Neuhengstett

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Neuhengstett
Gemeinde Althengstett
Wappen der ehemaligen Gemeinde Neuhengstett
Koordinaten: 48° 44′ N, 8° 47′ OKoordinaten: 48° 44′ 15″ N, 8° 46′ 49″ O
Höhe: 526–579 m ü. NHN
Fläche: 2,5 km²
Einwohner: 1768 (2021)[1]
Bevölkerungsdichte: 707 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Oktober 1974
Postleitzahl: 75382
Vorwahl: 07051
Evangelische Kirche

Neuhengstett ist ein Ortsteil der Gemeinde Althengstett im Landkreis Calw in Baden-Württemberg. Zum 1. Oktober 2022 wurde Neuhengstett der Namenszusatz Waldenserort verliehen.[2]

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neuhengstett bildet zusammen mit den Orten Althengstett und Ottenbronn die Gemeinde Althengstett.

Neuhengstett von Nordwesten. Im Hintergrund Althengstett

Der Ort befindet sich in einer sanften Muldenlage und das Gelände fällt nach Südwesten hin bis auf 526 m ü. NHN allmählich ab. In unmittelbarere Nähe dieses tiefsten Punkts auf Neuhengstetter Gemarkung wird der Neuhengstetter Bach, ein Zufluss des Tälesbachs, an die Oberfläche geleitet. Der Bach bildet den natürlichen Abfluss des Geländes in und um das Dorf. Er bildet sich nördlich des Ortes und wird verdolt unter Neuhengstett hindurchgeführt. Der mit 579 m ü. NHN höchste Punkt auf Neuhengstetter Gemarkung befindet sich nordöstlich des Dorfes im Bereich der Erhebung Hörnle.

Die Flächennutzung ist in Neuhengstett wie folgt gegliedert (Stand: März 2017):

  • Landwirtschaftliche Nutzflächen (hauptsächlich Felder, Wiesen und Obstanbau): 57 % (1,43 km²)
  • Siedlungs- und Verkehrsflächen: 26 % (0,65 km²)
  • Bewaldete Flächen: 17 % (0,44 km²)[3]

Neuhengstett befindet sich überwiegend auf Unterem und Mittlerem Muschelkalk. Im Süden bzw. Südwesten trifft man jedoch Oberen Buntsandstein an.[4] Dieser verleiht dem dortigen Boden eine typische rote Färbung, was dazu führte, dass eine Straße in diesem Bereich den Namen Rote Erde erhielt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Waldenserstein

Neuhengstett ist ein Waldenserort. Die aus Piemont und Savoyen stammenden protestantischen Glaubensflüchtlinge konnten sich auf Initiative von Herzog Eberhard Ludwig ab 1699 in Württemberg niederlassen. Am 1. September 1700 gründeten 28 Familien mit insgesamt 134 Personen den Ort, den sie zunächst Le Bourcet nannten.[5] Der Name wurde in Anlehnung an das italienische Dorf Bourcet in den Cottischen Alpen gewählt, aus dem ein Großteil der Siedler stammte. Die Siedlung wurde auf Land errichtet, das im Zuge des Dreißigjährigen Kriegs und der nachfolgenden Pestepidemie nicht mehr bewirtschaftet wurde und zu Ödland verkommen war. Der größte Anteil der zugewiesenen Siedlungsfläche gehörte zuvor zu Simmozheim. Den zweitgrößten Anteil musste Möttlingen abtreten. Die restlichen Flächen kamen zu gleich großen Teilen von Hengstett (heute: Althengstett) und aus Hirsauischem Klosterbesitz.[6] Im Jahre 1711 wurde Le Bourcet amtlich in Neu-Hengstett umbenannt, woraus später die heutige Namensform ohne Bindestrich entstand. Diese Umbenennung erfolgte, da noch mehrere andere Namen für die Siedlung in Gebrauch waren (Abeldorf, Welsch-Hengstett oder Simmozheimer Colonie) und man Missverständnissen vorbeugen wollte.[6] Im Jahr 1881 wurde nördlich des Ortes zum Gedenken an die Entstehungsgeschichte Neuhengstetts und an die sich ursprünglich ansiedelnden Waldenser ein Gedenkstein errichtet, welcher von der lokalen Bevölkerung als Waldenserstein bezeichnet wird. Nach der Aufnahme von Hugenotten und Waldensern wurden verbesserte Textilmaschinen in Württemberg gebaut und betrieben.[7] Wenige Jahre nach ihrer Einwanderung wurde das in Frankreich erlernte Strumpfwirkerhandwerk ausgebaut. Kontakte bestanden zum Heuberg und dem Albstäder Raum, der Schaffhausen beschickte.[8]

