war der in Annie Cordy verliebte Music-Hall-Direktor Jacques Forestier in der Romanze Tabarin (1958). Nach einer weiteren Rolle bei Buñuel in Tagebuch einer Kammerzofe war es die Figur des Schriftstellers Paul Javal in Die Verachtung (1963) von Jean-Luc Godard, die ihn berühmt machte. Zu seinem umfangreichen Repertoire gehörten unter anderem die Rollen des skrupellosen Erpressers neben Catherine Deneuve in Buñuels Belle de Jour – Schöne des Tages, des romantischen Musikladenbesitzers Simon Dame, den Danielle Darrieux in Jacques Demys Die Mädchen von Rochefort wegen seines Namens nicht heiraten will („Madame Dame“), und eines als Spitzel verdächtigten Mannes in Ein Mann zuviel von Costa-Gavras.

Alfred Hitchcock engagierte ihn 1968 neben weiteren französischen Stars wie Claude Jade, Dany Robin und Philippe Noiret für seinen Thriller Topas. Piccoli spielte darin den am Ende entlarvten Chef des Spionagerings Topas. Seine Filmpartnerin Claude Jade berichtete, dass Hitchcock es später bedauerte, Piccoli nicht die zentrale Hauptrolle gegeben zu haben, die Frederick Stafford verkörpert hatte. So ist Piccoli in jener Zeit noch der für einen Jüngeren Verlassene, wie von Catherine Deneuve in La Chamade – Herzklopfen.

Mit Die Dinge des Lebens begann seine Arbeit mit dem Regisseur Claude Sautet. Er spielt bei ihm, oft gemeinsam mit Romy Schneider, Hauptrollen in Das Mädchen und der Kommissar, Mado und Vincent, François, Paul und die anderen. Mit Schneider bildete er auch bei anderen Regisseuren ein Filmpaar, so auch in ihrem letzten Film Die Spaziergängerin von Sans-Souci. Piccoli spielte ab Anfang der 1970er oft abgründige Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft im Grenzbereich zum Anarchismus. Als eindrucksvolle Darbietung galt seine Rolle als grunzender Proletarier im wortlosen Themroc von Claude Faraldo.

Michel Piccoli, 2000

Neben seiner Filmtätigkeit trat Piccoli in Theaterproduktionen auf und war unter anderem in Inszenierungen von Luc Bondy, Peter Brook und Robert Wilson zu sehen. 2007 wurde er in die Wettbewerbsjury der 60. Filmfestspiele von Cannes berufen und für seine Hauptrolle als Henri Husson in Manoel de Oliveiras Drama Belle Toujours für den Europäischen Filmpreis nominiert.

Politisches Engagement[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie viele andere Film- und Theaterkollegen engagierte sich auch Piccoli in der politischen Linken Frankreichs. So setzte er sich etwa für den kommunistischen und pazifistischen Mouvement de la paix ein und für Amnesty International. 2007 unterstützte er in einem Aufruf, der von 150 Intellektuellen und Künstlern unterzeichnet wurde, die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal.[2]

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1954 heiratete Michel Piccoli die Schauspielerin Éléonore Hirt. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Nach einer Affäre mit Romy Schneider heiratete er 1966 Juliette Gréco; die Ehe wurde 1977 geschieden. Von 1978 bis zu seinem Tod war er in dritter Ehe mit der Drehbuchautorin Ludivine Clerc verheiratet, mit der er zwei Kinder adoptierte.[3][4][5] Michel Piccoli starb am 12. Mai 2020 im Alter von 94 Jahren auf seinem Anwesen in Saint-Philbert-sur-Risle in der Normandie an den Folgen eines Schlaganfalls.[6][7][8]

Filmografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dokumentarfilm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der erstaunliche Monsieur Piccoli. (OT: L’extravagant monsieur Piccoli.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2016, 55:15 Min., Buch und Regie: Yves Jeuland, Produktion: Kuiv Productions, arte France, INA, Cine+, Erstsendung: 28. Mai 2017 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Michel Piccoli – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b mf: Michel Piccoli im Munzinger-Archiv, abgerufen am Internationales Biographisches Archiv 44/2010 vom 2. November 2010 (Artikelanfang frei abrufbar)
  2. Aufruf und Namensliste in: „Avant qu’il ne soit trop tard.“ In: Nouvel Observateur, 13. März 2007. („Bevor es zu spät ist.“)
  3. Michel Piccoli « mort dans les bras » de Ludivine, sa dernière femme : qui est-elle ? In: gala.fr. 18. Mai 2020, abgerufen am 18. Mai 2020 (französisch).
  4. Michel Piccoli auf Frankreich-Sued.de
  5. Catherine Balle: Mort de Michel Piccoli, acteur de légende du cinéma français. In: leparisien.fr. 18. Mai 2020, abgerufen am 18. Mai 2020 (französisch).
  6. Film- und Theaterschauspieler: Michel Piccoli ist tot. In: faz.net. 18. Mai 2020, abgerufen am 18. Mai 2020.
  7. Michel Piccoli ist tot. In: zeit.de. 18. Mai 2020, abgerufen am 18. Mai 2020.
  8. L’acteur Michel Piccoli est décédé chez lui dans son manoir de Saint-Philbert-sur-Risle, dans l’Eure. In: paris-normandie.fr. Abgerufen am 18. Mai 2020 (französisch).
  9. Alan Bridges: La petite fille en velours bleu. Columbia Films, Orphée Arts, 23. August 1978, abgerufen am 30. Oktober 2022.
  10. mohāğer (Persisch [Fārsī]) – Emigrant