Nordische Rundfunk AG

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Schriftzug der Norag-Zeitschrift „Die Norag“
Schriftzug der Norag-Zeitschrift

Die Nordische Rundfunk AG (NORAG) wurde am 16. Januar 1924 von einer Gruppe von Kaufleuten um den Getreidehändler Friedrich Blonck in Hamburg gegründet und ging am 2. Mai 1924 mit vier Stunden Programm auf Sendung.

Der Sender im Fernsprechamt Schlüterstraße hatte eine Leistung von 0,7 kW und strahlte auf der Welle 395 (d. h. 759 kHz = 395 m) aus.[1]

Bis 1931 befanden sich hier auch die Aufnahmeräume (Studios) der NORAG.[2]

1932 wurde die NORAG in eine GmbH umgewandelt, 1934 wurde sie als Reichssender Hamburg Teil des deutschen Einheitsrundfunks, der ab dem 1. Januar 1939 unter dem Namen Großdeutscher Rundfunk sendete.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 2. Mai 1924 nahm die Nordische Rundfunk AG den Sendebetrieb im Hamburger Sender Billwerder auf.[3] Lediglich 896 angemeldete Hörer verfolgten die erste Sendung aus einem improvisierten Studio im Hamburger Fernsprechamt Schlüterstraße. Der Intendant Hans Bodenstedt begann persönlich mit den Worten „Hier ist die NORAG!“ Die Zahl der Hörer stieg innerhalb von sechs Monaten auf 7.000.

Am 30. November 1924 wurde der „Zwischensender“ Bremen in Betrieb genommen. Er verbreitete das Programm aus Hamburg und produzierte täglich 3–4 Stunden Programm für die NORAG. Der heutige Nachfolger ist Radio Bremen.

Die Teilnehmergebühren von anfangs jährlich 60 RM[4] wurden von der Reichspost eingezogen. Die Sendegesellschaften erhielten davon 50 bis 60 %, mit dem Rest deckte die Reichspost die Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Sendeanlagen und die Gebühreneinziehung ab. Die Norag finanzierte sich außerdem über Werbeeinnahmen der Funkwerbung Norag GmbH.[5]

Die Sendungen konnten mit einem oftmals selbstgebauten Detektorempfänger mit nur geringer Reichweite oder einem Röhrenempfänger empfangen werden. Bauteile konnten beim Drogisten oder Uhrmacher gekauft werden. Der Empfang musste von der zuständigen Oberpostdirektion genehmigt werden. Für diese „Audionversuchserlaubnis“ zur Errichtung und zum Betrieb einer Funkempfangsanlage zum Privatgebrauch war eine Prüfung abzulegen, in der Grundbegriffe der Elektrotechnik, der Schwingungslehre, der Wirkungsweise von Röhren, der Richtlinien für den Antennenbau und Kenntnisse über die Organisation des deutschen Rundfunkwesens abgefragt wurden. Außerdem musste die Funk-Empfangsanlage baupolizeilich abgenommen werden.[6]

Am 5. Oktober 1924 begann der Sender, jeden Montag um 18.00 Uhr Nachrichten in Esperanto unter dem Titel Dek minutoj da Esperanto ‚Zehn Minuten Esperanto‘ auszustrahlen.[7]

Im Mai 1925 wurde in Berlin als Dachorganisation der regionalen Rundfunkgesellschaften im Deutschen Reich die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) gegründet, der zunächst die Gesellschaften NORAG, MIRAG (Leipzig), SÜWRAG (Frankfurt am Main), ORAG (Königsberg i. Pr.) und Schlesische Funkstunde (Breslau) beitraten. Die drei Gesellschaften Funk-Stunde (Berlin), WERAG (Münster) und SÜRAG (Stuttgart) schlossen sich nach mitunter langwierigen Verhandlungen ebenfalls an, während aufgrund finanzieller Engpässe die nun als Bayerischer Rundfunk firmierende Anstalt (bis 1930 Deutsche Stunde in Bayern) in München erst 1931 Mitgesellschafter der RRG wurde.

Medienpädagogische Pionierarbeit leistete ab 1926 der Reformpäadagoge Wilhelm Lamszus mit seiner Frau Lucia geb. Kahl durch die Etablierung von Kinderhörspielsendungen. Kinder wurden erstmals im Rundfunk vor dem Mikrofon aktiv. Dies setzte Lamszus auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort[8].

Seit 1928 wurden die Sendungen an der Rothenbaumchaussee in Hamburg produziert. Im November 1932 wurde die NORAG in eine GmbH umgewandelt.

Nach der Machtergreifung der NSDAP wurden die regionalen Gesellschaften zu Filialen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Ab dem 1. April 1934 waren die bisherigen Namen nach dem Schema Reichssender (Sitz) vereinheitlicht und der Norddeutsche Rundfunk wurde zum Reichssender Hamburg.