Neuhengstett kam 1808 bei der Umsetzung der neuen Verwaltungsgliederung im Königreich Württemberg zum Oberamt Calw. Bei der Kreisreform während der NS-Zeit in Württemberg 1938 gelangte Neuhengstett zum Landkreis Calw.

Im Rahmen der Gebietsreform in Baden-Württemberg wurde die bis dahin selbstständige Gemeinde Neuhengstett am 1. Oktober 1974 in die Gemeinde Althengstett eingegliedert.[9] Zur Gemeinde Neuhengstett gehörte lediglich das gleichnamige Dorf und die Wüstung Schlehdorn (auch Schleichdorn oder Sledorn genannt),[10] die sich im Osten des Ortes befindet.[11] Schlehdorn ist ein schon vor der Gründung von Neuhengstett aufgegebener Ort, der spätestens im Jahr 1300 bereits existierte.[12]

Bevölkerungsentwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Bevölkerungsentwicklung von Neuhengstett auf.[13] Die Zahlen beziehen sich auf das Gemeindegebiet mit Gebietsstand vor der Eingemeindung am 1. Oktober 1974.

Jahr 1701 1702 1712 1802 1803 1838 1842 1860 1871 1880 1885 1890 1900 1910 1919 1925 1933 1938 1939 1948 1950 1956 1959 1961 1963 1964 1965 1966 1970 1972 1974 1976 1980 1983 1990 1996 1998 1999
Einwohner 205 269 148 271 250 436 450 482 502 448 422 386 396 400 391 414 409 412 411 466 519 561 574 587 622 635 659 681 792 810 849 1095 1317 1419 1804 1962 1981 1980

Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Waldensermuseum und dahinter der Waldenserfriedhof

Neuhengstett besitzt mehrere öffentliche Einrichtungen und Gebäude. Neben einer Grundschule gibt es auch einen Kindergarten sowie eine Turn- und Festhalle. Im ehemaligen Rathaus des Dorfes ist die Ortsverwaltung untergebracht.

Die örtliche evangelische Kirchengemeinde ist Teilgemeinde der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Neuhengstett-Ottenbronn[14] im Kirchenbezirk Calw-Nagold der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. 1824 wurde die 1699/1700 gebildete Gemeinde in die Evangelische Landeskirche in Württemberg eingegliedert. Ihre Waldenserkirche im Ortskern wurde 1769 in der heutigen Form gebaut.[15][16]

Auch die Neuapostolische Kirche betreibt in Neuhengstett ein Gotteshaus. Am südlichen Rand des Dorfes gibt es einen Friedhof mit einer Aussegnungshalle. An der heutigen Hauptstraße (Waldenserstraße) gelegen, existiert außerdem ein aufgelassener Friedhof, der so genannte Waldenserfriedhof, auf dem bis 1932 die Toten des Ortes beerdigt wurden.[13] Direkt daneben wurde in einem um 1824 erbauten Haus vom örtlichen Heimat- und Geschichtsverein ein Waldensermuseum eingerichtet.

