Mithräum

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Mithräum von Santa Maria Capua Vetere bei Neapel
Mitreo delle Terme del Mitra in Ostia

Als Mithräum (lateinisch mithraeum, Plural Mithräen) bezeichnet man die Tempel des Mithras-Kultes.

Mithräen waren meist unterirdisch angelegt oder in Fels gehauen. Für die nur ein bis zwei Dutzend Mitglieder zählenden Mithrasgemeinden genügte ein verhältnismäßig kleiner Kultraum. Das größte bekannte Mithräum bot Platz für 80 Gläubige. Im Gegensatz zum Christentum, wo in größeren Gemeinden entsprechend größere Gotteshäuser gebaut wurden, wurde im Mithraismus ihre Zahl, nicht ihr Volumen vergrößert. Zur Blüte des Mithraskults im 3. Jahrhundert soll es alleine in Rom 800 Mithräen gegeben haben.[1] Da die einzelnen Mithräen jedoch meist nicht lange in Benutzung waren, sagt diese hohe Zahl nichts über die Zahl der Anhänger aus. Bis heute wurden die Überreste von über 1000 Mithräen im gesamten Gebiet des Römischen Reiches archäologisch nachgewiesen.

Bauliche Anlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundriss des Mithraeums in Königsbrunn

Die meisten Mithräen besaßen einen rechteckigen Grundriss und ein Tonnengewölbe. Durch die unterirdische Anlage (innerhalb von Städten oft in Kellerräumen von Privathäusern) war jedes Mithräum wie eine künstliche Höhle gebaut und erinnerte damit an die Geburt Mithras’ in einer Felsenhöhle. Die Römer nannten sie spelunca. Die „Höhlen“ könnten auch ein Modell des Kosmos gewesen sein, da an der Decke der Mithräen oft der Sternenhimmel abgebildet wurde und manchmal einige kleine Öffnungen Licht hindurchließen.

Die innere Anlage der Mithräen war den späteren christlichen Kirchen ähnlich, allerdings waren sie in Richtung Westen (Sonnenuntergang) und nicht in Richtung Osten (Sonnenaufgang) orientiert. In den Fundamenten zeigt sich eine typische Dreiteilung: ein Mittelgang (cella) wurde links und rechts von zwei aus Stein gemauerten Podien flankiert. Im Osten des Tempels lag der Eingang und am anderen Ende des Mittelgangs im Westen befand sich eine Apsis und darin ein Altar. Der Altar hatte zum Teil sieben Stufen, die die sieben Sphären bzw. Initiationsstufen des Mithraismus symbolisierten. Oberhalb des Altars befand sich ein großes Wandbild oder Steinrelief, das in fast allen Mithräen die Stiertötungsszene (Tauroktonie) zeigt. Auch die Wände und Decken der Mithräen waren oft bemalt.

Auf den seitlichen Podien lagerten die Gläubigen und verfolgten die Zeremonien, die der Priester im Mittelgang und vor dem Kultbild im Osten zelebrierte. Auf diesen Podien nahmen sie auch das Mahl bei ihren Feiern ein.

Zerstörung und Verfall der Mithräen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als das Christentum im 4. Jahrhundert die Vormachtstellung über alle anderen Religionen im Römischen Reich erlangte, wurde ein großer Teil der noch bestehenden Mithrastempel von den Christen zerstört, die übrigen verfielen. So schilderte um 380 der Heide Libanios in einem Brief an Kaiser Theodosius I. extreme Zerstörungswut an heidnischen Tempeln durch „Banden schwarz gekleideter Mönche“.[2] Kaiser Theodosius I. erließ im Jahr 391 ein Gesetz, wonach alle heidnischen Tempel zu schließen seien; allerdings ist es in der neueren Forschung umstritten, wie strikt die offiziellen Verlautbarungen umgesetzt wurden. Das in der älteren Forschung oft entworfene Bild harter Religionskämpfe um 400 wurde 2011 von Alan Cameron zumindest in mehreren Punkten in Frage gestellt.[3] Im Jahre 407 wurde von den Söhnen des Theodosius allerdings ein reichsweites Gesetz erlassen, wonach heidnischen Altäre niedergerissen und heidnische Bildnisse, die der Verehrung dienen, entfernt werden mussten.[4]

In seinem Buch The archaeology of religious hatred in the Roman and early medieval world datiert Eberhard Sauer zerstörte heidnische Tempel sowie Zerstörungen von Kulturgütern (Ikonoklasmus, Kulturvandalismus) vor allem im Westen. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass hier (vor allem in Deutschland) die Ausgrabungen zahlreicher und sorgfältiger waren. Letzteres war entscheidend, um aus Beifunden wie Münzen den ungefähren Zeitraum der Zerstörung der Tempel zu ermitteln. Nach Sauer waren diese Zerstörungen exzessiv und umfassten das ganze Reich:[5]

„Auf der Grundlage des literarischen und archäologischen Befundes kann es keinen Zweifel geben, dass die Christianisierung des Römischen Reiches und des frühmittelalterlichen Europas mit der Zerstörung von Kunstwerken einherging in einer Größenordnung, die man in der Geschichte der Menschheit nie zuvor sah.“

Sauer (2003), S. 157.
Skelett-Fund im Mithrastempel von Saarburg. Der getötete Mann war vermutlich ein Priester des Mithraskultes. Historische Fotografie der Grabungsberichte von 1905, aus: Franz Cumont: Die Mysterien des Mithra (1911)