Am Abend des 1. Mai 1945 wurde durch einen Rundfunksprecher des Reichssenders Hamburg verkündet, dass Adolf Hitler „gefallen“ sei, er habe Großadmiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger ernannt. Anschließend rief Dönitz am Radio persönlich die Deutschen, insbesondere die Wehrmachtssoldaten, auf, den Krieg gegen den Bolschewismus weiterzuführen.[9][10] Nachdem Hamburgs Kampfkommandant Alwin Wolz, nach Autorisierung durch Karl Dönitz, bei Lüneburg in der Villa Möllering am 3. Mai die Bedingungen zur Übergabe von Hamburg an die Briten unterschrieb, marschierten die britischen Soldaten noch am Nachmittag des Tages in der Stadt ein. Das Rundfunkgebäude an der Rothenbaumchaussee konnte unzerstört übernommen werden, viele Tontechniker waren verblieben, und so konnte nach lediglich 23 Stunden Unterbrechung der neue Sender Radio Hamburg unter britischer Leitung mit neuem Auftrag auf Sendung gehen. Öffentliches Leben in der Stadt erwachte neu unter britischen Vorzeichen.[11][12][13] Am 4. Mai 1945 meldete sich der Sender mit den Worten „This is Radio Hamburg, a station of the allied military Government“ erstmals unter britischer Leitung.[14] Dönitz flüchtete mit seiner Regierung nach Flensburg-Mürwik. Weitere Verlautbarungen von Dönitz erfolgten daher in den folgenden Tagen über den Reichssender Flensburg.[15] So wurde auch die am 4. Mai unterzeichnete Teilkapitulation der Wehrmacht für Nordwestdeutschland, Dänemark und die Niederlande erst am 6. Mai, 0 Uhr, vom Reichssender Flensburg und nicht aus Hamburg verkündet.[16]

Aus der NORAG bzw. dem Reichssender Hamburg ging nach dem Krieg der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) hervor.

Programm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die beliebten Sendungen wurden auch von den Nachfolgern der NORAG weitergeführt. So ist das erstmals am 9. Juni 1929 ausgestrahlte Hamburger Hafenkonzert die älteste noch heute gesendete Rundfunksendung der Welt.[17][18][19]

Am 24. August 1925 sendete die NORAG das erste in Europa entstandene Original-Hörspiel des britischen Schriftstellers Richard Hughes, unter dem Titel Gefahr, das zuvor noch von keinem anderen deutschen Sender ausgestrahlt wurde. Die Sprecher waren Paul Ellmar, Edith Scholz und Karl Pündter.

Die Erkennungsmelodie des Senders war der NORAG-Marsch „Hier ist die NORAG!“

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. radio.wabweb.net
  2. ndr.de
  3. NORAG 1924–1933 (Memento vom 3. Juni 2012 im Internet Archive) (PDF; 248 kB)
  4. Rundfunkgebühren ab 1924 (Memento vom 19. März 2012 im Internet Archive)
  5. Angela Graf: NDR/Norag/NWDR, in: Franklin Kopitzsch, Daniel Tilgner (Hg.): Hamburg Lexikon. Hamburg 2010. S. 488 f.
  6. 40 Jahre Rundfunk in Bremen. Erinnerungen, Berichte, Dokumente. Radio Bremen, Pressestelle, Bremen 1964.
  7. Esperanto-Radio in Hamburg. In: Germana Esperantisto. Nr. 10, Oktober 1924, S. 187 (ANNO – AustriaN Newspapers Online [abgerufen am 5. Mai 2020]).
  8. Wilhelm Lamszus: "Begrabt die lächerliche Zwietracht unter euch!". Erinnerungen eines Schulreformers und Antikriegsschriftstellers (1881–1965) Seite 153 ff
  9. DRA: Hinweisdienst Wort 2005 (25. Todestag Karl Dönitz) (Memento vom 20. Oktober 2014 im Internet Archive), Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv und Radio Bremen. Hitler ist tot (Memento vom 29. November 2016 im Internet Archive), jeweils abgerufen am: 3. Mai 2017.
  10. Gerhard Paul, Broder Schwensen (Hrsg.): Mai '45. Kriegsende in Flensburg. Flensburg 2015, S. 70.
  11. Bürgerbrief. Mitteilungen des Bürgervereins Lüneburg e.V. Nummer 75, vom: Mai 2015, S. 11 f.; abgerufen am: 1. Mai 2017.
  12. Oliver Schirg: Bei Nacht und Nebel. Hamburgs Kapitulation. In: Hamburger Abendblatt vom 18. April 2015, S. 20–21. (online)
  13. Norddeutscher Rundfunk: Am seidenen Faden: Hamburgs Weg zur Kapitulation, vom: 2. Mai 2015; abgerufen am: 1. Mai 2017.
  14. Rundfunkchronik 1945 (Memento vom 2. Februar 2016 im Internet Archive)
  15. Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein (Hrsg.): Der Untergang 1945 in Flensburg, S. 11 (Vortrag am 10. Januar 2012 von Gerhard Paul; PDF)
  16. Gerhard Paul, Broder Schwensen (Hrsg.): Mai ’45. Kriegsende in Flensburg. Flensburg 2015, S. 71.
  17. Hamburger Hafenkonzert - Sonntag bei NDR 90,3. In: ndr.de. Norddeutscher Rundfunk, abgerufen am 2. September 2021.
  18. Lars Amenda: ZEITHISTORISCHE FORSCHUNGEN / HAFENKONZERT Geräusche und Gesellschaft in Hamburg im 20. Jahrhundert. zeithistorische-forschungen.de, abgerufen am 4. September 2021.
  19. Alina Laura Tiews: Das „Hamburger Hafenkonzert“ der Norag ist die traditionsreichste Rundfunksendung der Welt. Hans-Bredow-Institut, abgerufen am 4. September 2021.