Unmittelbar östlich des Ortes verläuft die Bundesstraße 295, die von Calw nach Stuttgart führt. Im öffentlichen Personennahverkehr wird Neuhengstett von Bussen angefahren, mit denen man unter anderem Calw und die Station der S-Bahn Stuttgart in Weil der Stadt erreicht.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alban Rösiger, Neu-Hengstett (Burset). Geschichte und Sprache einer Waldenser Colonie in Württemberg. Greifswald: Julius Abel, 1882. http://digital.bib-bvb.de/collections/KUEI
  • Bourcet e. V., Heimatgeschichtsverein Neuhengstett (Hrsg.): Neuhengstett: Geschichte einer ehemaligen Waldenserkolonie, gegründet 1700. Geiger-Verlag, Horb am Neckar 1999, ISBN 3-89570-564-0.
  • Neu-Hengstett. In: Karl Eduard Paulus (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Calw (= Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen 1824–1886. Band 40). Karl Aue, Stuttgart 1860, S. 292–295 (Volltext [Wikisource]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Neuhengstett – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Website der Gemeinde Althengstett, abgerufen am 18. November 2023.
  2. Bekanntmachungen des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen über die Genehmigung von sonstigen Bezeichnungen v. 1. September 2022 – Az.: IM2-2200-6/1, GABl. BW (2022), S. 819.
  3. Kartenlayer für „Verwaltungsgrenzen BW“ auf dem Geoportal Baden-Württemberg (Hinweise), abgerufen am 15. März 2017.
  4. Geologische Übersichtskarte des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau beim Regierungspräsidium Freiburg, Baden-Württemberg, abgerufen am 7. März 2017.
  5. Geschichte der Waldenser, Homepage des Heimatgeschichtsvereins Neuhengstett, abgerufen am 20. Februar 2017.
  6. a b Beschreibung von Neuhengstett. Internetpräsenz der Gemeinde Althengstett; abgerufen am 1. April 2017.
  7. Strümpfe
  8. Fritz Scheerer: Beginn der Industrialisierung unserer Heimat. Heimatkundliche Blätter 1965. Hrsg.: Heimatkundliche Vereinigung. Balingen.
  9. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 488.
  10. Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band V: Regierungsbezirk Karlsruhe Kohlhammer, Stuttgart 1976, ISBN 3-17-002542-2. S. 474–475
  11. Neu-Hengstett. In: Karl Eduard Paulus (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Calw (= Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen 1824–1886. Band 40). Karl Aue, Stuttgart 1860, S. 292–295 (Volltext [Wikisource]).
  12. Alt-Hengstett. In: Karl Eduard Paulus (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Calw (= Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen 1824–1886. Band 40). Karl Aue, Stuttgart 1860, S. 193–198 (Volltext [Wikisource]).
  13. a b Bourcet e. V., Heimatgeschichtsverein Neuhengstett (Hrsg.): Neuhengstett: Geschichte einer ehemaligen Waldenserkolonie, gegründet 1700. 1. Auflage. Geiger-Verlag, Horb am Neckar 1999, ISBN 3-89570-564-0.
  14. Website der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Neuhengstett-Ottenbronn, abgerufen am 20. Februar 2017
  15. Jörg Widmaier: Der reformierte Kirchenbau im deutschen Südwesten. In: Grit Koltermann, Jörg Widmaier (Red.): Kulturdenkmale der Reformation im deutschen Südwesten. Hrsg. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Esslingen 2017, S. 65–85 (71); denkmalpflege-bw.de (Memento des Originals vom 29. März 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.denkmalpflege-bw.de (PDF) abgerufen am 3. Mai 2020
  16. Festschrift 250 Jahre Waldenserkirche Neuhengstett; hrsg. Evangelische Kirchengemeinde Neuhengstett-Ottenbronn, 2019; gemeinde.neuhengstett-ottenbronn.elk-wue.de (PDF; 4,7 MB) abgerufen am 3. Mai 2020