Als 1905 erste Ausgrabungen zu den Religionskämpfen durchgeführt wurden, fand man in dem mit Felsen verschlossenen und zugeschütteten Mithrastempel von Saarburg in Lothringen das Skelett eines schmächtigen Mannes, dessen Hände hinter dem Rücken mit Eisenketten gefesselt waren und der offenbar lebendig begraben worden war. Der Tempel zeigte starke Spuren von Ikonoklasmus. Ein Reliefbild wurde in über 300 Teile zerschlagen.[6] Ein ähnliches Bild fand sich in dem (vermuteten) Mithrasheiligtum in der Kulthöhle in Zillis. Hier entdeckte man die Überreste eines wohl im 6. Jahrhundert bestatteten, offenbar durch eine Pfählung getöteten Mannes – eventuell eines Mithras-Priesters, der von Christen bei der Zerstörung des Heiligtums hingerichtet worden sein könnte.[7]

Survey- und Datenbankforschungen zum Umfang von Tempelzerstörungen bestätigen das Bild einer nachhaltigen Zerstörung für heidnische Gebäude auch im Osten des Reiches als Summe der allerorts auftretenden lokalen Religionskämpfe.[8] Aus zerstörten heidnischen Gebäuden wurde oft Baumaterial für christliche Neubauten gewonnen (Spolien). In einigen Fällen wurden auch Mithräen direkt mit christlichen Kirchen überbaut, wie archäologische Funde (z. B. Santa Prisca in Rom) zeigen.

Um das Jahr 430 war die Zerstörung der heidnischen Tempel und Statuen bereits so weit vorangeschritten, dass Theodoret, ein christlicher Apologet und Autor der letzten bekannten Schrift gegen die Heiden, schrieb:

„Warum sprechen wir noch von den Philosophen, Kaisern und Generälen, da doch die Märtyrer im Gedächtnis der Menschen die Nachfolger derer wurden, die man Götter nannte. Wahrlich, ihre Tempel sind so vollständig zerstört, dass man sich nicht einmal ihre frühere Stätte vorstellen kann, während das Baumaterial nunmehr den Märtyrerschreinen gewidmet ist.“

Theodoret, Heilmittel gegen die hellenistischen Krankheiten 8,68f.

Dennoch existierten manche Mithräen noch einige Jahrhunderte weiter und der Mithraskult war wohl im 6. Jahrhundert noch nicht vollkommen ausgerottet. So wurde beispielsweise der Haupttempel des Sol Invictus Mithras in Baalbek (heute Libanon) frühestens 554 zerstört.

Liste bedeutender Mithräen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mithräum in Riegel am Kaiserstuhl
Funde des Inventars aus dem Mithräum I in Stockstadt, ausgestellt im Saalburgmuseum
Mithräum unter der Kirche San Clemente in Rom
Die Mithrashöhle auf dem Halberg in Saarbrücken
Dieburger Mithrasstein
Silbernes Votivblech mit Stiertötung, gefunden im Stockstädter Mithräum

Mithräen in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland können in den folgenden Städten die Überreste oder Rekonstruktionen von Mithräen besichtigt werden:

Mithräen in Italien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tauroktoniefresko im Mithräum von Marino

Mithräen in Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mithräen in England[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mithräen im übrigen Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mithräen im Orient[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zum Vergleich: die heutige Stadt Rom mit 2,8 Millionen Einwohnern besitzt „nur“ etwa 850 Kirchen.
  2. Sie demolieren die Tempel mit Holzbalken, Steinen und Werkzeugen aus Eisen oder auch ohne diese Gegenstände mit Händen und Füßen. Dann werden sie zur leichten Beute; obwohl sie die Dächer zerstören, die Mauern zum Einsturz bringen, die Statuen niederwerfen und die Altäre niederreißen, haben die Priester zu schweigen oder sie müssen sterben.“ Libanius (Rede 30,8) nach Sauer (2003), S. 159. Es scheint sich der Mob betätigt zu haben, während sich die Geistlichkeit offenbar von diesem Vandalismus distanzierte.
  3. Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford 2011.
  4. Codex Theodosianus 16, 10, 19.
  5. Wortlaut im englischen Original: There can be no doubt on the basis of the written and archaeological evidence that the Christianisation of the Roman Empire and early medieval Europe involved the destruction of works of art on a scale never before seen in human history.
  6. Die jüngste gefundene Münze stammte aus dem Jahr 394. Die Hände des Mannes waren mit eisernen Handschellen hinter seinem Rücken gefesselt. Er hatte keine Grabbeigaben und kaum Kleidung. Es gab keinen bekannten Ritus, der bei einem Toten oder Verletzten eine solche Fesselung vorsah. Demnach wurde der Mann wahrscheinlich lebendig in der Gruft eingeschlossen und ist nach einigen Tagen darin verstorben. Beim nicht unbeträchtlichen Wert solcher Eisenteile in der Spätantike lässt dies auf Täter schließen, die keine materiellen Interessen hatten. Archäologische Diskussion des Falles bei Sauer über das Buch verteilt.
  7. Männerkult im christlichen Graubünden. In: nzz.ch. 17. März 2002, abgerufen am 24. September 2023.
  8. Siehe Johannes Hahn: Gewalt und religiöser Konflikt. Die Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.). Berlin 2004 (Klio Beihefte, N.F., Bd. 8).
  9. Ingeborg Huld-Zetsche: Der Mithraskult in Mainz und das Mithräum am Ballplatz (= Mainzer archäologische Schriften 7). Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Archäologie, Mainz 2008, ISBN 978-3-935970-05-1.
  10. Giovanni Becatti: I mitrei (= Scavi di Ostia 2). Rom 1954; Martina Battisti: I luoghi di culto mitraico di Ostia. Dissertation Universität Venedig 2020 (Digitalisat); Alessandro Melaga: I mitrei di Ostia antica. Edizioni Quasar, Rom 2022, ISBN 978-88-5491-362-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]